Europa und seine Nachbarn - Migration

Europa - Europa - Migration
978-3-14-100870-8 | Seite 110 | Abb. 1| Maßstab 1 : 30000000

Überblick

Die gegenwärtigen Wanderungsbewegungen in bzw. nach Europa speisen sich aus mehreren Quellen. Innerhalb der Mitgliedsstaaten können EU-Bürger ihren Wohn- und Arbeitsort frei wählen; daraus resultieren Wanderungsbewegungen zwischen den EU-Staaten. Nicht alle dieser Wanderungen sind dauerhaft (zum Beispiel bei Aufnahme eines Studiums). Insbesondere aus Ländern wie Polen, Rumänien und Bulgarien pendeln viele junge Menschen zum Arbeiten nach West-, Mittel- und Südeuropa.

Eingeleitet wurde die Öffnung der europäischen Binnengrenzen 1985 mit dem Schengener Abkommen, in dem sich die ersten Unterzeichnerstaaten - Deutschland, Frankreich, die Niederlande, Belgien und Luxemburg - auf einen Verzicht auf Grenzkontrollen im Personenverkehr einigten; dem Schengener Abkommen sind im Laufe der folgenden Jahren die meisten europäischen Staaten beigetreten (s. Karte). Ein weiterer Meilenstein auf dem Weg zur Öffnung der europäischen Grenzen war die 1992 mit den Maas-trichter Verträgen eingeführte EU-Bürgerschaft.

Im Zuge der Globalisierung wählen insbesondere hoch qualifizierte Arbeitskräfte, zum Beispiel Wissenschaftler, Ingenieure, Ärzte, Softwareexperten und Manager, ihren Arbeitsplatz und Lebensort weltweit. Faktoren wie angebotene Arbeitsplätze, Karrierechancen, der mögliche Verdienst und das Wohnumfeld beeinflussen individuelle Entscheidungen, aber auch Global Player sorgen dafür, dass ihre Beschäftigten an verschiedenen Standorten im weltweiten Unternehmensnetz tätig werden, oft (zunächst) zeitlich befristet. In der EU wurde für die Zuwanderung hochqualifizierter Arbeitskräfte aus Drittstaaten eine Blue-Card-Regelung erlassen (in Anlehnung an die Green Card in den USA). Ihre Wirkung ist allerdings umstritten, da nur relativ wenige Anträge gestellt werden.

Eine weitere große Gruppe stellen Asylsuchende dar (s. Karte 111.3 und den Kommentar dazu unten).

Die EU schottet sich ab

Um den Zustrom von Flüchtlingen aus Afrika und West-asien nach Europa zu begrenzen, agiert die EU auf verschiedenen Ebenen. Entlang der Grenzen findet eine Land-, See- und Luft-überwachung statt (gemeinsame Grenzsicherung).

Mit Nachbarstaaten der EU wurden im Rahmen der Nachbarschaftspolitik Abkommen getroffen. Die EU verfolgt damit das Ziel, Flüchtlingsströme bereits auf deren Territorium zu unterbinden. An einigen Stellen haben die EU-Staaten Grenzbefestigungen errichtet, zum Teil auch innerhalb des Schengenraums (Ungarn, Slowenien, Griechenland). Seit 2016 bestehen an den Außengrenzen zentrale Erstaufnahmelager der EU für Flüchtlinge.

Die Erfahrungen der letzten Jahrzehnte zeigen, dass die Flüchtlingsströme nach der Umsetzung neuer Maßnahmen oft nur kurzzeitig zurückgehen. Zu beobachten ist eine Verlagerung auf andere Fluchtwege. So kam es 2014 verstärkt zu Fahrten von schrottreifen "Geisterschiffen", die ohne Besatzung, aber mit mehreren hundert Flüchtlingen an Bord auf die europäischen Küsten zutrieben. Nach Abkommen zwischen der EU und der Türkei über die Rücknahme von Flüchtlingen und der De-facto-Unterbrechung der Balkanroute Anfang 2016 stiegen die Zahlen der über Libyen kommenden Bootsflüchtlinge im Mittelmeer wieder stark an. Häufig agieren kriminelle Schlepper- und Schleuserbanden im Hintergrund, die mit der Not der Flüchtlinge ihr Geschäft machen.

Fluchtgründe in den Herkunftsländern reduzieren zu wollen, ist vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Situation vor allem ein langfristig zu verfolgendes politisches Ziel der EU, von dem keine kurz- oder mittelfristigen Änderungen erwartet werden können. Vielmehr werden Faktoren wie die Verschärfung der Wassersituation in Trockenräumen oder die Folgen des Klimawandels und da-raus resultierende Konflikte zunehmend Fluchtgründe sein.

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