Wattenküste

Deutschland - Deutschland - Umwelt
978-3-14-100770-1 | Seite 82 | Abb. 1| Maßstab 1 : 500000

Informationen

Die Karte zeigt vor der Festlandsküste eine zweite, unterbrochene Küstenlinie, die aus Geest-, Marschinseln und Halligen besteht. Über die Bodennutzung lässt sich erkennen, dass neben den Geestinseln im Wattenmeer (Sylt, Föhr, Amrum) auch "Geestinseln" innerhalb der Marsch (z. B. Niebüll, Husum) existieren. Auch diese Gebiete müssen deshalb früher einmal innerhalb eines größeren Wattenmeeres gelegen haben.
Anhand dieser Marsch-Geest-Grenze – der historischen Küstenlinie von Nordfriesland – lässt sich die gesamte nacheiszeitliche Entwicklung rekonstruieren: Die westlich gelegene Geest ist eine ursprünglich festländische, aus Gletscherablagerungen gebildete Landschaft. Das Vordringen des Meeres bis zum heutigen Geestrand, der folgende Meeresrückzug mit der Ablagerung einer Marsch aus Meeressedimenten und der wieder deutliche Meeresspiegelanstieg in heutiger Zeit belegen die fortwährenden Meeresspiegelschwankungen in der Nacheiszeit. Der gegenwärtige Meeresspiegelanstieg von etwa 1,5 Millimeter pro Jahr ist vor allem bei Springtiden und Stürmen Ursache einer stetigen Gefährdung von Inseln und Festland. Die Klimaerwärmung der Erde ist deshalb ein ernstes Problem für diese Landschaft, nicht zuletzt auch wegen des flachen Reliefs und der geringen Höhenlage über dem Meer. Eine bedeutende Folge dieser Konstellation ist das Problem der Küstensicherung.
Bedeutung als Wirtschaftsraum erlangt die Wattenküste nur an Stellen, an denen das Meer durch Abtragung der Geest Sandstrände bilden kann bzw. verfrachteter Sand zur Ablagerung kommt (Tourismus) oder wo Tiefwasserzonen bestehen (Hafenbildung). Als Ökosystem hat das Wattenmeer eine große Bedeutung für den Vogelzug, als Laichgrund vieler Fischarten und wegen seines hohen Stoffumsatzes als Klärbecken der Nordsee.

Anthropogene Umformung
Unter menschlichem Einfluss wurden Marsch und Geest im Laufe der Zeit zu einem dicht besiedelten Gebiet. Aufgrund der Überschwemmungsgefahr, aber auch, um die landwirtschaftliche Nutzfläche optimal nutzen zu können, lagen die Siedlungen meist am Geestrand. Die Marsch dient bis heute vorwiegend der Viehzucht, auf verbesserten Böden ist auch Ackerbau möglich.
Das stete Vordringen des Meeres erforderte zunehmend Maßnahmen zum Küstenschutz: In der Marsch sicherten zunächst Wurtensiedlungen, dann in Höhe und Profil ständig verbesserte Deiche Menschen und Land. Die spätere Eindeichung des Vorlandes schuf Neulandflächen und sicherte die alten Deichanlagen. Obwohl im Zuge einer Extensivierung der Landwirtschaft von der EU keine Gelder mehr für Neulandgewinnung ausgegeben werden, wird diese als Küstensicherung fortgeführt. Die damit verbundene Deichverkürzung schränkt allerdings den Überflutungsraum und damit auch den Stoffumsatz im Ökosystem Watt räumlich stark ein. Eine negative Folge ist z. B. das knappere Nahrungsangebot für Zugvögel. Auch der Tidenhub wird dadurch größer, was vermehrte Gefährdung durch Fluten mit sich bringt.
Die Ausweisung des Wattenmeeres als Nationalpark wurde seinerzeit von Küstenanwohnern heftig bekämpft, lediglich einige Zugangsbeschränkungen zu Brutgebieten konnten durchgesetzt werden. 2005 wurde das Wattenmeer vor der Küste Schleswig-Holsteins von der UNESCO zum Biosphärenreservat ernannt, traditionelle Nutzungsformen wie die Krabben- und Muschelfischerei sind jedoch nach wie vor erlaubt.
V. Kaminske

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