Mitteleuropa - Energiewirtschaft

Deutschland - Deutschland - Energiewirtschaft
978-3-14-100770-1 | Seite 72 | Abb. 1| Maßstab 1 : 5000000

Informationen

Die Elektrizitätserzeugung in Deutschland weist im Hinblick auf die daran beteiligten Kraftwerkstypen eine äußerst vielfältige Struktur auf, wobei innerhalb der einzelnen Bundesländer entsprechend den regionalen Voraussetzungen deutliche Unterschiede bestehen. Im Gegensatz dazu sind in der Elektrizitätserzeugung der meisten umliegenden Länder durchweg ein oder zwei vorherrschende Kraftwerksarten erkennbar.

Der deutsche Strommix
Die Bruttostromerzeugung in Deutschland ist innerhalb von 15 Jahren von rund 550 Terawattstunden (TWh) 1990 auf etwa 636 TWh im Jahre 2006 gestiegen. Gleichzeitig hat sich der Anteil der einzelnen Energieträger am deutschen Strommix in dieser Zeit verändert. Mehr als 45 Prozent der Energie wurden 2006 aus Braunkohle (23,9 Prozent) und Steinkohle (21,4 Prozent) erzeugt, die Kernenergie hatte einen Anteil von gut 26 Prozent. Die erneuerbaren Energien verzeichneten einen neuen Rekordanteil von 11,9 Prozent und überflügelten damit erstmals das Erdgas (11,6 Prozent), dessen proportionaler Anteil am deutschen Strommix ebenfalls kontinuierlich zunimmt (1990: ca. 7 Prozent).
Zu den auffälligsten Veränderungen seit 1990 zählen der tendenzielle Rückgang der fossilen Brennstoffe Stein- und Braunkohle und der gleichzeitige Aufstieg der regenerativen Energien, die 1998 einen Anteil von 4,8 Prozent erreichten, ihn dann aber schon bis 2006 bereits auf 11,9 Prozent steigern konnten. Ihr Zugewinn resultiert vor allem aus erheblichen Zuwächsen in den Bereichen Windkraft, Biomasse und Photovoltaik.
Nachdem bereits mehrere Reaktoren wie der Siedewasserreaktor Würgassen (1994) oder der Druckwasserreaktor Obrigheim (2005) abgeschaltet wurden, sind heute in Deutschland noch zwölf Kernkraftwerke in Betrieb. Daneben existieren mehr als 100 konventionelle Kraftwerke – die überwiegend mit Stein- und Braunkohle oder Erdgas betrieben werden –, knapp 80 Wasserkraftwerke, etwa zwei Dutzend Biomassekraftwerke, eine Reihe von Windparks und Solarkraftwerken und ein geothermisches Kraftwerk in Neustadt-Glewe.

Braun- und Steinkohle
Hinsichtlich ihrer räumlichen Verteilung zeigen die deutschen Steinkohlenkraftwerke, wie auf der Karte gut zu erkennen, eine starke Konzentration in den traditionellen Steinkohlenrevieren an Ruhr und Saar und eine verstärkte Verbreitung an stark frequentierten Schifffahrtswegen. Die deutsche Steinkohlenförderung ist seit den 1990er-Jahren durch den Abbau von Subventionen stark zurückgegangen, 2006 wurde von der Bundesregierung der endgültige Ausstieg aus der Subventionierung des Steinkohlenbergbaus bis 2018 beschlossen. Die deutsche Steinkohlenförderung in Nordrhein-Westfalen und dem Saarland deckte 2004 noch etwa 40 Prozent des bundesdeutschen Bedarfs. Die wichtigsten Importländer sind Polen, Südafrika, Russland, die Ukraine, Australien und Kolumbien.
Der bedeutendste einheimische fossile Energieträger ist die Braunkohle, die auch ohne Subventionen gefördert und verarbeitet werden kann. Deutschland verfügt über rund zehn Prozent der weltweit wirtschaftlich gewinnbaren Braunkohlenreserven. Etwa 35 Mrd. Tonnen lagern im Rheinland, weitere 8 Mrd. Tonnen auf dem Gebiet der neuen Bundesländer im Helmstedter, im Mitteldeutschen und im Lausitzer Revier. Alle deutschen Braunkohlenkraftwerke verteilen sich auf diese vier Abbaugebiete. Die gravierendsten Veränderungen hat es seit 1990 im Mitteldeutschen und im Lausitzer Revier gegeben, wo in den 1980er-Jahren alljährlich noch 100 bis 110 bzw. sogar 180 bis 200 Mio. Tonnen (Lausitz) gefördert wurden, zum überwiegenden Teil mit den für Ostdeutschland typischen Abraumförderbrücken. Diese Mengen wurden zum Betrieb der nahe gelegenen Braunkohlenkraftwerke und zur Herstellung von jährlich 50 Mio. Tonnen Briketts benötigt. Mit der Wiedervereinigung brach der Markt für Braunkohlenbriketts zusammen (1995: 5,0 Mio. Tonnen; 2000: 1,8 Mio. Tonnen), während Kraftwerksstilllegungen und moderne Neubaukraftwerke zu einem deutlich geringeren Bedarf an Kesselkohle führten. Schon bis Mitte der 1990er-Jahre ging die Förderung im Mitteldeutschen und im Lausitzer Revier dramatisch zurück, in vielen Tagebauen wurde der Betrieb inzwischen völlig eingestellt. Im deutlich kleineren Helmstedter Revier wurden bis 2002 zwei Kraftwerke mit etwa 4 Mio. Tonnen Braunkohle jährlich stillgelegt. 2002 wurde das Kraftwerk Helmstedt samt Tagebau geschlossen, 2017 soll dann auch das Kraftwerk Buschhaus mit dem Tagebau Offleben folgen.

Erdgas
Erdgas ist als Energieträger seit den 1980er-Jahren beständig im Aufwind, auch wenn die Wachstumsraten zuletzt etwas geringer ausfielen als bei den erneuerbaren Energien. 49 Prozent des Erdgases wurden 2004 in privaten Haushalten sowie im Gewerbe-, Handels- und Dienstleistungsbereich eingesetzt, das verarbeitende Gewerbe hatte einen Anteil von 25 Prozent, Kraftwerke verbrauchten etwa 13 Prozent. Etwa die Hälfte aller Privathaushalte wurde 2004 bereits mit Erdgas beheizt, mit stark steigendem Trend vor allem bei Neubauwohnungen. Auch beim Einsatz von Erdgas zum Antrieb von Kraftfahrzeugen zeigt sich seit Jahren eine steigende Tendenz. 21 000 mit Erdgas betriebene Fahrzeuge (2004) machen allerdings nur etwa 0,05 Prozent des bundesdeutschen Pkw-Bestandes aus.
R. Löttgers

Schlagworte