Honshu (Japan) - Tohoku-Beben

Asien - Japan - Naturrisiken und Wirtschaft in einem Industrieland
978-3-14-100870-8 | Seite 169 | Abb. 4| Maßstab 1 : 6000000

Überblick

Die Karte zeigt einen Teil der japanischen Hauptinsel Honshu und den Japangraben im Pazifischen Ozean. Dort - 130 Kilometer vor der Küste bei der Millionenstadt Sendai - fand am 11. März 2011 ein besonders starkes Seebeben statt. An dieser Stelle schiebt sich die Pazifische Platte, die große Teil des Pazifischen Ozeans aufbaut, unter die Chinesische Platte, einen Teil Eurasiens. Die Plattengrenze verläuft in diesem Bereich parallel zur östlichen Hauptküstenlinie Honshus.

An der Plattengrenze wurde am 11. März 2011 ein Hauptbeben der Stärke 9,0 in 32 Kilometern Tiefe registriert. Das Beben war mit Entspannungsbewegungen entlang der Plattengrenze verbunden. Die vertikalen Versätze in der weiteren Umgebung des Erdbebenherdes betrugen ein bis vier Meter. Unmittelbar danach und in den folgenden Tagen gab es zahlreiche Nachbeben mit Stärken größer als 6, die durch Spannungen an der Plattengrenze ausgelöst wurden.

Im Osten Honshus hatte das Erdbeben am 11. März eine Mag-nitude von 6 bis 7, wodurch allein schon starke Zerstörungen an Gebäuden und der Infrastruktur verursacht wurden. Vor allem aber löste es einen Tsunami aus. Die Flutwelle breitete sich mit einer Geschwindigkeit von 600 bis 800 km/h im Pazifischen Ozean aus. Sie verlief nicht konzentrisch um einen punktförmigen Bebenherd, ihr Ausbreitungsmuster spiegelte vielmehr die Entspannungsbewegungen an den Plattengrenzen wieder. Die Flutwelle traf eine Stunde nach dem Beben an der Ostküste Honshus ein, einem Gebiet von mehreren hundert Kilometern Länge.

Dort drang die fünf Meter hohe Wellenfront teilweise mehr als zehn Kilometer ins Landesinnere vor und verursachte unermessliche Schäden. Dem Erdbeben und dem Tsunami fielen rund 16 000 Menschen zum Opfer, es gab zudem rund 2500 Vermisste. Besonders dramatisch entwickelte sich die Situation in Fukushima, wo es in den Tagen nach dem Erdbeben und dem Tsunami zu einer Kernschmelze in drei Reaktorblöcken kam. Viele japanische Kraftwerke liegen aufgrund des Kühlwasserbedarfs direkt an den Küsten, auch an der durch Erdbeben und Tsunamis besonders gefährdeten und dicht besiedelten Pazifikküste.

Entstehung und Merkmale eines Tsunami

Der Begriff "Tsunami" stammt aus dem Japanischen ("tsu nami") und bedeutet etwa "(lange) Welle im Hafen". Dass Tsunamis so gefährlich sind, liegt vor allem an der besonderen Form der Wellen, die sich grundlegend von "normalen" Wellen auf dem Meer unterscheiden. Bei einem durch ein Seebeben ausgelösten Tsunami entstehen Wellen, die im Unterschied zu gewöhnlichen Wellen bei ihrer Ausbreitung kaum an Energie verlieren, selbst wenn sie einen Ozean durchqueren. Ein zweiter Unterschied ist, dass normale, durch Wind erzeugte Wellen nur die oberste Wasserschicht betreffen, während Tsunamis die gesamte Wassersäule vom Meeresboden bis zur Oberfläche erfassen. Drittens liegen ihre Wellenkämme 10 bis 100 Kilometer auseinander, daher können sie auch von Schiffen auf hoher See kaum bemerkt werden. Überdies sind sie auf dem Meer nur etwa einen Meter hoch, erst an der Küste ändert sich die Wellenhöhe dramatisch. Da die Wellenenergie bei einem Tsunami im Wesentlichen erhalten bleibt, wächst die Wellenhöhe, sobald sie die Küste erreicht und die Wassertiefe abnimmt, von etwa einem Meter auf zehn Meter oder mehr an. Das erklärt ihre besondere Zerstörungskraft. Häufig trifft zunächst eine kleinere Welle oder ein Wellental die Küste, dann geht das Wasser sogar zurück, bevor die auflaufende Hauptwellenwand die Küste trifft.

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Weitere Materialien

Lebendige Karte
Tsunami-Ausbreitung 2011
In dieser Animation wird der Verlauf und die Wellenhöhe des Tsunamis nach dem Beben vom 11.03.2011 gezeigt. Die Daten beruhen auf Vorhersagewerten der NOAA (National Oceanic and Atmospheric Administration) nach dem Erdbeben vom 11. März 2011.
Video FLV
Historische Tsunamis

Sprechertext

Rom. Das Staatliche Institut für Geophysik und Vulkanforschung ist gleichzeitig auch Erdbebenwarnzentrum für Italien. Hier laufen alle seismologischen Messungen zusammen. Italien ist neben Griechenland und der Türkei seit langem Tsunami-gefährdet. Und darum sind die Wissenschaftler hier besonders engagiert beim Aufbau eines europäischen Tsunami-Warnsystems.

Geophysiker und Vulkanologen arbeiten seit einiger Zeit an einem Tsunami-Katalog für ganz Europa. Eine Arbeitsgruppe am Institut ist darauf spezialisiert historische Tsunamis zu erforschen. Sie suchen nach alten Bildern, die Tsunamis darstellen und nach Berichten von Zeitzeugen in der Literatur. Am 5. Februar 1783 gab es beispielsweise zwischen Süditalien und Sizilien ein starkes Erdbeben. Die Wissenschaftler rekonstruieren alle Überschwemmungen. Und erstellen so eine Liste der Orte, die schon einmal von einem Tsunami betroffen waren. Auf einer Karte werden so allmählich immer mehr historische Riesenwellen im Mittelmeer sichtbar. Allein für Italien sind in diesem Katalog inzwischen mehr als 70 Tsunamis erfasst. Die historischen Informationen helfen Studien über mögliche Risiken und Gefahren zu erstellen. Denn Riesenwellen könnten jederzeit wieder die Mittelmeerregion treffen. Zusätzlich zu den Literaturrecherchen werden Erdproben aus den Tsunami-Gebieten auf Rückstände der Riesenwellen untersucht.

All diese Ergebnisse fließen in den Tsunami-Katalog mit ein - die Ereignisse der Vergangenheit sollen mithelfen, einen möglichen Tsunami in der Zukunft zu simulieren. O-Ton Stefano Lorito, Instituto Nationale di Geofisica e Vulcanologia:
"Das Ziel am Ende ist, eine Datenbank zu haben, mit vorkalkulierten Ereignissen, die zeigen, wie in Realzeit die möglichen Tsunamis ablaufen würden. Im Moment sind wir aber noch am Anfang und auf der Suche nach weiteren Datenquellen in Europa. Um möglichst viele Ereignisse zu simulieren, das wäre dann eine gute Grundlage für ein Warnsystem."

Das gefährliche an einem Mittelmeer-Tsunami ist der Badewanneneffekt. Das Meer ist klein und schmal und die Welle erreicht sehr schnell viele Länder. Ein Tsunami-Frühwarnsystem für die Länder am Mittelmeer soll helfen Katastrophen wie im Pazifik künftig zu verhindern.