Amerika - Urbevölkerung Anfang 16. Jahrhundert

Amerika - Amerika - Staaten und Geschichte
978-3-14-100870-8 | Seite 208 | Abb. 1| Maßstab 1 : 64000000

Überblick

Bei dem Wort "Indianer" steht vielen das Bild jener berittenen Stämme der Great Plains vor Augen, die Jagd auf Bisons machten und sich der europäischen Eindringlinge mit Pfeil und Bogen zu erwehren versuchten. Gerade aber die Lebensform dieser Plains-Indianer war im 16. Jahrhundert noch unbekannt, denn in Amerika gab es vor der Ankunft der Europäer keine Pferde; die Indianer lernten sie erst durch die Spanier kennen.

In der frühen Neuzeit lebten in Amerika die unterschiedlichsten indigenen Völker unter verschiedensten klimatischen Bedingungen. Zu ihnen zählten die Hochkulturen der Azteken, Maya und Inkas sowie eine Vielzahl nomadischer oder auch siedelnder Stämme, die als Jäger und Sammler, Ackerbauern, Küstenbewohner oder Krieger lebten.

Die sich selbst als Inuit ("Menschen") bezeichnenden Eskimos, ein mongolisches Polarvolk, besiedelten Alaska, die kanadische Eismeerküste und Grönland. In Jagdhorden, die im Sommer in Lederzelten, im Winter in Iglus lebten, stellten sie Rentieren, Meeressäugern und Fischen nach.

Zwischen der Küste und den Großen Seen lebten die Algonkin, darunter Delawaren und Mohikaner. Südlich der Großen Seen herrschten die kriegerischen Irokesen, die in der Mitte des 17. Jahrhunderts die benachbarten Huronenstämme größtenteils vernichteten. Im Südosten Nordamerikas siedelten die überwiegend Ackerbau betreibenden, in dörflichen Strukturen organisierten Muskhogee, unter denen die Creeks die kriegsfreudigsten waren.

Höchst unterschiedliche Lebensformen zeigte der Westen Nordamerikas. Neben jagenden Nomadenstämmen und sesshaften, Ackerbau betreibenden Völkern gab es hier die Pueblo-Indianer, die die berühmten "Klippensiedlungen" erbauten und in hochgetürmten Wohnsiedlungen lebten.

In Südamerika gab es neben dem Riesenreich der Inkas eine Vielzahl indianischer Kulturen mit weit über 500 Sprachen. Zum Teil existierten Frühformen einer intensiven, arbeitsteiligen Landwirtschaft, zum Teil sehr einfache Subsistenzwirtschaften. Zahlreiche Stämme lebten auch hier teils nomadisch, teils sesshaft von Fischfang und Jagd, wie die Stämme der Karaiben und die von den Portugiesen weitestgehend ausgerotteten Tupi.

Azteken, Maya und Inka

Dominiert wurden Mittel- und Südamerika von den Mayas und Azteken. Die Azteken waren im 11. Jahrhundert in Mexiko eingewandert und hatten durch kriegerische Eroberungen ein Großreich geschaffen. Die eroberten Gebiete wurden besetzt und zu Tributzahlungen verpflichtet. Ihre Hauptstadt Tenochtitlán bauten die Azteken im 14. Jahrhundert mit Tempelpyramiden, Palästen, Aquädukten, Brücken und großen Plätzen prachtvoll aus. Grundlage der aztekischen Wirtschaft war ein kunstvoller Feldbau auf künstlich bewässerten Terrassenanlagen und schwimmenden Gärten. Die Azteken verfügten über Kalender, Schrift, Papier, ein entwickeltes Kunsthandwerk und ein staatlich organisiertes Schulsystem, welches zwischen den oberen und unteren Ständen streng gegliedert war. Von den Azteken sind aber auch barbarische Opferrituale bekannt, in denen jährlich Tausenden bei lebendigem Leib das Herz herausgerissen wurde, um den Sonnen- und Kriegsgott Huitzilopochtli günstig zu stimmen. Cortés eroberte das Aztekenreich (1519-21) mithilfe der von den Azteken unterjochten Stämme, ihre Hauptstadt Tenochtitlán wurde zerstört.

Die ebenfalls in Mittelamerika ansässigen Maya überragten in der Astronomie und Mathematik alle anderen indianischen Kulturen. Ihre Städte wurden unter astronomischen und religiösen Gesichtspunkten angelegt und enthielten neben Tempeln, Kultbauten und Palästen auch Plätze für das Ballspiel. An verschiedenen Orten gab es eine Reihe von Zeremonialzentren. Die Maya schrieben eine komplizierte Hieroglyphenschrift und verfügten ebenfalls über ein Schulsystem. Die Hochblüte ihrer sehr alten, bis in vorchristliche Jahrhunderte zurückreichenden Kultur, endete bereits lange vor dem Einzug der Azteken, die von ihnen gewisse religiöse Vorstellungen (unter anderem Menschenopfer) übernahmen.

Das größte aller Indianerreiche war das der Inkas, welches sich über weite Teile Ecuadors, Perus und Boliviens sowie über Gebiete Argentiniens und Chiles erstreckte. Das auf theokratischer Basis organisierte Reich war in vier Provinzen gegliedert und wurde von einem absoluten Herrscher regiert. Wirtschaftliche Grundlage war ein Feldbau mit Terrassenfeldern, Bewässerungssystemen und Düngung. Das Straßensystem übertraf an Ausdehnung das der Römer. Die Wortzeichenschrift der Inkas ist nur teilweise entziffert. Auch sie verfügten über ein Schulsystem mit einem strengen Zweiklassencharakter. Es gab wiederkehrende Kulthandlungen und Zeremonien, doch scheint es Menschenopfer nur in Notzeiten gegeben zu haben.

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