Saarland, Lothringen, Luxemburg - Wirtschaft 1957

Deutschland - Europaregion Saar-Lor-Lux - Strukturwandel
978-3-14-100800-5 | Seite 46 | Abb. 1| Maßstab 1 : 500000

Überblick

Der Kartenausschnitt zeigt den Kernbereich des sogenannten Saar-Lor-Lux-Raumes, der sich zusammensetzt aus vier lothringischen Departements, der belgischen Provinz Luxemburg, dem Großherzogtum Luxemburg, dem Saarland und dem Westen von Rheinland-Pfalz. Nach 1960 wurden der im Saar-Lor-Lux-Raum einstmals dominierende Bergbau, die Eisenverhüttung und die Stahlerzeugung durch die einsetzende Stahlkrise schwer erschüttert. Der gemeinsame Niedergang der beiden wichtigsten Wirtschaftszweige löste einen Strukturwandel in der ganzen Region aus.

Niedergang der Montanindustrie

Mit Steinkohle und Eisenerz verfügte der Saar-Lor-Lux-Raum über die beiden wichtigsten Rohstoffe der Industrialisierungsphase. Der Schwerpunkt des Kohlebergbaus lag im saarländisch-lothringischen Kohlerevier. Eisenerz wurde vor allem in Lothringen und in Luxemburg abgebaut. Der Höchststand der Erzförderung wurde Ende der 1950er-Jahre erreicht. Aufgrund sinkender Transportkosten, geringerer Preise sowie höherer Qualität verdrängten jedoch Überseeerze immer stärker die lothringisch-luxemburgischen Minette-Erze.

Die Eisen- und Stahlindustrie war Ende der 1950er-Jahre auf drei Teilräume konzentriert (Lothringen, Luxemburg, Saarland). Sie geriet vor allem ab 1974 in eine existenzielle Krise. Als gravierender Nachteil erwies sich die einseitige Orientierung auf Profil- und Massenstähle. Zwischen 1960 und 1983 fielen allein im Saarland 23 000 Arbeitsplätze in der Montanindustrie weg, in Lothringen gingen innerhalb von nur 15 Jahren mehr als die Hälfte aller Arbeitsplätze verloren. Um diesen Trend zu bremsen, wurden Restrukturierungsmaßnahmen durchgeführt. Seit 1986 wird Roheisen im Saarland nur noch in Dillingen, Stahl ausschließlich in Dillingen und Völklingen produziert. Sinnbild der Entwicklung ist die Stilllegung der Roheisenproduktion der Völklinger Hütte 1986 und ihre Ernennung zum UNESCO-Weltkulturerbe 1994. Der Steinkohlenbergbau endete mit der Schließung der letzten beiden Bergwerke 2005 und 2012. In Lothringen wurde der Rückzug aus dem Bergbau und der Eisenverhüttung 2005 abgeschlossen. Stahl wird heute noch an zwei Standorten erzeugt. Ähnlich verlief die Umstrukturierung in Luxemburg.

Strukturwandel

Zwischen 1958 und 1964 wurde die Mosel aufgrund zwischenstaatlicher Vereinbarungen zwischen Koblenz, Thionville und Metz als Großschifffahrtsweg ausgebaut und 1972 bis Frouard/Nancy sowie 1979 bis Neuves-Maisons verlängert, um den lothringischen Hütten- und Stahlwerken eine bessere Wettbewerbsposition zu verschaffen. Seit der Kanalisierung der Saar verfügt auch das Saarland über einen günstigen Anschluss in Richtung Rheinmündungshäfen. Weitere Infrastrukturverbesserungen wurden durch den Bau eines dichten Autobahnnetzes, die Einbindung in das Hochgeschwindigkeitsnetz der Bahn und den Flughafen Saarbrücken erreicht; Letzterer zählt im innerdeutschen Vergleich zu den kleinen Flughäfen.

Die Krise der Montanindustrie führte zu ersten Versuchen, einen Strukturwandel einzuleiten. In den 1960er-Jahren wurden deutsch-französische Gemeinschaftsunternehmen ins Leben gerufen, vornehmlich im Bereich der Kohle- und Petrochemie. In Klarenthal (Völklingen) und Metz wurden Raffinerien gebaut, die über einen Anschluss an die Südeuropäische Pipeline von Marseille aus mit Rohöl versorgt wurden. Doch dieser Versuch, neben der Kohle ein zweites wirtschaftliches Standbein aufzubauen, scheiterte in den 1980er-Jahren.

Erfolgreicher war die Ansiedlung von Nachfolgeindustrien insbesondere im Kraftfahrzeugbau. Die Branche verfügt heute über mehrere große Standorte in Saarlouis, Homburg und Neunkirchen auf deutscher Seite sowie in Metz und Umgebung auf französischer Seite. Gießereien und Walzwerke sowie die Metall verarbeitende Industrie blieben an vielen Orten erhalten. Sie sind heute zum Beispiel mit dem Fahrzeugbau eng verflochten. Der Kraftfahrzeugbau ist auch ein potenzieller Abnehmer für die neu angesiedelte Gummiindustrie.

In Cattenom an der Mosel, nahe an der Grenze zu Luxemburg und Deutschland, ist das zweitgrößte Kernkraftwerk in Frankreich entstanden, das inzwischen rund 8 Prozent des französischen Gesamtbedarfs deckt. Dadurch hat sich die Stromproduktion in Lothringen nahezu verdoppelt. Auf deutscher Seite zeigen sich dagegen in der Vielzahl von Windparks, Geothermiekraftwerken und Solarfarmen die Ergebnisse der gezielten staatlichen Förderung dezentraler erneuerbarer Energiegewinnung.

Die Zahl der Industriebeschäftigten ist in der Saar-Lor-Lux-Region zwar noch immer vergleichsweise hoch, dennoch nimmt die Bedeutung dieses Sektors tendenziell ab. Waren Ende der 1990er-Jahre noch rund 25 Prozent der Arbeitnehmer in der Großregion in der Industrie beschäftigt, fiel ihr Anteil binnen weniger Jahre auf unter 20 Prozent.

Der Stellenrückgang in den traditionellen Industriebranchen wurde zum Teil aufgefangen von einem beständigen Wachstum des tertiären Sektors. Die Karte 2015 weist im Vergleich zur Karte 1957 zahlreiche neue Standorte aus, zum Beispiel in Saarbrücken. Gegenwärtig sind bereits mehr als 75 Prozent aller Beschäftigten in der Saar-Lor-Lux-Region im Dienstleistungsbereich tätig, wobei Luxemburg mit rund 80 Prozent den Spitzenplatz belegt. Die Stadt konnte sich als internationales Finanzzentrum und als Verwaltungsstandort für Einrichtungen der EU profilieren. Hauptgrund für das Wachstum des tertiären Sektors, das sich neben Luxemburg auch in den anderen Teilregionen beobachten lässt, ist die Entstehung neuer Dienstleistungsbereiche, etwa auf dem Gebiet der Informations- und Kommunikationstechnologien und im Bereich der Dienstleistungen für Unternehmen.

Hinsichtlich der Wirtschaftsstrukturen kaum verändert zeigen sich die ländlichen Räume des Saar-Lor-Lux-Raums, zum Beispiel der Hunsrück und das Gebiet zwischen Metz und der deutsch-französischen Grenze.

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