Osteuropa - Wirtschaft

Europa - Osteuropa - Wirtschafts- und Siedlungsstrukturen
978-3-14-100800-5 | Seite 144 | Abb. 1| Maßstab 1 : 12000000

Überblick

Die räumliche Verteilung der Wirtschaftsstandorte in Osteuropa zeigt einen Gegensatz zwischen den wenig genutzten Zonen der nördlichen Nadelwälder und Wüsten einerseits und dem breiten, in weiten Teilen stark bis intensiv genutzten Gürtel der gemäßigten Zone und der feuchten Steppen andererseits. Diese Zonen erstrecken sich überwiegend breitenkreisparallel, allerdings überprägt durch die von Westen nach Osten zunehmende Kontinentalität des Klimas (sinkende Winter-, steigende Sommertemperaturen, abnehmende Niederschläge) bzw. regionale Effekte an Gebirgen (Höhenstufen, Luv-Lee-Effekte). Der intensiv genutzte Gürtel wird nach Osten hin schmaler, die wenig genutzten Gürtel nördlich und südlich davon werden breiter.

Durch die Region verläuft mit der EU-Außengrenze eine Linie, die eine unterschiedliche starke Integration in die europäische Wirtschaft markiert. Zwischen den großen Machtblöcken (Finnland, den baltischen Staaten, Polen und Rumänien als EU-Mitgliedern einerseits und Russland andererseits) müssen Länder wie die Ukraine und Moldawien ihre Position in einem schwierigen Prozess bestimmen und bewahren. Weißrussland orientiert sich an Russland und ist international relativ stark isoliert. Zahlreiche Konfliktherde belasten die Beziehungen zwischen den Staaten und hemmen nicht zuletzt auch die wirtschaftliche Entwicklung.

Die Peripherien

Die naturräumlich benachteiligten Gebiete an der nördlichen und südöstlichen Peripherie Osteuropas – überwiegend zu Russland und Kasachstan gehörend – werden nur entlang einiger größerer Flüsse landwirtschaftlich genutzt (Dwina, Unterläufe von Wolga und Ural). Sie sind dünn besiedelt und nur teilweise durch Verkehrswege erschlossen. Hauptgegenstand wirtschaftlicher Nutzung sind Rohstoffvorkommen (Metallerze im Uralgebirge; Erdöl und Erdgas beiderseits des nördlichen Uralgebirges und am Kaspischen Meer). Vor allem die Förderung von Erdöl und Erdgas ist von existenzieller Bedeutung für den russischen und kasachischen Außenhandel. Die Förderstandorte sind über Pipelines mit den Abnehmern in Europa oder den Exporthäfen am Schwarzen Meer und dem Mittelmeer verbunden.

Verarbeitende Industrien sind in diesen Räumen selten; eine Ausnahme bildet nur die Holz-, Zellulose- und Papierindustrie mit zahlreichen Standorten in der nördlichen Nadelwaldzone (Orientierung an Holzvorkommen einerseits und Verkehrswegen andererseits).

Dass sich in der Zone der nördlichen Nadelwälder auch ohne nennenswerte Rohstoffvorkommen eine leistungsstarke, diversifizierte Volkswirtschaft etablieren kann, zeigt das Beispiel Finnland. Eine vergleichbare Perspektive zeichnet sich für die baltischen Staaten Litauen, Lettland und Estland ab, verstärkt seit dem EU-Beitritt 2004.

Das mittlere Osteuropa

Die Karte zeigt deutlich eine Zweiteilung des mittleren Osteuropa in eine besonders intensiv landwirtschaftlich genutzte südliche Teilzone (mit der Ukraine) und eine landwirtschaftlich stark genutzte, aber auch von Wäldern und großen Niederungen mit Wiesen durchsetzte nördliche Teilzone.

Das mittlere Osteuropa ist reich an Rohstoffen. Das Donezkbecken ist das wichtigste Kohlerevier; Krywyj Rih, Kursk und der südliche Ural sind die bedeutendsten Eisenerzreviere. Die Förderung in diesen Revieren erfolgt v. a. für die Montanindustrie der Region; der Weltmarkt für Kohle undEisenerz wird gegenwärtig von anderen Staaten beherrscht (China, Australien, Brasilien bei Eisenerz; China, USA, Australien bei Steinkohle). Zu industriellen Zentren haben sich vor allem …

die größten Städte der jeweiligen Länder (Moskau, St. Petersburg, Kiew, Minsk, Riga),

die perlenartig entlang der Wolga und Kama aufgereihten Städte zwischen Wolgograd und Nischni Nowgorod,

das Donezkbecken und

das Uralgebiet entwickelt.

Ein Vergleich mit der Wirtschaftsstruktur West- und Mitteleuropas (s. 118/119) zeigt einige strukturelle Grundprobleme der osteuropäischen Wirtschaft, die trotz des Strukturwandels infolge der Transformationsprozesse fortwirken und aus den Prioritäten der Wirtschaftspolitik der Sowjetunion zu erklären sind. Es dominieren zum Beispiel im Donezkbecken und im Uralgebiet noch immer rohstofforientierte Branchen der Altindustrien (Bergbau, Stahlerzeugung). Noch verstärkt durch die Tendenz zur Errichtung von Großkombinaten war vielerorts eine industrielle Monostruktur entstanden; der Dienstleistungssektor blieb oft unterentwickelt. Wachstumsindustrien wie zum Beispiel die Elektronik gibt es nur an einzelnen Standorten (Moskau). Wirtschaftlich diversifizierte Standorte wie Moskau, Petersburg Samara-Togliatti oder Nischni Nowgorod bilden bislang eher eine Ausnahme.

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