Sachsenhausen - Gedenkstätte

Deutschland - Deutschland - Zweiter Weltkrieg
978-3-14-100870-8 | Seite 69 | Abb. 3| Maßstab 1 : 8000

Überblick

Das KZ Sachsenhausen wurde im Sommer 1936 errichtet. Die von SS-Architekten am Reißbrett als idealtypisches KZ konzipierte Anlage entsprach nach den Worten des Reichsführers SS Heinrich Himmler dem Prototyp eines "modernen, vollkommen neuzeitlichen und jederzeit erweiterungsfähigen Konzentrationslagers". Im Unterschied zum nahe gelegenen KZ Oranienburg, einem älteren, "wilden" Lager, folgte der Entwurf für das KZ Sachsenhausen einem "Idealplan", in dem sich die Ausübung von Kontrolle und Terror mit einer pervertierten Funktionalität verband. Das Häftlingslager hatte die Form eines gleichschenkligen Dreiecks. Alle Gebäude waren symmetrisch um die Mittelachse gruppiert und auf den Wachturm A bezogen, der zugleich Sitz der SS-Lagerleitung war. Vor ihm lag der halbkreisförmige Appellplatz, der von vier fächerförmigen Ringen von Baracken umschlossen wurde. Zum 388 Hektar großen SS-Komplex gehörten auch Wohnsiedlungen für die höheren SS-Dienstgrade und ihre Familien.

In der Gründungsphase des Lagers wurden vor allem politische Gegner inhaftiert, doch ab 1938 kamen immer mehr Juden, Sinti und Roma, Homosexuelle, Zeugen Jehovas und sogenannte Asoziale, Arbeitsscheue und Berufsverbrecher hinzu, ab 1939 auch Zehntausende aus besetzten Ländern und alliierte Kriegsgefangene. 1944 waren rund 90 Prozent der Häftlinge Ausländer, vor allem aus der Sowjetunion und Polen. Aufgrund der steigenden Häftlingszahlen wurde das KZ 1938 um das Kleine Lager ergänzt, in dem fast ausschließlich jüdische Häftlinge untergebracht wurden, bevor man die meisten von ihnen im Oktober 1942 nach Auschwitz deportierte.

Zwangsarbeit mussten die Häftlinge in den SS-eigenen Werkstätten auf dem benachbarten Industriehof und in verschiedenen Strafkommandos leisten. Im "Schuhläuferkommando" mussten sie tagelang mit Gepäck auf einer Schuhprüfstrecke mit verschiedenen Bodenbelägen um den Appellplatz marschieren, um die Tauglichkeit von Wehrmachtsstiefeln zu erproben. Besonders gefürchtet war das "Klinkerwerk", ein von Häftlingen angelegtes Großziegelwerk für Albert Speers Großbauvorhaben in Berlin. Mit dem massenhaften Einsatz von Zwangsarbeitern in der Rüstungsindustrie entstanden ab 1942 über einhundert Außenlager und Außenkommandos des KZ Sachsenhausen, u. a. bei den Heinkel-Flugzeugwerken und den Berliner Industriebetrieben von Siemens und AEG.

Aufgrund seiner Nähe zur Reichshauptstadt mit der Gestapo-Zentrale hatte das KZ eine besondere Stellung im NS-Lagersystem. 1938 wurde die "Inspektion der Konzentrationslager", die Verwaltungszentrale des gesamten KZ-Systems, in das KZ Sachsenhausen verlegt. Im Zellenbau, dem Folterzentrum der Gestapo, wurden Sonderhäftlinge wie Martin Niemöller und der Hitler-Attentäter Georg Elser eingesperrt. Die Krankenbaracke diente u. a. der "Sonderkommission 20. Juli" 1944 als Haftlazarett, in dem Hitler-Gegner wie Hans von Dohnanyi, die in der Haft erkrankt oder schwer verletzt waren, für weitere Vernehmungen oder ihre Hinrichtung wiederhergestellt wurden.

Zwischen 1936 und 1945 waren mehr als 200 000 Menschen im KZ Sachsenhausen inhaftiert, mehrere Zehntausend wurden dort umgebracht. Sie starben durch Hunger und Erschöpfung, Krankheit und Kälte, Misshandlung, öffentliche Hinrichtung, medizinische Experimente oder Massentötungen. Nachdem im Herbst 1941 mindestens 12 000 sowjetische Kriegsgefangene in einer provisorischen Genickschussanlage erschossen oder bei der Erprobung von Gaswagen ermordet worden waren, wurde im Frühjahr 1942 auf dem Industriehof eine Vernichtungsanlage mit Krematorium, Genickschussanlage und später eingebauter Gaskammer errichtet. Auf den Todesmärschen nach der Evakuierung des Lagers Ende April 1945 starben noch einmal tausende Häftlinge. Etwa 3000 Zurückgebliebene wurden am 22. April 1945 von sowjetischen und polnischen Soldaten befreit.

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