Nordrhein-Westfalen - Rheinischer Braunkohletagebau

Nordrhein-Westfalen - Rheinisches Braunkohlenrevier
978-3-14-100855-5 | Seite 19 | Abb. 5| Maßstab 1 : 250000

Überblick

Die landschaftlichen Veränderungen durch die Ausdehnung des Braunkohlenabbaus in der Niederrheinischen Bucht lassen sich regional gliedern. Verursacht wurden sie erstens durch die Vorbereitungen zum Abbau (Garzweiler II, Hambach, Inden II), zweitens durch den Abbau selbst (Garzweiler I, Hambach, Inden I) und drittens durch Maßnahmen zur Rekultivierung (ehemalige Tagebaue Fortuna-Garsdorf, Bergheim, Frechen, Ville; Garzweiler I (östlicher Teil), Sophienhöhe).

Beginn des Abbaus

Der erste vorbereitende Schritt für den großflächigen Braunkohlenabbau in der Niederrheinischen Bucht war die Festlegung des künftigen Abbaugebiets durch den Braunkohlenplan. Dieser wurde auf der Basis des nordrheinwestfälischen Landesplanungsgesetzes von 1979 vom Braunkohlenausschuss erstellt und genehmigt. Für den Abbau waren eine restlose Entwässerung der hängenden Schichten und des Kohleflözes selbst sowie eine Entspannung des Druckwassers im Liegenden notwendig. Diesem Zweck diente der Bau von Brunnengalerien wie in Garzweiler I und Hambach I. Deren Wasser wurde in die natürlichen Vorfluter Inde, Erft und Rur und einen künstlichen Vorfluter, den Kölner Randkanal, eingeleitet.

Aufgrund des großräumigen Abbaus mussten überdies zahlreiche Dörfer, Weiler und Einzelhöfe umgesiedelt werden. Bis auf wenige Ausnahmen wie Habbelrath, Grefrath und Berrenrath haben sich die betroffenen Siedlungen auf Wunsch der Bewohner und entsprechend der Landesplanung zentralen Orten angeschlossen. Auf diese Weise wurde beispielsweise Garzweiler ein Ortsteil von Jüchen. Außerdem war die Verlegung von Verkehrswegen notwendig. Betroffen davon waren u. a. mehrere Straßen östlich der Erft und der Autobahnabschnitt zwischen Köln und Düren.

Rekultivierung der Landschaft

Exemplarisch für Rekultivierungsarbeiten, die der durch den Tagebau erheblich zerstörten Landschaft eine neue Gestalt verleihen, sind die Maßnahmen im Südrevier, wo der Abbau nach der Auskohlung des Tagebaus Ville südlich von Goldenberg im Mai 1988 eingestellt wurde. Hier finden sich sämtliche Folgenutzungsarten auf engem Raum. Als Grundlage der forstwirtschaftlichen Rekultivierung dient seit 1960 der sogenannte Forstkies, ein vier Meter mächtiges Gemisch aus pleistozänem Sand, Kies und Löss. Hierauf wurden höherwertige, standortgerechte heimische Hölzer wie Buche, Eiche oder Nadelhölzer, aber auch geringe Bestände aus wurzelintensiven Robinien, Erlen und Pappeln gepflanzt. Die meisten verbliebenen Restlöcher wurden zu Wasserflächen; 16 dieser Seen sind allein südlich der Autobahnstrecke von Köln nach Düren zu erkennen. Das Naturschutzgebiet Villeseen ist heute Teil des Naturparks Rheinland, einem wertvollen Naherholungsgebiet für den Köln-Bonner Verdichtungsraum. Andere Tagebaurestlöcher wurden zu Kippflächen oder Deponien für Abfälle und Kraftwerksasche.

