Südostanatolien - Bewässerungsprojekt (westlicher Teil)

Europa - Türkei - Brücke zwischen Europa und Asien
978-3-14-100800-5 | Seite 141 | Abb. 6| Maßstab 1 : 15000000

Überblick

Die Karte zeigt einen kleinen Ausschnitt aus dem „Fruchtbaren Halbmond“, einer Übergangsregion zwischen Gebirgen und Wüste, die über Jahrtausende durch degradierte Wälder und Weideland, Regenfeldbau und Halbnomadismus geprägt war. Der türkische Teil, wo rund neun Millionen Menschen leben, hat sich in den letzten Jahrzehnten vor allem durch das staatliche, langfristig angelegte Südostanatolienprojekt (GAP) grundlegend gewandelt. An Euphrat und Tigris wurden große Stauseen angelegt. Sie sind Grundlage der Energiegewinnung und der Bewässerungslandwirtschaft. Kritiker weisen unter anderem auf den Verlust kulturhistorisch wertvoller Orte (z. B. Hasankeyf), Umsiedlungen, ökologische Probleme im Zusammenhang mit der Bewässerung und die Notwendigkeit zwischenstaatlicher Zusammenarbeit bei der Bewirtschaftung der Wasserressourcen in der Region hin.

Entwicklungsschwerpunkt Energiegewinnung

Im Vordergrund der Bemühungen zur Entwicklung Südostanatoliens stand ab den 1960er-Jahren zunächst die Energiegewinnung aus Wasserkraft, um die Stromversorgung der rasch wachsenden türkischen Bevölkerung zu gewährleisten. Am Euphrat entstanden der Keban-Damm und der südlich anschließende Karakaya-Damm. Beide sind Grundlage großer Wasserkraftwerke, sie versorgen keine Bewässerungsflächen. Die Stromproduktion begann 1974 bzw. 1987, die Gesamtleistung von 3130 Megawatt ist den größten deutschen Braunkohlenkraftwerken vergleichbar. Seitdem wurde die Energiegewinnung stetig ausgebaut. Mit dem Atatürk-Stausee (Einstau ab 1990) war ein Ausbaustand von 56 Prozent der geplanten Kraftwerkskapazitäten erreicht worden. Seitdem sind weitere Wasserkraftwerke hinzugekommen oder befinden sich im Bau. Mit ihrer Inbetriebnahme wird ein Ausbaustand von 93 Prozent erreicht werden.

Gewinnung von Bewässerungsland

Grundlage für eine intensive landwirtschaftliche Nutzung der Region ist die Bewässerung. Planungen gingen zunächst von bis zu 1,7 Mio. Hektar Land aus, davon 1,1 Mio. Hektar im Westen am Euphrat und 0,6 Mio. Hektar im Osten am Tigris. Zu diesem Maximalausbau gab es bereits in den ersten Plänen Alternativen mit einer deutlich geringeren Bewässerungsfläche. Heute geht man von bis zu 900 000 Hektar; fertig gestellt ist bislang knapp ein Drittel.

Um die Bewässerungsgebiete mit Wasser zu versorgen, wurde ein System aus Überleitungsstollen, Pumpstationen und Bewässerungskanälen gebaut. Damit wird zum Beispiel Wasser aus dem Atatürk-Stausee in die Urfa-Harran-Ebene geleitet. Es erreicht dort Felder, die bis zu 200 Kilometer vom Stausee entfernt sind. Angebaut werden heute vor allem Baumwolle (s. 142/143), da mit ihr die höchsten Renditen erzielt werden können, und Weizen. Aus der Bevorzugung der Baumwolle und der Art der Bewässerung resultiert die Gefahr der Bodenversalzung, der zum Beispiel durch eine gezielte Entwässerung begegnet werden kann (s. 141.3).

Wasserkonflikte am Unterlauf der Flüsse

Siehe Kommentar zur Karte 141.5.

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