Nordfriesland - Gezeiten - Flut

Deutschland - Deutschland - Tourismus und Naturschutz
978-3-14-100870-8 | Seite 93 | Abb. 2| Maßstab 1 : 750000

Überblick

Charakteristisch für das Wattenmeer sind die im Küstensaum auftretenden periodischen Schwankungen der Wasserstände, die als Gezeiten oder Tiden bezeichnet werden. Sie haben ihre Ursache in der Massenanziehung des Mondes und der Sonne.

Gezeitenkräfte treten auf, wenn ein Körper im Weltraum an verschiedenen Teilen unterschiedlichen Kräften ausgesetzt ist. Beteiligt an der Entstehung der Gezeiten sind die Gravitation von Erde und Sonne bzw. Mond und die Zentrifugalkraft. Letztere entsteht, da sich streng genommen nicht der Mond um den Erdmittelpunkt dreht, sondern Erde und Mond wie eine asymmetrische Hantel um ihren gemeinsamen Schwerpunkt. Dieser Schwerpunkt liegt etwa 1800 km unterhalb der Erdoberfläche. Die Zentrifugalkraft ist an allen Punkten der Erdoberfläche gleich groß. Im Erdmittelpunkt sind Gravitations- und Zentrifugalkraft entgegengesetzt gleich, an der dem Mond zugewandten Seite überwiegt etwas die Gravitation (erster Flutberg), an der dem Mond abgewandten Seite ist sie etwas schwächer als die Zentrifugalkraft (zweiter Flutberg).

Auch die Sonne spielt hier eine Rolle. Aufgrund ihrer großen Entfernung von der Erde (die mittlere Entfernung zwischen Erde und Sonne beträgt 147,6 Mio. km; zwischen Erde und Mond sind es lediglich 384 400 km) ist ihr gravitativer Einfluss auf die Gezeiten aber nur etwa halb so groß wie der des Mondes. Da sich Kräfte stets vektoriell addieren, hängt die resultierende Gezeitenwirkung von der jeweiligen relativen Stellung von Sonne, Erde und Mond ab: Sind sie in einer Linie angeordnet, ist die Gezeitenwirkung am größten (Springtide), stehen sie zueinander im rechten Winkel, so ist sie am kleinsten (Nipptide). Die Erde mit ihrer Rotation, die ja viel schneller als der Mondumlauf erfolgt, dreht sich quasi unter den Flutbergen hinweg, was sich in der zweimaligen Flut bzw. Ebbe pro Tag bemerkbar macht. Die Gestalt von Küstenlinien und Meeresböden sowie die Corioliskraft und Meeresströmungen modifizieren das Geschehen lokal. Die Kraft der Gezeiten wird in Gezeitenkraftwerken wie dem an der Mündung der Rance bei Saint-Malo in Frankreich genutzt.

Das Wattenmeer bei Ebbe und Flut

Aufgrund der Gezeitenkräfte treten an den Küsten der Weltmeere etwa alle sechs Stunden und zwölf Minuten zu- und abnehmende Wasserstände auf (Ebbe und Flut). Die Differenz zwischen Niedrig- und Hochwasser wird als Tidenhub bezeichnet. In den flachen Küstengewässern der Nordsee werden bei niedrigem Wasserstand große Teile des Meeresbodens als Watt freigelegt.

Auf den beiden Satellitenbildern sind die Unterschiede des Wasserstandes bei Ebbe und Flut sowie die bei Ebbe freigelegten Meeresabschnitte zwischen der schleswig-holsteinischen Küste und den vorgelagerten Nordfriesischen Inseln mit der markanten Insel Sylt im Norden deutlich zu erkennen. Während die meisten Flächen bereits trockengefallen sind, enthalten die Priele noch Wasser. Sie durchziehen das Watt mit einem System verzweigter Adern. Der freiliegende Meeresboden besteht in seinem Zentrum aus Sandwatt, nach außen folgen Misch- und Schlickwatt. Am Übergang zu den Inseln bzw. zum Festland erstrecken sich Salzwiesen. Auf den äußeren Inseln befindet sich (von Ost nach West betrachtet) hinter den Salzwiesen eine Dünenzone, die ihrerseits zum eigentlichen Strand überleitet. Erst jenseits des Strandes liegt die offene Nordsee.

Das Watt bildet den Lebensraum zahlreicher Tierarten, darunter Muscheln, Schnecken, Würmer und Krebse. Die gesamte Flora und Fauna haben sich an die spezifischen ökologischen Bedingungen des Wattenmeeres angepasst.

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