Alphabetismus

Erde - Erde - Entwicklungsstand
978-3-14-100770-1 | Seite 33 | Abb. 4| Maßstab 1 : 140000000

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Analphabeten sind im Sinne der UNESCO alle diejenigen, die unfähig sind, in einer selbst gewählten Sprache einen einfachen Text über ihre alltägliche Umgebung zu lesen und zu schreiben. Wer diesen Text nur lesen, selbst aber nicht schreiben kann, wird als Semianalphabet bezeichnet. Weltweit sind gegenwärtig mehr Menschen des Lesens und Schreibens kundig als je zuvor. Der Anstieg der Alphabetisierungsraten setzte teilweise schon in den 1970er-Jahren ein und hat sich fortgesetzt, auch wenn fehlende finanzielle Mittel für Schulen oder Kampagnen den Anstieg zeitweise abgeschwächt haben
Analysiert man die räumliche Verteilung, fällt zunächst die homogene Gruppe der hoch entwickelten Staaten Nordamerikas, Europas einschließlich Japans, Südkoreas, Australiens und Neuseelands mit einer Alphabetisierungsrate von 95 % und mehr auf. Zu dieser Gruppe annähernd vollständiger Alphabetisierung gehören auch die ehemals sozialistischen Staaten. Die lateinamerikanischen Staaten haben fast alle annähernd vollständige Alphabetisierung erreicht oder kommen diesem Ziel bereits sehr nahe. Kuba ist ein Beispiel für eine sozialistische Regierung, die Alphabetisierungskampagnen schon früh (in den 1960er-Jahren) und flächendeckend durchgeführt hat und so ein wesentliches Entwicklungshemmnis überwinden konnte. Die Frauen sind in einigen Ländern benachteiligt (Peru, Bolivien, Panama); insgesamt ergibt sich jedoch ein recht positives Bild.
Den anderen Teilen der Erde ist zunächst die strukturelle Benachteiligung der Frauen gemeinsam. Der hier dargestellten Indikator "Alphabetismus" weist auf ihre unterpriviligierte Stellung in vielen Bereichen des innerfamiliären und gesellschaftlichen Lebens hin, in der heute eine wesentliche Ursache für Unterentwicklung gesehen wird. Es wundert daher nicht, dass ein großer Teil dieser Länder in der Karte mit niedrigem oder niedrigstem Entwicklungsstand ausgewiesen wird. In Afrika ist die Alphabetisierung im Süden des Kontinents, sonst nur in der Republik Kongo, Libyen und Tunesien relativ weit fortgeschritten. In Asien gibt es verschiedene Ländergruppen. Ländern mit großen Alphabetisierungsanstrengungen und -erfolgen (China, Vietnam, Indien) oder Nachfolgestaaten der Sowjetunion (Schulpflicht mit langer Tradition: Mittelasien, Kaukasusregion) stehen Länder gegenüber, in denen Analphabetismus die Regel ist, besonders für Randgruppen (ländliche Bevölkerung, Frauen, Kinder und Jugendliche ohne Möglichkeit zum Schulbesuch). Oft sind es Länder, in denen Kinderarbeit verbreitet ist und mitunter kein gesetzliches Mindestalter für Erwerbstätigkeit festgeschrieben ist, sodass keine oder nur unzureichende Möglichkeiten für den Schulbesuch bestehen. Darin läge aber, neben gezielten Kampagnen für Erwachsene, der Schlüssel zu einer weiteren Alphabetisierung.
Die Alphabetisierung ist ein wesentliches Element der Entwicklungsarbeit, da sie als ein Schlüssel zur Lösung weiterer Problemen verstanden wird und heute oft erst die aktive Teilnahme am wirtschaftlichen und politischen Leben ermöglicht, ob bei Aufklärungsprogrammen zu HIV/ AIDS oder im ländlichen Bereich bei Schulungsprogrammen zur Weiterentwicklung von Anbaumethoden, bei der eigenen Vermarktung von selbst produzierten Gütern oder der Organisation einer Kooperative.

Funktionaler Analphabetismus
Funktionale Analphabeten sind Menschen, denen die elementaren Lese-, Schreib- und Rechenfertigkeiten fehlen, weil sie diese nie oder nur rudimentär gelernt oder wieder verlernt haben. Der Anteil funktionaler Analphabeten ist in den marginalisierten Gruppen der westlichen Industriestaaten hoch, für Deutschland geht man nach Schätzungen von etwa 5 % der Gesamtbevölkerung aus.
M. Felsch, E. Astor

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