Nordpolargebiet (Arktis) - Naturraum

Polargebiete - Polargebiete - Antarktis und Arktis
978-3-14-100870-8 | Seite 205 | Abb. 4| Maßstab 1 : 48000000

Überblick

Der Bereich um den Nordpol wird vom teilweise über 5000 Meter tiefen Nordpolarmeer, seinen Inseln und den Nordküsten Nordamerikas und Eurasiens eingenommen. Das Nordpolargebiet lässt sich in zwei Teilräume untergliedern. Die Polarzone wird von den Phänomen des Polartags bzw. der Polarnacht bestimmt und reicht bis zum nördlichen Polarkreis (66,5 Grad nördliche Breite). Die südlich anschließende arktische Zone wird durch die 10 °C-Isotherme der mittleren Julitemperatur (Baumgrenze) definiert und umfasst auch große Teile der Tundren in Eurasien und Nordamerika.

Klima und Landschaft

Die Polargebiete bilden die Zonen der hohen Breiten, in denen es auch in den Sommermonaten immer kalt oder kühl bleibt (vgl. Klimadiagramm Isfjord). Die Jahresdurchschnittstemperatur am Nordpol liegt bei -18 °C. Die vom kalten Klima bestimmten Naturphänomene und Landschaftsformen - etwa Gletscher, Permafrost, Tundren - reichen auf den umliegenden Landmassen unterschiedlich weit nach Süden.

Weite Teile der Arktis sind vergleichsweise arm an Niederschlägen (oft unter 500 mm), diese fallen hauptsächlich als Schnee. In Eisbohrkernen konnte über 100 000 Jahre altes Eis nachgewiesen werden. Aus dem temperaturabhängigen Verhältnis der Sauerstoffisotope 16O/18O lässt sich die Klimaentwicklung der letzten Jahrtausende entnehmen. Die Eismassen sind dadurch Archive der Klimageschichte.

Strömungen und Eisausdehnung

Die Meereisverhältnisse wechseln von Jahr zu Jahr. Das Meereis wird in der Regel bis zu drei Meter mächtig, als Packeis schiebt es sich bis zu 25 Meter Stärke auf. Während Packeis vergleichsweise ortsfest ist, driftet Treibeis in Form von Schollen oder geschlossenen Feldern frei auf den Meeren. (Zu den Begriffen Packeis und Treibeis siehe auch den Kommentar zur Karte 202.1 in diesem Handbuch.)

Eine Wärmeanomalie entsteht durch den warmen Golfstrom. Während die mittlere Temperatur auf Höhe des 70. Breitenkreises bei -10,7 °C liegt, werden an der Westküste Norwegens +2,9 °C gemessen. Durch den Golfstrom wird das Packeis im September bis nördlich von Spitzbergen abgedrängt. Die kalte Gegenströmung des Labradorstroms trägt dagegen Treibeis weit nach Süden bis auf Höhe des 40. Breitengrads, wo Eisberge die transatlantische Schifffahrt gefährden können.

Die Ostküste Grönlands bleibt im Sommer meist von Treibeis umschlossen, die Nordostküste sogar von Packeis. Im Inneren Grönlands türmt sich das Gletschereis zu einem über 3000 Meter hohen Plateau. Die Westküste, an der die größten Siedlungen liegen, ist bis nördlich von Thule im Sommer meist eisfrei. Ein Strömungswirbel in der Beaufortsee vor der Küste Alaskas hält die Packeisbedeckung ganzjährig in driftender Bewegung. Hier wie vor der Nordküste Sibiriens öffnen sich schmale Polynyas (Bereiche offenen Wassers im Meereis) und geben die Nordost- und die Nordwestpassage frei. Infolge der globalen Klimaerwärmung ist die Meereisausdehnung stark zurückgegangen (s. 204.2).

Vegetation, Dauerfrostboden und wirtschaftliche Nutzung

Die Vegetationsperiode der Tundra ist zu kurz und zu kühl für den Baumwuchs. Der Dauerfrostboden reicht im Süden bis in die Gebiete der Nadelwälder. An Land bildet sich über dem Permafrost im Sommer nur wenige Dezimeter mächtige Auftauschicht. Sie bestimmt die geomorphologischen Prozesse und Formen (zum Beispiel Frostmusterböden), beeinflusst aber auch die wirtschaftliche Nutzung, denn alle Bauten und Anlagen - gleich ob Gebäude, Straßen oder Rohrleitungen (zum Beispiel für Erdgas und Erdöl) - müssen besonders gesichert werden.

Das Nordpolargebiet ist reich an Bodenschätzen, besonders in den Formationen der alten Schildstrukturen (Metallerze) und der geologisch jungen Sedimentationsbereiche (Erdöl, Erdgas). Industriell bedeutsame Rohstoffe wie Steinkohle, Erdöl, Erdgas sowie Eisen-, Buntmetall- und Edelmetallerze werden in zunehmendem Maße abgebaut. Umweltschützer kritisieren dies, denn in den hochsensiblen Ökosystemen ist das Risiko von Umwelt- und Landschaftsschäden besonders hoch. Eine bislang noch nicht absehbare Gefahr ist die radioaktive Verseuchung von Nowaja Semlja infolge sowjetischer Kernwaffentests (1955-1990). Hier wurden radioaktiver Müll in großen Mengen im Meer verklappt (mehrere Atomreaktoren, ein Atom-U-Boot, zahlreiche Container).

Von den rund vier Millionen Menschen, die dauerhaft nördlich des 60. Breitengrades leben, sind rund ein Fünftel Nachfahren der Ureinwohner dieses Lebensraums, darunter Inuit, Jakuten, Samen, Angehörige der First Nations oder der Alaska Natives.

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