Rondônia - Agrarkolonisation

Amerika - Brasilien - Entwicklung und Nachhaltigkeit
978-3-14-100803-6 | Seite 237 | Abb. 5| Maßstab 1 : 8000000

Überblick

Im brasilianischen Bundesstaat Rondônia im Südwesten des Amazonastieflands lässt sich seit den 1970er-Jahren eine überaus dynamische landwirtschaftliche Erschließung beobachten. Ein Beleg dafür ist die starke Zuwanderung, durch die die Gesamtbevölkerungszahl bis 1991 auf 1,1 Mio. und bis 2010 auf knapp 1,6 Mio. stieg. Ihren Höhepunkt hatte die Zuwachsrate zu Beginn der 1980er-Jahre. Dass sie im Vergleich dazu heute deutlich geringer ausfällt und fast zum Erliegen gekommen ist, deutet darauf hin, dass kaum noch neues Land erschlossen werden kann, Verdrängungsprozesse durch Großbetriebe stattfinden und Erwerbsmöglichkeiten außerhalb der Landwirtschaft rar sind – nur der Abbau von Zinn und die Holzverarbeitung haben in Rondônia eine gewisse Bedeutung.

Agrarkolonisation

Das Erschließungsmuster folgt – wie in anderen Teilen Amazoniens auch – in erster Linie den Verkehrswegen. Von dort aus werden seitlich Trassen in den Regenwald geschlagen und in Acker-, Weide- oder Siedlungsland umgewandelt, häufig spielt dabei in der Initialphase auch der Holzeinschlag eine wichtige Rolle (Standorte der Holzverarbeitung in Rondônia, s. 237.4). Schließlich werden diese Trassen, zwischen denen zu Beginn noch Waldstreifen existieren, zu einer zusammenhängenden waldlosen Fläche erweitert.

Die Agrarkolonisation ist auf Rinderhaltung und Ackerbau ausgerichtet. Im System der Landwechselwirtschaft werden vor allem Grundnahrungsmittel wie Reis, Bohnen, Maniok und Mais angebaut. Hinzu kommen die Dauerkulturen Kakao und Kaffee (s. 232/233). Während die Grundnahrungsmittel primär der Eigenversorgung und dem Verkauf auf lokalen und regionalen Märkten dienen, sind Rinderhaltung und Dauerkulturen auf die nationale und internationale Vermarktung ausgerichtet. Hinsichtlich der Erwerbsmöglichkeiten ergeben sich unterschiedliche Verhältnisse. Die Weidenutzung zur Rinderhaltung ist diesbezüglich kaum wirksam, da zwar große Flächen, aber – anders als für den Ackerbau – nur sehr wenige Arbeitskräfte benötigt werden.

Die landwirtschaftliche Erschließung Rondônias erfolgt nicht nur staatlich gelenkt – also durch Landvergabe –, sondern auch durch illegale Landnahme. Geschlossene Waldflächen haben sich vor allem in den Wald- bzw. Indio-Schutzgebieten erhalten.

Der zunehmende Verkauf von Land durch die Kleinbauern und der damit einhergehende Trend zur Besitzkonzentration und Expansion großbetrieblicher Rinderweidewirtschaft sind heute die größten sozio-ökonomischen Probleme in Rondônia. Die Folge dieser Entwicklung ist eine Verdrängung der Kleinbauern, also eine Reproduktion genau jener Disparitäten in ihren Herkunftsräumen, denen die Kolonisten durch die Auswanderung nach Rondônia entgehen wollten.

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