Unter-Ägypten - Bevölkerung

Afrika - Afrika - Siedlungsentwicklung
978-3-14-100800-5 | Seite 152 | Abb. 1| Maßstab 1 : 3000000

Überblick

Die Karte zeigt die Verteilung und das Wachstum der Bevölkerung im Nildelta und im nördlichen Teil des Niltals; außerdem illustriert sie die Kulturlanderschließung und -verluste. Damit thematisiert die Karte Probleme, die nicht isoliert von der gesellschaftlichen und ökonomischen Situation Ägyptens betrachtet werden können. Ein deterministisches Interpretationsmuster, das nur auf Naturfaktoren, Bevölkerungswachstum und Tragfähigkeit abhebt, würde der Entwicklung Ägyptens nicht gerecht werden.

Bis heute ist die Bevölkerung Ägyptens – inzwischen mehr als 87 Mio. Menschen (Stand Ende 2014) – fast ausschließlich auf Siedlungen innerhalb des Kulturlandes konzentriert, während die Wüstengebiete, die immerhin 96 Prozent der Landesfläche einnehmen, nahezu menschenleer sind. In Oberägypten ist das fruchtbare Kulturland wegen der Morphologie des Niltals auf einen schmalen, nur wenige Kilometer breiten Streifen beschränkt. In Unterägypten öffnet sich das Nildelta nach Norden zum Mittelmeer in einem gleichseitigen Dreieck von etwa 180 Kilometer Seitenlänge. Ein Sonderfall ist die Faiyum-Oase, die von einem Nebenarm des Nils gespeist wird, der im Karun-See endet.

Die Hauptstadt Kairo liegt an der für die Raumstruktur des Landes bedeutsamen Nahtstelle zwischen Ober- und Unterägypten. Die Bevölkerungsverteilung Ägyptens ist, wie die Karte deutlich erkennen lässt, durch extreme Dichtegegensätze gekennzeichnet. Mehr als 80 Prozent aller Ägypter leben im Nildelta und im Großraum Kairo; die wichtigsten Städte nach Kairo sind Alexandria (4 Mio. Einwohner) und Port Said (0,6 Mio. Einwohner).

Bevölkerungswachstum, Verstädterung und Landknappheit

Die räumliche Verteilung der Siedlungen in Unterägypten hat sich seit der Antike nicht grundlegend verändert. Allerdings ist die Zahl der Bevölkerung von rund vier Millionen Menschen zu Beginn des 19. Jahrhunderts auf heute rund 70 Millionen angestiegen. In den vergangenen zwei Jahrhunderten wurden große Anstrengungen unternommen, das Kulturland in die Wüste auszudehnen und die Bewässerungswirtschaft zu intensivieren, aber trotzdem hat sich die verfügbare Landwirtschaftsfläche pro Kopf der Bevölkerung in diesem Zeitraum immer weiter verringert. Das Nildelta zählt zu den am dichtesten besiedelten Regionen der Erde, Kairo ist mit rund 17 Millionen Einwohnern einer der größten Ballungsräume der Welt und der größte Ballungsraum Afrikas.

In den vergangenen 100 Jahren stieg der Anteil der Stadtbewohner an der Gesamtbevölkerung Ägyptens von 20 auf fast 50 Prozent an. Diese Entwicklung ging einher mit einer starken räumlichen Expansion der Städte und der ländlichen Siedlungen, was zu einer fortschreitenden Überbauung der landwirtschaftlichen Nutzflächen führte. Inzwischen ist die Errichtung von Neubauten auf Ackerland durch gesetzliche Auflagen erheblich eingeschränkt, und auch in den Städten und Dörfern des Nildeltas kommt es verstärkt zu einer „vertikalen Expansion“ (Aufstockung bestehender Häuser).

Assuan-Hochdamm und Neulandgewinnung

Mit der Errichtung des Assuan-Hochdamms in den 1960er-Jahren verfolgte Ägypten mehrere Ziele:

• die vollständige Umstellung von Becken- auf Kanalbewässerung auch in Oberägypten,

• die Intensivierung der Nutzung des vorhandenen Kulturlandes durch die Ermöglichung von zwei Ernten pro Jahr,

• die Neulandgewinnung und

• die Stromerzeugung (die Grundlage einer nur unvollständig realisierten Industrialisierung sein sollte),

• Schaffung eines Mehrjahresspeichers, um eine größere Sicherheit gegen Abflussschwankungen des Nils und gegen Dürren zu gewährleisten als bisher.

Die Umstellung auf ganzjährige Dauerbewässerung hatte sowohl positive als auch negative Folgen. Zu den Nachteilen zählte, dass aufgrund des Ausbleibens der regelmäßigen Auswaschung des Bodens und der fehlenden Ablagerung von Nilschlamm die Bodenfruchtbarkeit abnahm, während sich gleichzeitig die Versalzung und Versumpfung, vor allem in den Randbereichen des Deltas und in der Faiyum-Oase, intensivierte. Außerdem kam es infolge der reduzierten Sedimentfracht des Flusses zu einer verstärkten Erosion an den Flussufern und entlang der Deltaküste (s. Karte). Positive Effekte des Staudamms waren die Intensivierung der Bewässerung, die Energiegewinnung und der Ausgleich von Schwankungen im Abfluss des Nil. Bedeutsam war der Staudamm für die Ausdehnung des Kulturlandes insbesondere im Westen und Osten des Deltas, entlang des Suezkanals und im sogenannten Neuen Tal (Toshka-Projekt, s. 158/159).

Maßnahmen der Regionalentwicklung

Inzwischen sind die räumlichen Potenziale der Gewinnung von Bewässerungsneuland auf der Grundlage von Wasser aus dem Nil weitgehend ausgeschöpft. Weitere Flächen sind nur noch durch Brunnenbewässerung oder durch die Einsparung von Wasser im bestehenden Siedlungs- und Landwirtschaftsgebiet möglich.

Gegen Versalzung und Versumpfung werden verschiedene Maßnahmen ergriffen, zum Beispiel Entwässerung.

In der Umgebung von Kairo wurden Entlastungsstädte angelegt, die einen Teil der Bevölkerung und der Industrie aus der Metropole aufnehmen sollen (zum Beispiel Stadt des 10. Ramadan). Damit sollen Kulturlandverluste durch Überbauung reduziert werden.

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