Tourismus

Deutschland - Deutschland - Tourismus
978-3-14-100770-1 | Seite 80 | Abb. 1| Maßstab 1 : 3500000

Informationen

Das Kartenbild gibt einen Überblick über den Tourismus in Deutschland 2006. Einen raschen Zugang ermöglichen die rot gedruckten Namen der Tourismusgebiete. Zusätzlich gibt es kleine Kreissymbole, die, nach der Übernachtungsziffer dreifach quantitativ gestuft, ein ganz klares räumliches Verteilungsmuster erkennen lassen: Mehr als die Hälfte der touristischen Übernachtungen in Deutschland werden in extrem peripheren Gebieten, also an Grenzsäumen registriert. Zu unterscheiden sind dabei die Küsten- und die Gebirgsregion.

Die deutschen Tourismusregionen
Die Ostseeküste, die aus den größeren Tourismusgebieten Lübecker Bucht, Darß, Rügen und Usedom sowie aus weiteren, nicht ausdrücklich benannten Gebieten besteht, teilt sich den ersten Rang mit der Alpenregion; die Schwerpunkte liegen hier in Oberbayern und im Allgäu. Gefolgt werden diese touristischen Hochburgen von der Nordseeküste und dem Schwarzwald.
Der Mittelgebirgsraum zeigt neben Kurorten vor allem Heilbäder. Ein Blick auf die Karte zum Bioklima in Deutschland belegt, dass die zentral gelegenen Tourismusgebiete der Mittelgebirgszone oft schon in bedrohliche Nähe von klimatisch belasteten Ballungsgebieten und Niederungen, also luftaustauscharmen Täler, geraten. Als Beispiel sei hier der Südrand des Taunus mit Wiesbaden genannt.
Mit einer grünen Schrägschraffur hervorgehoben sind die Nationalparks. Die Nationalparkidee stammt aus Nordamerika. Dort werden Nationalparks bewusst touristisch erschlossen. In Deutschland steht hingegen der Schutzgedanke im Vordergrund. Teile der Nationalparks, die Kernzonen, werden vor allem dadurch geschützt, dass sie nur auf ausgewiesenen Wegen erreicht werden können. Nationalparks, Naturparks und andere Schutzgebiete in der Nähe von Ballungsgebieten sind wichtige Anziehungsräume für den Ausflugsverkehr und die Naherholung.

