Südpolargebiet - Naturraum

Polargebiete - Polargebiete
978-3-14-100870-8 | Seite 202 | Abb. 1| Maßstab 1 : 18000000

Überblick

Die Antarktis wird von dem einzigen Meer umgeben, das die Erde gänzlich umspannt. Der größere Ostteil des sechsten Kontinents ist ein Bruchstück des einstigen Urkontinents Gondwana, während die Inselkette vor der Antarktischen Halbinsel im Westen zu den geologisch jüngeren Anden gehört.

Klima und Lebensraum

Die Antarktis ist die kälteste Region der Erde und - mit Ausnahme der Forschungsstationen - gänzlich unbewohnt. Die Jahresdurchschnittstemperatur liegt an der Südpolstation (Höhe: 2800 Meter über dem Meeresspiegel) bei -50 °C. An der russischen Forschungsstation Wostok in der Ostantarktis (Höhe: 3488 Meter über dem Meeresspiegel) wurde im Juli 1983 mit -89,2 °C ein Kälteweltrekord gemessen.

Im Unterschied zum Nordpol gibt es am Südpol Festland, den Kontinent Antarktika. Das dem Festland aufliegende Inlandeis ragt bis zu Höhen von 4300 Metern über dem Meeresspiegel empor. Es verbindet den ostantarktischen Schild mit dem Inselarchipel der Westantarktis. Einzelne Gebirgszüge ragen aus dem Eispanzer heraus; diese von Eis umschlossenen Felsmassive werden als Nunatakker bezeichnet. Nur etwa drei Prozent der Antarktis sind periglaziale Gebiete ohne Eisbedeckung. Sie liegen meist an der Peripherie der Gletscher, ergeben zusammen aber immerhin noch eine Fläche, die größer ist als Deutschland.

Die vom Meereis bedeckte Fläche schwankt jahreszeitlich stark. Als Packeis wird eine zusammenhängende Eisfläche bezeichnet, die aus zusammengeschobenen, teils übereinander liegenden Eisschollen besteht und mehrere Meter dick sein kann. Zwischen den Schollen bleiben nur kleine Flächen Meerwasser frei. Seine geringste mittlere Ausdehnung hat das Packeis zum Ende des Südsommers im März, wenn sich seine Grenze relativ weit in Richtung der Küsten zurückzieht. Während der kälteren Jahreszeit, dem Südwinter, verschiebt sich die Packeisgrenze dagegen vielerorts um mehrere Hundert Kilometer, an einigen Stellen um über 1000 Kilometer in Richtung Ozean.

Unter dem Begriff Treibeis werden Eisberge, die sich im Bereich der Küsten von den Inlandeisgletschern gelöst haben, und Eisschollen, die aus dem Packeis stammen, zusammengefasst. Sie treiben im offenen Meer, eine geschlossene Eisdecke bilden sie nicht. Die Verbreitungsgrenze des Treibeises wird näherungsweise durch den 60. Breitengrad markiert.

Eine besondere Form des Meereises ist das Schelfeis. Dabei handelt es sich um Eis, das zwar an Land entstanden ist, aber auf dem Meer über dem Festlandssockel schwimmt. Hauptverbreitungsgebiete sind das Ross- und das Filchner-Ronne-Schelfeis. Sie sind zusammen etwa 2,6-mal so groß wie Deutschland.

Trotz der für Menschen lebensfeindlichen Bedingungen sind die Küsten und das Südpolarmeer ein ökologisch reicher Lebensraum. Die Grundlage der Nahrungskette bilden die reichen Krill-Vorkommen, daneben gibt es rund 200 Fischarten, Pinguine und andere Seevögel, Robben, Wale und eine formenreiche Bodenfauna. An vielen Stellen sind Rohstoffe gefunden worden, doch ihre Ausbeutung wäre, obwohl technisch möglich, gegenwärtig noch unwirtschaftlich. Überdies ist die Förderung gegenwärtig nach internationalem Recht verboten (siehe unten).

Unter dem Eisschild Antarktikas wurden in jüngster Zeit mithilfe von Satellitenaufnahmen Unter-Eis-Seen entdeckt. Durch mehrere Tausend Meter mächtigen Eispanzer sind sie seit mehreren Hunderttausend Jahren von der Außenwelt vollkommen isoliert. Ihre Erforschung hat erst vor Kurzem begonnen. Der bislang größte bekannte dieser subglazialen Seen ist der fast 250 Kilometer lange und bis zu 1200 Meter tiefe Wostoksee.

