Wien-Bratislava - Wandel der Grenzregion

Europa - Mitteleuropa - Transformation und EU-Integration
978-3-14-100803-6 | Seite 113 | Abb. 3| Maßstab 1 : 500000

Überblick

Die Zwillingsstädte Wien (2014: 1,8 Mio. Einwohner; im Ballungsraum 2,6 Mio.) und Bratislava (2013: 0,4 Mio. Einwohner; im Ballungsraum 0,6 Mio.) liegen nur rund 60 Kilometer voneinander entfernt. Mit dem Auto oder der Bahn dauert die Fahrt rund eine Stunde (von Innenstadt zu Innenstadt). Die beiden Hauptstädte haben für ihre Länder, Österreich und die Slowakei, jeweils überragende Bedeutung als politisch-kulturelles und wirtschaftliches Zentrum, Verkehrsknotenpunkt und Bildungsstandort.

Intensivere Beziehungen zwischen den beiden Hauptstadtregionen wurden nach Jahrzehnten der Teilung – durch die Region verlief der Eiserne Vorhang– erst wieder ab 1989 möglich. Seitdem sind in den Regionen beiderseits der Grenze viele wirtschaftliche und gesellschaftliche Beziehungen entstanden, verstärkt noch einmal durch den EU-Beitritt der Slowakei 2004. Die ehemals trennenden Grenzen zwischen Österreich, der Slowakei und Ungarn sind heute als Binnengrenzen der EU frei passierbar. Allerdings treffen in der Region nach wie vor Gegensätze aufeinander. Indikatoren wie die wirtschaftliche Leistungskraft oder die Einkommen offenbaren ein Gefälle zwischen Österreich und seinen östlichen Nachbarn Slowakei und Ungarn.

Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur waren ein Schwerpunkt in den letzten Jahrzehnten. Die Karte zeigt mehrere neue Autobahnen, die heute in der Region ein dichtes Netz bilden. Für den Bahnverkehr ist eine Städteexpresslinie gebaut worden. Gegenwärtig erfolgen umfangreiche Umbaumaßnahmen am Bahnknotenpunkt Wien und am Semmeringtunnel südlich der Stadt. Sie tragen zur Entwicklung der „Baltisch-Adriatischen-Achse“ (Gdansk – Wien / Bratislava – Rimini) und der „Magistrale für Europa“ (Paris – München –Wien / Bratislava – Budapest) bei, jeweils Kernstrecken des Transeuropäischen Verkehrsnetzes (TEN).

Bratislava ist innerhalb der Slowakei die Region mit dem höchsten BIP pro Kopf und der niedrigsten Arbeitslosenrate (s. 100.2, 100.3). Die Bevölkerung wächst sowohl natürlich als auch durch einen hohen positiven Wanderungssaldo. Hinsichtlich vieler Indikatoren hat Bratislava ein Niveau erreicht, das dem im Osten Österreichs vergleichbar ist. Damit steht Bratislava im Kontrast zu den anderen Landesteilen der Slowakei, insbesondere zum Osten des Landes.

Wirtschaftlicher Schwerpunkt der Stadt ist zum einen der Dienstleistungssektor mit einem Spektrum an Branchen (s. Karte). Industriestandorte sind zum Beispiel im Norden (Kraftfahrzeugbau, Volkswagen) und im Süden (Raffinerie) verzeichnet. Die Bedeutung des Kraftfahrzeugbaus könnte anhand der Einzelsignatur unterschätzt werden, denn unweit der österreichischen Grenze produzieren auch PSA Peugeot-Citroën und Hyundai-KIA im Westen der Slowakei.

Für das Binnenland Slowakei bedeutsam ist der Donauhafen mit Verbindungen nach Rotterdam.

Wien ist ein Industrie- und Dienstleistungszentrum europäischen Rangs und unbestrittenes Zentrum Österreichs. Die reizvolle Umgebung und das breite kulturelle Angebot (s. Karte) sind Faktoren, die zur hohen Lebensqualität beitragen (weiche Standortfaktoren) und die Stadt zu einem der wichtigsten Ziele des Städtetourismus in Europa machen. Seine besondere wirtschaftliche Stellung im Dienstleistungssektor verdankt Wien nicht zuletzt seiner Funktion als Tagungsort und Sitz internationaler Organisationen (UNO, OPEC, OSZE, IAEO). Industrielle Schwerpunkte sind der Fahrzeugbau, die chemische und die Textilindustrie sowie die Biotechnologie; Forschung und Innovation stehen bei vielen Unternehmen im Fokus.

Wien und Bratislava gehören zur Europaregion Centrope mit mehr als sieben Millionen Einwohnern. Für das gemeinsame Standortmarketing von Wien, Niederösterreich und Bratislava entstand die Marke „twincityregion“.

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