Prädikatisierung der Tourismusorte
Eine große Bedeutung besitzt in Deutschland die Prädikatisierung der Tourismusorte. Heilbäder sind in ihrer Lage in der Regel an natürliche Heilmittel gebunden, etwa an mineralreiche und/oder warme Wässer oder Moore. Thermen oder kohlensaure Quellen sowie Schwefel- oder Mineralquellen treten beispielsweise an Verwerfungslinien des tieferen Untergrundes auf. So kommt es nicht selten zu einer linienhaften Anordnung von Heilbädern, wie z. B. im Oberrheingraben: Baden-Baden, Bad Krozingen, Badenweiler, Bad Bellingen. Solquellen setzen Salzgesteine voraus.
Nachfolgend einige Beispiele für natürliche Heilquellen und bekannte Kurorte:
• Solbäder (Kochsalzquellen): Baden-Baden, Wiesbaden, Bad Nauheim, Bad Reichenhall, Bad Salzungen.
• Schwefelbäder: Aachen, Bad Wiessee.
• Jod- und Brombäder: Bad Kreuznach, Bad Orb, Bad Salzuflen.
Seebäder sind schon durch ihre Bezeichnung lagemäßig festgelegt. Sie müssen unmittelbar, also in fußläufiger Entfernung, an der See liegen und über ausreichende Bade- und Kureinrichtungen verfügen. Seeheilbäder haben darüber hinaus ein geregeltes Kurwesen mit medizinischer Betreuung aufzuweisen. Die Heilanzeigen müssen medizinisch überprüft sein. In Deutschland liegen die Wassertemperaturen nur in den Sommermonaten über 16 °C, sodass aus der klimatischen Situation eine Sommersaisonalität folgt.
Die Kurorte und Luftkurorte bilden eine recht heterogene Gruppe. Sie sind zumeist in den Mittelgebirgen – vor allem im Schwarzwald – und in den Alpen zu finden. Soweit sie in den höheren Lagen der Mittelgebirge oder in den Alpen anzutreffen sind, herrscht dort ein Reizklima, das durch niedrigeren Luftdruck, geringeren Sauerstoffgehalt und kräftigere Luftbewegung charakterisiert wird. Für die Prädikatisierung eines Tourismusortes als Luftkurort müssen die klimatischen Voraussetzungen wissenschaftlich geprüft sein. Außerdem müssen Lage und Umgebung eines solchen Ortes gewissen Anforderungen entsprechen.
Erholungsorte rangieren in der Hierarchie der prädikatisierten Tourismusorte an unterster Stelle. Neben einem günstigen Klima und einer schönen Lage müssen gewisse einfache Erholungseinrichtungen vorhanden sein. Es gibt auch eine Anforderung an die durchschnittliche Übernachtungsdauer. Sie darf fünf Tage nicht unterschreiten, sodass hier eine klare Grenze gegenüber den Naherholungsorten in der Umgebung der Großstädte gezogen wird.
Zu den neuen Trends in den Feriengebieten gehören Wellness-, Sport- und Erlebnisaufenthalte, aber auch das Eindringen des Pauschaltourismus in Tourismusgebiete, in denen zuvor der Individualtourismus überwog. Eine weitere Entwicklung ist die zunehmende Ablösung des klassischen Fremdenzimmers zugunsten des Appartements mit eigener Kochgelegenheit. Gründe für diesen Trend sind einerseits das zunehmende Bedürfnis der Gäste nach Individualität und andererseits die rückläufige Bereitschaft der Vermieter zu persönlichen Dienstleistungen.

Großstadt- und "Event"-Tourismus
Von den eigentlichen Tourismusgebieten sind die Großstädte mit ihren grauen Kreissignaturen zu unterscheiden. Die meisten von ihnen haben ebenfalls einen nennenswerten Tourismus aufzuweisen. Gegenüber den Peripherräumen, wo in der Regel die Aufenthaltsdauer knapp eine Woche beträgt, sind es hier jedoch weniger als zwei Tage. Im Großstadttourismus führend sind die Millionenstädte Berlin, München und Hamburg. Zu den Übernachtungsgästen kommen hier besonders viele Tagesgäste. Spitzenwerte werden anlässlich von Messen und Ausstellungen erreicht. Gegenstand des touristischen Interesses sind auch historische Stadtbilder (z. B. der ehemaligen Residenzen, Kaufmanns- und Domstädte) sowie Museen und Sammlungen.
Zunehmende Bedeutung gewinnen der Erlebnistourismus zu Rock- und Popkonzenten oder anderen Großveranstaltungen. Aber auch das reiche Angebot an kulturellen Veranstaltungen oder Einkaufsmöglichkeiten, insbesondere in kleinklimatisch angenehmen "Malls" oder innerstädtischen Einkaufszentren, lockt viele Fremde in die großen Städte. Auch touristische Kunstwelten – etwa exotische Badeparadiese oder Disneylands – suchen aufgrund ihres Gelände- und Parkplatzbedarfs oft die Peripherie der Großstädte auf oder nutzen die Verkehrsgunst von Autobahnabfahrten. Eine Spitzenstellung nimmt Deutschland bei Volksfesten wie Jahrmärkten und Kirmessen ein, auf denen 2006 insgesamt 178 Mio. Besucher gezählt wurden; 6,5 Mio. von ihnen besuchten allein das Münchener Oktoberfest.
J. Newig

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