Südwesteuropa - Wirtschaft

Europa - Südwesteuropa - Wirtschaft
978-3-14-100800-5 | Seite 130 | Abb. 1| Maßstab 1 : 6000000

Überblick

Der Kartenausschnitt zeigt den Süden Frankreichs, Italien sowie Spanien und Portugal. Raumprägend ist die Küstenorientierung von Besiedlung, Wirtschaftsstandorten und Verkehrslinien. Sie wird nur ausnahmsweise von Agglomerationsräumen im Binnenland (Madrid, Paris, Toulouse) oder Entwicklungsachsen wie dem Rhônetal und der Poebene aufgehoben. Einen eigenen Charakter entwickeln die Räume entlang der großen Flüsse, zum Beispiel erkennbar am Guadalquivir, dem Ebro und dem Tejo.

Sozio-ökonomische Disparitäten , die charakteristisch für Südwesteuropas sind, zeigen sich zum Beispiel in Portugal (zwischen den Küstenstädten Lissabon und Porto sowie den Landesteilen an der spanischen Grenze im Osten), in Frankreich (zwischen dem Küstentiefland um Montpellier und dem Zentralmassiv) und in Italien zwischen der Poebene und Sardinien.

Sektorale Unterschiede in der Industrie, zum Beispiel zu erkennen am Gegensatz zwischen modernen Wachstumsindustrien in einigen Regionen einerseits und schrumpfenden „Altindustrien“ mit deutlichen Strukturproblemen andererseits führen zu fragmentierten Raumstrukturen. Ergänzt werden diese Standortmuster von räumlich scharf begrenzten hochtechnisierten Agrarräumen und Zielorten des Massentourismus, etwa an der spanischen Mittelmeerküste.

Zur Landwirtschaft

Der Anteil der in der Land- und Forstwirtschaft Erwerbstätigen hat sich in den letzten Jahrzehnten erheblich reduziert, ist aber in den Ländern der Region nach wie vor vergleichsweise hoch (2013 Frankreich: 2,8 %; Spanien: 4,3 %; Portugal: 11,0 %; Italien: 3,8 %). Der Beitrag zur Wirtschaftsleistung ist jeweils erheblich. Frankreich, Italien und Spanien sind wichtige Exporteure von Agrargütern und verarbeiteten Lebensmitteln (Exportanteile 2013: Italien: 6%, Frankreich 9 %, Spanien 12 %). Der Stellenwert der Landwirtschaft ist in Regionen wie El Ejido am größten, wo stark industrialisierte Anbaumethoden eine künstliche Landschaft mit Hightech-Merkmalen haben entstehen lassen (s. 133.3).

Der mediterrane Anbau von Weizen, Wein, Zitrusfrüchten, Ölbäumen, Obst und Gemüse korreliert mit jenen Gebieten, die eine Sommertrockenheit von vier bis sechs Monaten aufweisen. Stark differenzierend wirkt das Relief, sodass die oft nur schmalen Küstenebenen, die Beckenlandschaften und die Täler der großen Flüsse Gunsträume sind. Eine vergleichsweise geringere Bodenwertigkeit führt zusammen mit der oft starken Reliefenergie und dem klima- und substratbedingten Wassermangel in weiten Teilen Südwesteuropas zu einer eher extensiven Agrarwirtschaft (z. B. Zentralmassiv, Sardinien). Traditionelle Bewirtschaftungsformen tragen vielerorts zum Erhalt von Kulturlandschaften bei.

Bergbau und Energierohstoffe

Die Länder Südwesteuropas verfügen nur über wenige Rohstofflagerstätten. Selbst Italien, mit relativ vielen Standorten der Erdgasförderung verzeichnet, deckt seinen Bedarf nur zu rund zehn Prozent aus eigenen Feldern. Der überwiegende Teil der Energierohstoffe wird importiert, zum Beispiel aus Westasien und Nordafrika. Darauf weisen Pipelines im Mittelmeer und die zahlreichen Raffineriestandorte an den Küsten hin, wo importiertes, auf dem Seeweg herantransportiertes Erdöl verarbeitet wird.

Industrie und Dienstleistungen

Gijon und Bilbao sind traditionsreiche Standorte der Montanindustrie. Zwar hat die Branche, ähnlich wie in vielen anderen Altindustrieräumen Europas auch, Einbrüche hinnehmen müssen, ist aber dennoch ein wichtiges wirtschaftliches Standbein der Region. Hinzu kommen in Nordspanien mehrere Standorte der Aluminiumverhüttung. Relativ junge Standorte der Stahlerzeugung, die vom Staat mit raumordnungspolitischen Zielen initiiert wurden, sind Fos-sur-Mer in Frankreich und Tarent in Italien.

Der Kraftfahrzeugbau ist in Norditalien, dem Osten Spaniens, der Region Paris und der Burgundischen Pforte regional konzentriert. Die spanischen Standorte Martorell und Pamplona sind in den Volkswagen-Konzern integriert (s. 37.6), Madrid und Vigo gehören zum PSA-Konzern, Valladolid zu Renault. Standortmuster, Organisation und Vernetzung dieser Unternehmen zeigen typische Merkmale von Globalplayern. Fiat unterhält Autowerke in Italien, aber auch in Polen, Serbien und der Türkei.

Die Luft- und Raumfahrtindustrie als Hightechbranche hat in Frankreich, Italien und Spanien im militärischen und im zivilen Bereich große Bedeutung. Das wichtigste Element ist die Zusammenarbeit bei der Airbus-Produktion (mit Standorten u. a. in St-Nazaire, Toulouse, Bordeaux, Madrid und Cadiz; s. a. 101.7). Die chemische Industrie zeigt wegen der Rohstoffversorgung eine Bevorzugung von Küstenstandorten bzw. Standorten an Pipelines.

Die Konzentration von Unternehmen des Dienstleistungssektors ist an Standorten wie Madrid, Mailand oder Barcelona ein Hinweis auf eine moderne Wirtschaftsstruktur. Hinter den Signaturen für Madrid verbergen sich zum Beispiel weltweit agierende Unternehmen wie Grupo Santander, die zweitgrößte Bank Europas (2013: 183 000 Beschäftigte; Unternehmenssitz Madrid), und der Telekommunikationsdienstleister Telefonica (2012: 270 000 Beschäftigte, Unternehmenssitz Madrid). In Mailand hat die Hälfte der 200 größten italienischen Unternehmen ihren Sitz, die Stadt ist das Messe-, Kultur-, Einzelhandels- und Medienzentrum Italiens und ein wichtiger Verkehrsknoten. An Standorten wie Madrid und Rom haben staatliche Verwaltungen einen hohen Anteil an den Beschäftigten.

An den Küsten und auf den Inseln dominiert vielerorts der Tourismus als Arbeitgeber, allerdings mit unterschiedlicher Ausrichtung. Ziele des Besichtigungstourismus (wie Taormina, Venedig, Rom oder Pompeji) stehen neben Pilgerzielen (Lourdes, Santiago de Compostela), Kurorten (wie Ischia), Badeorten (Algarve, Balearen) und Zweitwohnsitzen (Südfrankreich), traditionelle Ziele wie Biarritz neben Erschließungen des Massentourismus wie Lloret de Mar.

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