Völkerwanderung und Reiche (bis zum Tode Theoderichs um 526)

Europa - Europa - Antike
978-3-14-100770-1 | Seite 87 | Abb. 3| Maßstab 1 : 60000000

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Als Völkerwanderungen bezeichnet man die Wanderungsbewegungen germanischer Völker und Stämme zwischen dem 2. und 6. Jahrhundert. Die erste Völkerwanderung wurde Ende des 2. Jahrhunderts von den aus dem Ostseeraum kommenden Goten ausgelöst, die in das Gebiet der heutigen Ukraine zogen. Ende des 3. Jahrhunderts kam diese erste Wanderungsbewegung weitgehend zum Stillstand. Die große Völkerwanderung im Europa des 4. und 5. Jahrhunderts wurde ausgelöst von den Hunnen, aus der heutigen Mongolei stammenden Nomadenstämmen, die 35/36 v. Chr. nach langen Kämpfen von den Chinesen vertrieben worden waren. Sie sammelten sich zunächst am Aralsee. 374 n. Chr. zogen sie aus der osteuropäischen Steppe gegen die in der Nähe des Schwarzen Meeres ansässigen Alanen, die sie unterwarfen. Ein Jahr später besiegten sie die germanischen Ostgoten und zwangen sie ebenso zur Heerfolge wie wenig später die Gepiden.
Die gotischen Stämme vor sich her treibend, ging der große Zug der Hunnen an die Donau. Er wurde zum Auslöser einer umfassenden Wanderung zahlreicher germanischer Völker und Stammesverbände (Wandalen, Franken, Burgunder, Sachsen, Angeln, Jüten, Alemannen, Sweben, Heruler und Gepiden). Sie eroberten sich in einer langen Phase zahlreicher Kämpfe in ganz Europa Herrschaftsgebiete und Reiche, die häufig nur von kurzer Dauer waren.

Die Goten
Die Goten waren ein germanischer Teilstamm, der ursprünglich aus Skandinavien stammte. In der heutigen Ukraine teilten sie sich in die Ost- und Westgoten. Während sich die Westgoten ihr neues Siedlungsgebiet im heutigen Bulgarien suchten, gründeten die Ostgoten um das Jahr 200 n. Chr. ein Reich nördlich des Schwarzen Meeres. Als es von den Hunnen überrannt wurde, stand es unter der Herrschaft des greisen Ermanerich. Die Hunnen gründeten ein mächtiges Reich, das sich unter ihrem Führer Attila vom Kaukasus im Osten bis in die Nähe des Rheins im Westen erstreckte. 451 n. Chr. drang unter seiner Führung ein großer Kampfverband aus Hunnen, Ostgoten, Gepiden und Alanen bis zur Loire vor. Auf den Katalaunischen Feldern wurden sie von einem Heer aus Westgoten, Burgundern und Franken geschlagen. Attila starb im folgenden Jahr, sein Reich zerfiel, die Hunnen zogen sich aus Europa zurück.
Die aus ihren Stammsitzen verdrängten Goten unternahmen nach dem Einfall der Hunnen nun selbst Plünderzüge. Die Westgoten errichteten 418 n. Chr. unter König Wallia ein Reich, das später seinen Schwerpunkt in Nordspanien hatte. Das Westgotenreich wurde erst 711 n. Chr. durch die muslimischen Araber (Mauren) unterworfen. Die Ostgoten eroberten nach dem Abzug der Hunnen 493 n. Chr. unter König Theoderich dem Großen Italien, Sizilien, Dalmatien und Slawonien, das kurz nach Theoderichs Tod 526 n. Chr. von den byzantinischen Feldherren Belisar und Narses vernichtet wurde. Mit dem Einfall der Langobarden in Norditalien Mitte des 6. Jahrhunderts endete die Völkerwanderung.
Die aus dem heute ungarischen Theißbecken stammenden Wandalen überquerten unter König Geiserich zunächst den Rhein und zogen dann über Spanien bis ins römische Nordafrika, das sie 429 n. Chr. in nur wenigen Monaten besetzten. 439 n. Chr. nahmen sie Karthago ein und machten es zu ihrer Residenz. Von hier aus eroberten sie die Inseln des westlichen Mittelmeeres und plünderten Rom. Dem byzantinischen Feldherrn Belisar, der schon die Ostgoten geschlagen hatte, gelang es, sie 534 n. Chr. niederzuwerfen.
K. Lückemeier, E. Astor

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