Pazifischer Ozean - Tropisches Wettergeschehen - 1998 ("La Niña")

Ozeanien - Pazifischer Ozean - El Niño
978-3-14-100803-6 | Seite 205 | Abb. 2| Maßstab 1 : 365000000

Überblick

Im Bereich des Südpazifiks treten in unregelmäßigen Abständen von einigen Jahren Witterungsanomalien auf, die als El Niño-Phänomen bekannt sind und mit gravierenden Veränderungen der Meeresoberflächentemperaturen einhergehen. Sie werden gesteuert durch die Luftdruckgegensätze zwischen vergleichsweise hohem Luftdruck über dem Ostpazifik und tiefem über Nordaustralien und Indonesien, die als „Southern Oscillation“ bezeichnet werden.

Normalverhältnisse

Normalerweise sind die Luftdruckunterschiede zwischen dem Ostpazifik einerseits und Nordaustralien sowie Indonesien andererseits relativ hoch, sodass sich unter dem Einfluss der Corioliskraft eine konstante Südostströmung vom südpazifischen Subtropenhoch zur äquatorialen Tiefdruckrinne ausbildet – der Passat.

Durch die im Bereich des Äquator zusätzlich ausgebildete Walker-Zirkulation – eine Art überdimensionales Land-See-Windsystem – wird relativ kühles Oberflächenwasser von der südamerikanischen Küste nach Westen getrieben und staut sich vor den indonesischen Inseln. Auf dem Weg nach Westen erwärmen sich die Wassermassen um teilweise mehr als 10 °C. Es kommt dadurch zu einer erhöhten Verdunstung, die zu einer Labilisierung der bodennahen Luftschichten führt – die Folgen sind verstärkte Konvektion und heftige tropische Regenfälle über Indonesien und Nordaustralien. In manchen Jahren ist dieser Effekt besonders stark und wird dann als La Niña bezeichnet.

Als Ausgleich für die nach Westen verfrachteten Wassermassen steigen im Bereich des Humboldt-Stromes aus Tiefen von bis zu 300 Metern kalte Tiefenwässer auf (Ekman-Spirale, s. 250.1). Die Auftriebswässer sind zwar sauerstoffarm, aber sehr nährstoffreich und vermischen sich mit den sauerstoffreichen oberflächennahen Wassermassen. Dadurch bilden sich ideale Lebensbedingungen für eine reichhaltige Meeresflora und -fauna vor der Westküste Südamerikas. Die kalten Meerestemperaturen verstärken dabei zusätzlich das Subtropenhoch über dem Südpazifik und damit die Passatzirkulation.

El Niño-Ereignisse

In unregelmäßigen Abständen verringert sich der Luftdruckgegensatz zwischen dem südpazifischen Hochdruckgebiet und dem tiefen Luftdruck im Bereich Nordaustralien / Indonesien. Die „Southern Oscillation“, eine unmittelbare Folge dieser Druckunterschiede, wird dadurch abgeschwächt. Damit verlieren die Passatwinde als Motor des Transports der Oberflächenwässer von der südamerikanischen Küste nach Westen an Kraft. Mitunter tritt sogar eine komplette Umkehrung der Luftdruckverhältnisse (und damit auch der oben beschriebenen Walker-Zirkulation) ein.

Durch die abgeschwächten Winde strömen die einige Dutzend Zentimeter hoch aufgestauten warmen Wassermassen aus dem nordaustralisch-indonesischen Raum in Form äquatorialer Kelvinwellen nach Osten zurück. Nach rund zwei bis drei Monaten erreicht das warme Wasser zumeist um die Weihnachtszeit die südamerikanische Küste (daher die Bezeichnung El Niño, „das Christkind“). Dadurch wird der Aufstieg nährstoffreicher Tiefenwässer im Bereich des Humboldtstroms unterbunden.

Mit der Umkehrung der tropischen Walker-Zirkulation und wegen der mit den hohen Meerestemperaturen verbundenen feuchten Luftmassen setzen im Nordwesten Südamerikas ergiebige bis extreme Regenfälle ein, während der nordostaustralisch-indonesische Raum ausgeprägte Trockenheit verzeichnet. Auch in anderen Teilen der Erde machen sich über Telekonnektionseffekte Witterungsanomalien bemerkbar, die auf El Niño-Ereignisse zurückgeführt werden können.

El Niño-Phasen haben ökologische und ökonomische Folgen. So gehen beispielsweise die Fangquoten von Hochseefisch entlang der südamerikanischen Westküste deutlich zurück, weil die Fische das nährstoff- und sauerstoffarme Wasser während solcher El Niño-Ereignisse meiden. Dadurch sinkt auch die Produktion von Guanodünger, weil die Populationen der Seevögel, die Guano produzieren, nachhaltig schrumpfen. Noch gravierender sind andere Folgen wie die signifikante Zunahme von Überschwemmungen, Erdrutschen und tropischen Infektionskrankheiten wie Malaria. Mitunter begünstigen die Witterungsbedingungen während El Niño-Phasen aber auch die Landwirtschaft.

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