Tinajones (Peru) - Bewässerung

Amerika - Südamerika - Intensive und extensive Landwirtschaft
978-3-14-100800-5 | Seite 235 | Abb. 5| Maßstab 1 : 1000000

Überblick

Durch ihren Nord-Süd-Verlauf bilden die Anden südlich des Äquators eine markante Klimascheide. Einer trockenen Westabdachung steht im tropischen Bereich eine feuchte Ostabdachung mit allen Auswirkungen auf den Landschaftscharakter gegenüber, in den außertropischen Anden ist es umgekehrt. In Peru zeigt sich dies an einem außergewöhnlichen Gegensatz zwischen der Pazifikabdachung mit wüstenhafter Ausprägung im Küstengebiet (Costa) und den tropischen Berg- und Tieflandwäldern auf der Ostflanke der Anden (Montaña / Selva). Die inneren Gebirgsbereiche (Sierra) nehmen eine vermittelnde Stellung ein. Überprägt wird dies zusätzlich durch den Wandel mit der Höhe und die Auswirkungen von Luv-Lee-Effekten.

Die Großstadt Chiclayo (650 000 Einwohner) liegt an der peruanischen Pazifikküste rund 600 Kilometer nördlich von Lima (s. 232/233). Sie ist das Zentrum eines intensiv landwirtschaftlich genutzten Bewässerungsgebiets inmitten der Küstenwüste, die an dieser Stelle einen rund 70 Kilometer breiten Streifen bildet.

Vegetation und Klima

Die Niederschläge in den peruanischen Teilen der Anden fallen vor allem zwischen November und Mai, die anderen Monate gehören zur Trockenzeit. Entsprechend ungleichmäßig sind die Abflussregime der zum Pazifik abfließenden Flüsse. Landwirtschaft ist im Küstenbereich nur mit Bewässerung möglich, die Flüsse – sie sind dort Fremdlingsflüsse – stellen die dafür benötigten Wasserressourcen bereit. Begünstigt sind diese Räume durch ihr ebenes Gelände und die nährstoffreiche Feinmaterialauflage.

Die klimatischen Gegebenheiten spiegeln sich in der Vegetationszonierung wider. Im Westen an der Küste erstreckt sich eine vegetationslose, heiße Tieflandwüste mit nur episodischem Pflanzenwuchs (Niederschläge von weniger als 200 mm pro Jahr). Daran schließt sich nach Osten die meist mit Kakteen bestandene Halbwüste an, die auf Anhöhen und an exponierten Lagen eine nebelgespeiste Vegetation aufweist. Diese geht weiter im Osten in mittleren Höhenlagen in einen Gürtel mit Nebelkräutern und -stauden über. Darauf folgt an der Pazifikabdachung der Anden in etwa 2000 Metern Höhe eine tropische Bergwaldstufe. In regenabgeschirmten Bereichen mit meist eigenen Windsystemen bildet sich ein trockener Buschwald mit vielen laubwerfenden und lichten Gehölzen aus.

Im alten Kulturland der Sierra- und Selvaregion ist diese natürliche Vegetation nur noch in Relikten weit abseits der Wege vorhanden. Sie ist dort durch entwaldete Kulturlandschaftsflächen und Hangterrassen mit vereinzelt uniformen Eukalyptusanpflanzungen ersetzt. Die Vegetation insbesondere im Tiefland erfährt in Abständen von einigen Jahren während der Regenzeit einschneidende Veränderungen. Sie werden durch ungewöhnlich ergiebige Niederschläge infolge des El Niño verursacht (s. 205.2, 234.4). In solchen Jahren wird die sonst ausgedörrte Costa-Region kurzzeitig von einem grünen Vegetationsteppich bedeckt.

Geschichte der Landnutzung

Dank der tropischen Temperaturen waren die Küstengebiete die Keimzellen der alten südamerikanischen Hochkulturen. Bereits vor der Zeit der Inkas wurde dort Bewässerungsfeldbau betrieben. Diese lange Tradition hat im Industriezeitalter durch modernste Tiefbautechnik neue Impulse erfahren. Die alten Flusstäler sind heute eindrucksvolle Flussoasenlandschaften. Erhalten blieben die alten Bewässerungskanalbauten aus vor-inkaischer Zeit, die in ihrer technischen Perfektion noch immer unerreicht sind und deren Errichtung bis heute ein Rätsel ist. Dank ihrer leichten Zugänglichkeit sind sie eine der touristischen Hauptattraktionen Perus.

Bewässerungsfeldbau heute

Die Bewässerungswirtschaft der Region stand vor zwei Herausforderungen:

• das Wasserangebot insgesamt zu erhöhen, um die Bewässerungsflächen ausweiten zu können, und

• dessen natürlichen Schwankungen im Jahresverlauf dem Wasserbedarf für den Anbau anzugleichen.

Diese Aufgaben wurden im Rahmen eines Entwicklungshilfeprojekts durch Überleitungen aus der Montana / Selva und durch Speicherbauten zur Wasserregulierung (Tinajones-Stausee) gelöst.

Über die wasserwirtschaftlichen Fragen hinaus waren beim Ausbau der Bewässerung eine Reihe weiterer Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Da die Drainage bei Bewässerungssystemen früher häufig zu wenig Beachtung fanden, kam es im Laufe der Zeit wegen der hohen Verdunstung zur Bodenversalzung, die zu erheblichen Ertragsminderungen führte (s. 141.3). Deshalb kommt in der Gegenwart dem gleichrangigen Ausbau der Be- und Entwässerung eine große Bedeutung zu.

Unter diesen Vorgaben entwickelte sich das Tinajones-Projekt zu einem der größten Bewässerungsvorhaben der Erde mit einer Fläche von 80 000 Hektar. Nördlich des traditionellen Bewässerungsgebiets wurde großräumig das Neue Tal für die Landwirtschaft erschlossen. Es wird über den Taymi-Kanal vom Tinajones-Stausee aus versorgt.

Der Tinajones-Stausee fasst gegenwärtig 350 Mio. Kubikmeter Wasser. Pro Jahr werden aus den Anden rund 100 Mio. Kubikmeter Wasser übergeleitet. Wenige Kilometer südlich wurde 1988 der Gallito-Stausee mit ähnlich großem Speichervolumen in Betrieb genommen. Von dort wird das Anbaugebiet um Chepén mit Bewässerungswasser versorgt. Weitere, allerdings deutlich kleinere Stauseen sind im Bau oder geplant. Darüber hinaus soll der Tinajones-Stausee erweitert werden.

Hauptziel ist es einerseits, die Nahrungsmittelversorgung Perus durch den Anbau von Reis, Mais und Hülsenfrüchten zu sichern und dem Staat Ausgaben für Nahrungsmittelimporte zu ersparen. Andererseits werden Peru durch den Export von Spargel und Zuckerrohr Einnahmequellen für Devisen erschlossen. Der Bevölkerung sichert der Bewässerungsfeldbau Arbeitsplätze und ein Grundeinkommen.

Hinsichtlich der Betriebsstrukturen dominieren klein- und mittelbäuerliche Betriebe mit Betriebsgrößen bis 20 Hektar, die gut 60 Prozent der Bewässerungsfläche bewirtschaften. Die größeren Betriebe nutzen ihre finanziellen Möglichkeiten, um ihre wirtschaftlichen Erträge durch Mechanisierung zu optimieren.

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