Die landwirtschaftliche Rekultivierung begann mit dem Aufbringen einer zwei Meter starken Lössschicht im Trockenverfahren. Anschließend wurden die Gebiete sieben Jahre lang zwischenbewirtschaftet, bis sie bei einer 25-jährigen Gewährleistung von umgesiedelten Landwirten übernommen wurden. Diese siedelten sich, wie beispielsweise im Weiler Berrenrath, bevorzugt in Weilern von sechs bis zehn Höfen an, weil diese Siedlungsform gegenüber Einzelhöfen inmitten der Betriebsfläche vorteilhaft ist.

Folgeindustrien

Zu den Folgeindustrien der Braunkohlengewinnung werden die fünf in der Region ansässigen Kraftwerke gezählt. Kraftwerke, Heizkraftwerke und Fernheizwerke verbrauchen mit mehr als 90 Prozent den mit Abstand größten Teil der geförderten deutschen Braunkohle. Der Rest gelangt in Veredelungsanlagen, wo er zu Braunkohlenstaub für Großfeuerungsanlagen (entsprechende Fabriken in Frechen, Fortuna, Berrenrath), Briketts, Wirbelschichtkohle oder Filterkoks verarbeitet wird. Des Weiteren haben sich energieintensive Industrien wie die Aluminium- und Chromverhüttung und die chemische Industrie an Standorten im Braunkohlenrevier oder in unmittelbarer Umgebung angesiedelt.

Flächennutzungskonflikte

In Zusammenhang mit der weiträumigen Braunkohlenförderung treten häufig Flächennutzungskonflikte auf, so auch im Rheinischen Revier. Konkurrierte der Braunkohlenabbau früher vor allem mit der Forstwirtschaft, so ist es heute in erster Linie die Landwirtschaft. Für den Braunkohlenabbau spricht, dass die Braunkohle zu knapp 26 Prozent (Stand 2012) am deutschen Strommix beteiligt ist und dass von den 178 Mio. Tonnen Braunkohle, die 2014 in Deutschland gefördert wurden, immerhin rund 53 Prozent aus dem Rheinischen Braunkohlerevier stammten. Auf der anderen Seite gibt es berechtigte Einwände seitens der Landwirtschaft, die im Bereich der Jülicher Börde einschließlich des nördlichen Villehorstes auf überwiegend nährstoffreichen Lössplatten mit bis zu sieben Metern Mächtigkeit einen marktorientierten, kapitalintensiven Anbau in überdurchschnittlichen Betriebsgrößen betreibt. An diese Landwirtschaft hat sich eine Nahrungs- und Genussmittelindustrie aus beispielsweise Zucker- und Konservenfabriken angeschlossen.

Der bestehende Flächennutzungskonflikt wird durch eine Reihe von Umständen noch verschärft, etwa dadurch, dass es ein Defizit zwischen in Anspruch genommener und rekultivierter landwirtschaftlicher Nutzfläche gibt oder weil ökologisch wertvolle Gebiete wie der Hambacher Forst dem Abbau zum Opfer fallen. Der Konflikt erhält dadurch zusätzlichen Zündstoff, dass die Region von einem dichten Verkehrsnetz durchzogen und überdurchschnittlich dicht besiedelt wird, weshalb der Druck zur Erschließung neuer Wohn- und Industrie- oder Gewerbeflächen hoch ist.

Neben der Grundwasserabsenkung durch den Tagebau sind die Emissionen der fossil befeuerten Kraftwerke und der ansässigen Grundstoffindustrie Mitverursacher der Umweltbelastung. Durch Nachrüstung der Kraftwerke mit Rauchgasentschwefelungsanlagen konnte der Ausstoß von Flugasche, SO2 und NOx auf Werte unterhalb der gesetzlich festgelegten Grenzwerte reduziert werden. Ökologisch bedenklich bleiben die klimarelevanten CO2-Emissionen der Braunkohlenkraftwerke. Durch Maßnahmen zur Erhöhung des Nettowirkungsgrades versucht man, den Ausstoß zu vermindern.

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