Phönikische und Griechische Kolonisation

Europa - Europa - Antike
978-3-14-100770-1 | Seite 86 | Abb. 1| Maßstab 1 : 24000000

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In den Jahren zwischen 1100 und 800 v. Chr. beherrschten die Phöniker (auch Phönizier) sowohl in wirtschaftlicher als auch in kultureller Hinsicht nahezu den gesamten Mittelmeerraum. Etwa ab 800 v. Chr. verloren sie ihre Vormachtstellung, es begann die Zeit der griechischen Kolonisation. Während die Phöniker bei ihren Gründungen in erster Linie an Handelsstützpunkten und neuen Märkten interessiert waren, entstanden die griechischen Kolonien vor allem deshalb, weil eine kontinuierlich steigende Bevölkerungsdichte die Kapazitäten der Mutterstädte zu überfordern drohte.

Die Phöniker
Etwa ab 1100 v. Chr. begannen die Phöniker, mit der Gründung bedeutender Kolonien und Handelsfaktoreien im ganzen Mittelmeerraum. Ausgangspunkt waren vor allem Städte wie Tyros, Sidon und nördlich davon Berytos (das heutige Beirut). Die Hegemonialstellung der Phöniker erstreckte sich schon bald auf Zypern, Sizilien, Malta, Sardinien, die Balearen, Südspanien und auf große Teile Nordafrikas.
Eine ihrer wichtigsten Kolonien dort war das nordöstlich von Tunis gelegene Carthago, das offenbar schon kurz nach 1200 v. Chr. von Sidon aus gegründet wurde, aber erst durch die 814 v. Chr. von Tyros aus erschaffene Neustadt (phönikisch"Qart-Hadascht") seine außerordentliche Geltung erlangte. Carthago entwickelte sich zur größten Seemacht und bedeutendsten Handelsstadt des Altertums. Belegt ist, dass die Phöniker bereits gegen 1100 v. Chr. die Straße von Gibraltar durchquerten und an der Atlantikküste Spaniens die Hafenstadt Gades (das heutige Cádiz) gründeten. Es folgten weitere Handelsniederlassungen sowohl an der westafrikanischen wie an der portugiesischen Küste. Aufgrund verschiedener Funde gilt es heute als wahrscheinlich, dass sie in nördlicher Richtung bis zur Bretagne und sogar zu den Britischen Inseln und bis nach Irland vorstießen.
Die phönikischen Städte waren mehr am Aufbau von Handelsbeziehungen als an der Gründung eines Reiches interessiert. Sie bildeten zwischen 1100 und 800 v. Chr. das Zentrum der antiken Welt. Alle östlichen Karawanenfernstraßen endeten an der libanesischen Küste. Ein Großteil der Handelsgüter jener Welt, die auf die Märkte zwischen Euphrat und Tigris, in Ägypten oder im Mittelmeerraum gelangten, trat seine Reise auf phönikischen Schiffen an oder lagerte in phönikischen Vorratshäusern.

Griechische Kolonisation
Die etwa ab 800 v. Chr. einsetzende griechische Kolonisation erfolgte in drei Richtungen. Im Westen entstanden Niederlassungen in Unteritalien ("Großgriechenland"), auf Sizilien, an der illyrischen Küste des heutigen Kroatien, an der Küste Südgalliens (wo u. a. Massilia, das heutige Marseille gegründet wurde) und auf der Iberischen Halbinsel. In südlicher Richtung entwickelten sich an der nordafrikanischen Küste die Städte Cyrene und das an einem Nilarm gelegene Naukratis, welches bis zur Gründung Alexandrias im Jahre 331 v. Chr. Mittelpunkt des griechisch-ägyptischen Handels war. In nordöstlicher Richtung entstanden neben Siedlungen in Thrakien vor allem zahlreiche Kolonien an der Küste des Schwarzen Meeres, darunter Byzantion (Byzanz, das spätere Konstantinopel und heutige Istanbul), Sinope und Trapezunt. Die bedeutendsten Ausgangsstädte für die griechische Kolonisation waren Chalkis, Megara, Korinth, Phokaia und Milet.
Die Kolonie war ein eigenständiger Stadtstaat, der mit der Mutterstadt durch die Kultpraxis und wirtschaftliche Beziehungen verbunden blieb. Die Einwohner, auf welche die Gründer trafen, wurden entweder vertrieben, oder sie wurden unterworfen und versklavt. Während das Mutterland Handwerksprodukte, Wein und Öl exportierte, wurden aus den Kolonien Getreide, Vieh, Fische, Salz, Bauholz, Bergbauerzeugnisse, Gewürze, Papyrus, Elfenbein und Sklaven importiert. Die Gründung der Kolonien führte zu tiefgreifenden Veränderungen im griechischen Heimatland. Produktion und Handel erlebten einen starken Aufschwung, die weitreichenden Handelsverbindungen befruchteten das kulturelle Leben.
K. Lückemeier, E. Astor

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