Deutschland - Deutscher Bund 1815

Deutschland - Deutschland - Staatlicher Wandel 1815–1932
978-3-14-100870-8 | Seite 66 | Abb. 1| Maßstab 1 : 9000000

Überblick

Der Wiener Kongress zur politischen Neuordnung Europas tagte nach den Napoleonischen Kriegen vom Herbst 1814 bis zum Juni 1815 und endete mit der Gründung des Deutschen Bundes. Die Vertreter der Großmächte Österreich, Preußen, Frankreich, Großbritannien und Russland waren sich in Wien von Beginn an einig, dass die "alte Ordnung" Europas wieder hergestellt werden müsse, dass Herrschaft auf einem monarchischen oder - wie in Großbritannien - einem gewachsenen Prinzip beruhen müsse und dass legitime Monarchien bei der Abwehr revolutionärer Kräfte zusammenstehen sollten. An der Bildung eines deutschen Nationalstaats hatte der Kongress kein Interesse. Weder Österreich noch Preußen waren gewillt, sich dem Führungsanspruch des jeweils anderen zu unterwerfen, auch die deutschen Mittelstaaten wollten nicht auf ihre Souveränität verzichten. Den europäischen Mächten kam das gelegen, denn sie wollten die Entstehung einer neuen Hegemonialmacht verhindern.

Der "Deutsche Bund" war ein loser Verband aus 35 Flächenstaaten und vier Freien Städten. Einziges Bundesorgan war die ständig tagende Frankfurter Bundesversammlung, ein Kongress von Gesandten aller Länder unter dem Vorsitz Österreichs. Es gab weder eine Volksvertretung noch eine gesetzgebende Versammlung. Nach den Bestimmungen der Deutschen Bundesakte stand es allen Mitgliedsstaaten frei, "landständische Verfassungen" zu erlassen, welche die fortschrittlichen Kräfte gefordert hatten, doch nur die Fürsten weniger Mittel- und Kleinstaaten entschlossen sich zu diesem Schritt (z.B. Baden), nicht aber Preußen und Österreich.

Die meisten deutschen Mittel- und Großstaaten gewannen Territorien hinzu. Der Verlust der politischen und territorialen Souveränität der deutschen Kleinstaaten hingegen, der ihnen durch Napoleons Reichsdeputations-Hauptausschluss (1803) zugefügt worden war, wurde nicht revidiert, sondern bestätigt. Mitglieder des Staatenbunds waren auch drei nichtdeutsche Monarchen: der König von England (als König von Hannover), der König von Dänemark (als Herzog von Holstein und Lauenburg) und der König der Niederlande (als Großherzog von Luxemburg). Österreich und Preußen gehörten dem Bund nur mit einem Teil ihres Staatsgebiets an: Die preußischen Gebiete in West- und Ostpreußen und das Großherzogtum Posen lagen ebenso außerhalb wie die österreichischen Territorien in Ungarn, auf dem Balkan und in Italien. Dies erlaubte es beiden Ländern, einige Bundesbeschlüsse zu umgehen.

Für viele, die 1813 als Freiwillige in die Befreiungskriege gezogen waren, war die Gründung des Deutschen Bundes eine herbe Enttäuschung. Die Idee einer nationalen Einigung, über Jahre von Burschenschaften, freiheitlich-liberalen und nationalistischen Kräften getragen, wurde entschieden zurückgewiesen. Als strategisch nützliche Verbündete gegen den gemeinsamen Feind Frankreich hatte die deutsche Nationalbewegung einige Jahre eine relative Freizügigkeit genossen. Nun wurde das Bündnis von den Fürsten aufgekündigt, da die Landesherren durchaus nicht das Interesse einer nationalen Einigung, sondern das einer Wiederherstellung ihres alten Besitzstandes verfolgten. Die Gründung des Deutschen Bundes markiert den Beginn der "Ära Metternich", benannt nach der herrschenden Figur des Kongresses, Österreichs Staatskanzler Fürst von Metternich. Seine Angst vor dem Fortschritt war Ursache jener schikanösen Unterdrückungspolitik ("Karlsbader Beschlüsse", 1819), die das politische Leben in Deutschland über Jahrzehnte lähmte.

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