Thüringische Staaten 1871–1918

Thüringen - Thüringen - Geschichte und Verwaltung
978-3-14-100385-7 | Seite 26 | Abb. 1

Dynastische Kleinstaaterei

Durch Erbteilung und Aussterben mehrerer Grafengeschlechter bildete sich im heutigen Thüringen schon im Mittelalter eine Vielzahl von einzelnen Herrschaften heraus. Den Hauptanteil erwarben die Wettiner (Ernestiner), die Grafen von Schwarzburg und die Herren Reuß. Eine politische Einheit mit dem Namen „Thüringen“ existierte lange Zeit nicht. Im Jahr 1815 bestanden nach der Neuorganisation auf dem Wiener Kongress außer umfangreichen preußischen Besitzungen zwölf Kleinstaaten in diesem Raum. Die führenden adligen Familien in den Kleinstaaten verhinderten die Bildung eines thüringischen Staates. Eine Vorstufe zur wirtschaftlichen Einigung bedeutete der 1833 gegründete „Thüringische Zoll- und Handelsverein“. 1848 wurde die Bildung eines einzigen Thüringischen Staates gewaltsam unterdrückt. 1867 wurden alle thüringischen Kleinstaaten freiwillig bzw. auf massiven Druck und militärischer Besetzung durch Preußen Bundesstaaten im Norddeutschen Bund und somit 1871 Bundesstaaten im Deutschen Reich. Man sprach von den „Thüringischen Staaten“. Bis 1918 existierten das Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach, die drei Herzogtümer Sachsen-Meiningen, Sachsen-Altenburg, Sachsen-Coburg-Gotha und die vier Fürstentümer Schwarzburg-Sondershausen, Schwarzburg-Rudolstadt, Reuß ältere Linie (Greiz) und Reuß jüngere Linie (Gera). Die kleinen Staatsgebiete bildeten keine geschlossenen Territorien. Es gab umfangreiche preußische Gebiete innerhalb Thüringens (Exklaven). Die größeren Exklaven waren der Landkreis Schleusingen, der Landkreis Herrschaft Schmalkalden und der Landkreis Ziegenrück mit der Stadt Ranis. Auch Sachsen besaß einige Exklaven.

Reformen nach dem Ersten Weltkrieg

Im November 1918 endete die jahrhundertelange Ära starker territorialer Zersplitterung in Thüringen. In den Bundesstaaten wurde, wie im gesamten Deutschen Reich, die Republik ausgerufen. Die letzten acht verbliebenen thüringischen Dynastien dankten 1918 ab. Die ehemaligen thüringischen Herzog- und Fürstentümer wurden in der Folge zu Freistaaten in den bisherigen Grenzen. Vom 6. Februar bis zum 30. September 1919 tagte in Weimar die verfassungsgebende Nationalversammlung. Sie verabschiedete eine Verfassung, nach der die bestehende deutsche Republik die Bezeichnung „Weimarer Republik“ erhielt. Im März 1919 beschlossen die Vertreter der thüringischen Einzelstaaten den Zusammenschluss. Nur Sachsen-Coburg lehnte den Vertrag ab und schloss sich 1920 Bayern an. Am 4. Januar 1920 hatte sich der Bundesstaat Thüringen gebildet. Eine moderne Kreiseinteilung beseitigte 1922–1924 die jahrhundertealte Zersplitterung in Verwaltungsbezirke. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 wurde das Land Thüringen gleichgeschaltet und somit faktisch aufgehoben.

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