
Informationen
Noch heute leben rund 72 Prozent der indischen Bevölkerung in Dörfern; mehr als 60 Prozent der Beschäftigten beziehen ihren Lebensunterhalt aus der Landwirtschaft. Das Dorf Umbalacheri ist ein typisches südindisches Bauerndorf. Es liegt 300 Kilometer südlich von Madras im Kanalbewässerungssystem des Cauvery-Delta (vgl. Karten S. 164/165, 124/125) in der "Reiskornkammer" Südindiens. Die lang gestreckte Straßensiedlung ist von Reisland umgeben, das von einem Netzwerk aus Bewässerungskanälen und Wassergräben durchzogen wird. Die modernen Anbaumethoden der "Grünen Revolution" mit ihren Hochertragssorten und chemischen Düngemitteln, die zwei Ernten pro Jahr ermöglichen, haben sich in Umbalacheri nur beschränkt durchgesetzt. Es überwiegen traditionelle Anbauformen. Das Dorf am küstenseitigen Ende des Bewässerungssystems leidet unter Problemen bei der Wasserversorgung. Neben der Siedlungsstruktur und den Anbauverhältnissen zeigt die Karte die dörfliche Sozialstruktur (Kastensystem), die wirtschaftlichen Akteure (Landbesitzer, Landarbeiter) und ihre Besitzverhältnisse (Großbauern, Kleinbauern).
Die dörfliche Siedlungs- und Sozialstruktur
Umbalacheri ist ein typisches indisches Kastendorf. An der Spitze der gesellschaftlichen Hierarchie stehen die Brahmanen, traditionell die Priester, die heute zumeist Großbauern sind. Das Beispiel von Umbalacheri zeigt, dass es auch unter ihnen Familien ohne Landbesitz gibt. Die meisten dieser Brahmanen arbeiten außerhalb des Dorfes als Lehrer oder in der staatlichen Verwaltung. Typisch für sie ist die "räumliche Segregation", die isolierte Lage ihrer Wohnplätze an den Enden der Dorfstraße.
Ebenso abgegrenzt sind in aller Regel die Quartiere der Unberührbaren, der "Harijans". Nur einer von ihnen besitzt eine winzige Parzelle Land, alle anderen verdingen sich als Landarbeiter. Ihre Beschäftigungssituation ist von chronischer Unterbeschäftigung gekennzeichnet. Das geringe Einkommen aus der Landarbeit macht die Gruppe der Unberührbaren zu den Armen von Umbalacheri.
Doch auch in den Bauernkasten gibt es Landlose und Kleinstbauern, die als absolut arm einzustufen sind. Mit den Unberührbaren konkurrieren sie um die knappen Arbeitsplätze. Viele von ihnen stehen in einem Abhängigkeitsverhältnis zu den größeren Bauern, die ihnen bei Bedarf Geld leihen und dafür hohe Zinsen verlangen. Der beträchtliche Anteil von Landlosen bei den Bauernkasten ist ein Anzeichen dafür, dass kleine Bauern bei Schuldabhängigkeit ihr Land an den Geldverleiher veräußern müssen und auf diese Weise zu Landarbeitern absinken. Die starke Zersplitterung des Landbesitzes — gerade kleine Bauern besitzen oft zahlreiche, in der gesamten Gemarkung verstreute winzige Parzellen — ist ein Hindernis für eine rationelle Landbewirtschaftung.
Probleme bei der Agrarentwicklung
Das Cauvery-Delta zählt eigentlich zu denjenigen Regionen Südindiens, in denen sich die "Grüne Revolution" mit Hochertragssorten, Kunstdüngereinsatz und moderner Brunnenbewässerung besonders früh und schnell durchgesetzt hat. Innerhalb weniger Jahre ab dem Beginn der "Grünen Revolution" Ende der 1960er-Jahre verdoppelten sich in der Deltaregion die Produktionsziffern von Reis. Grundlage des Erfolgs waren die überaus günstigen Bewässerungsmöglichkeiten.
Dass der Ort Umbalacheri nur beschränkt an der "Grünen Revolution" partizipierte und auf die Hochertragssorten bis heute nur ein Teil der Anbauflächen entfällt, liegt in erster Linie an der unzureichenden und häufig zu späten Kanalbewässerung. Der Grund hierfür ist die Lage des Dorfes am unteren küstenseitigen Ende des Bewässerungssystems und die Tatsache, dass die Bauern im oberen Deltabereich oft übermäßig viel Wasser auf Kosten der unteren Anrainer verbrauchen. Außerdem leidet Umbalacheri häufig an Überschwemmungen, wenn herbstliche Wirbelstürme Meerwasser in die Bewässerungskanäle drücken.
H.-G. Bohle
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