Das Inlandeis ist die wichtigste Süßwasserlagerstätte im Wasserhaushalt der Erde. Der natürliche jährliche Eisbergexport macht etwa 1200 Kubikkilometer aus, vor allem durch das Kalben der Inlandgletscher im Bereich der großen Schelfeise. Er könnte wirtschaftlich zur Süßwassergewinnung genutzt werden; technische Entwicklungen dazu wurden bereits diskutiert und erprobt.

Erforschung und internationale Abkommen

Das Interesse an einer wissenschaftlichen Erforschung des sechsten Kontinents setzte verstärkt nach dem Zweiten Weltkrieg ein. Es führte zur Gründung zahlreicher Forschungsstationen sowohl auf dem Kontinent als auch auf vorgelagerten Inseln. Gegenwärtig gibt es rund 80 Stationen, die etwa zur Hälfte ganzjährig und zur Hälfte nur im Sommer genutzt werden. Für Deutschlands Antarktisforschung sind die Neumayer- und die Gondwana-Station die zentralen Anlaufpunkte, darüber hinaus bestehen temporär und saisonal genutzte Stützpunkte.

Nach den Vereinbarungen des Antarktisvertrags (SCAR-Vertrag) von 1959, der zunächst von zwölf Staaten (Argentinien, Australien, Chile, Frankreich, Großbritannien, Neuseeland, Norwegen, Belgien, Japan, Sowjetunion, Südafrika, USA) unterzeichnet wurde, sind militärische Nutzungen ausgeschlossen und alle Souveränitätsansprüche eingefroren. Diese Bestimmungen wurden 1991 verlängert. Zu den inzwischen 45 Vertragsstaaten zählt auch Deutschland. Ziel ist eine international kooperative, friedliche Erforschung des Kontinents unter Wahrung seiner sensiblen Natur. Die Südpolarregion ist daher Gegenstand zahlreicher Forschungsprogramme geworden.

Die Antarktis wird außerdem durch eine Reihe weiterer internationaler Abkommen geschützt. Fünf Jahre nach dem Antarktisvertrag traten erste Vereinbarungen über die Erhaltung der antarktischen Flora und Fauna in Kraft, 1978 die Konvention zum Schutze der Robben und 1982 die Konvention zur Erhaltung der lebenden Meeresschätze. 1988 kam es zu einer vorläufigen Vereinbarung über Rohstoffexplorationen unter Beachtung des Umweltschutzes. 1992 wurde in einem Protokoll zum Antarktisvertrag die Nutzung mineralischer Rohstoffe mit Ausnahme wissenschaftlicher Zwecke vorerst verboten und der Status der Antarktis als Naturreservat für zunächst 50 Jahre festgeschrieben.

Schutz der Wale

Im 19. Jahrhundert begannen in der Antarktis verheerende Walfangkampagnen. Zahlreiche Walarten bringen ihre Jungen in tropischen Gewässern zur Welt, unternehmen dann aber weite Wanderungen zu den reichen Krill-Vorkommen im Südpolarmeer. Nachdem die Bestände durch die industrialisierte Jagd bereits dramatisch geschrumpft waren, wurde 1932 die Internationale Walfang-Kommission (IWC) gegründet, die den Bestand der Meeressäuger durch Fangquoten sichern sollte. Der Erfolg war bescheiden. Allein in der Fangsaison 1953/1954 wurde fast 35 000 Wale in der Antarktis erlegt, fast doppelt so viele wie in allen Gewässern außerhalb der Südpolarregion zusammen. Noch weitere zehn Jahre wurde Jagd auf die Meeressäuger gemacht, erst ab 1965 wurden einige vom Aussterben bedrohte Arten unter Schutz gestellt. Seit 1986 ist der kommerzielle Walfang verboten, allerdings gibt es drei Ausnahmen. Norwegen hat Einspruch gegen das Walfangmoratorium eingelegt und ist daher nicht daran gebunden. Überdies ist Walfang zu wissenschaftlichen Zwecken immer noch erlaubt; von dieser Ausnahmeregelung machen Japan, Island und Südkorea Gebrauch. Schließlich ist es der indigenen Bevölkerung erlaubt, ihrer traditionellen Lebensweise entsprechend weiterhin Wale zu fangen, zum Beispiel auf Grönland und in Kanada.

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