Nordpolargebiet (Arktis)

Erde - Erde - Polargebiete
978-3-14-100770-1 | Seite 42 | Abb. 1| Maßstab 1 : 48000000

Informationen

Der Bereich um den Nordpol wird von dem 14,3 Mio. Quadratkilometer großen und teilweise über 5000 Meter tiefen Meeresbecken des Nordpolarmeeres, seinen vielgestaltigen Inseln und den Nordküsten Nordamerikas und Eurasiens eingenommen. Aufgrund der Beleuchtungsverhältnisse und des Phänomens des Polartages bzw. der Polarnacht reicht die Polarzone im Norden und Süden bis zu den Polarkreisen. Die daran anschließende arktische Zone umfasst auch Waldgebiete Nordskandinaviens, schließt aber andererseits das vom Inlandeis bedeckte südliche Grönland aus. Auf der Nordhalbkugel wird auch die Baumgrenze (10°C-Juli-Isotherme) zur Abgrenzung herangezogen. Die Verteilung der Bodenschätze und der großen Siedlungen zeigt die wirtschaftliche Bedeutung und die Grenze der Anökumene.

Klima und Landschaft
Die Polargebiete bilden die Zonen der hohen Breiten, in denen es im Sinne unserer Mittelbreiten nie Sommer wird. Die wechselnden Strahlungsverhältnisse bilden Lichtjahreszeiten. Kalt oder kühl bleibt es auch in den Sommermonaten. Am Nordpol herrscht eine Jahresdurchschnittstemperatur von minus 18 °C. Die vom kalten Klima geprägten charakteristischen Bedingungen und Landschaftszüge der Polargebiete – etwa Gletscher, die bis zum Meeresniveau vorstoßen, Meereis, dauernd gefrorener Untergrund (Permafrost), Tundra, Frostschutt und Eiswüste – reichen unterschiedlich weit auf den umschließenden Kontinenten nach Süden. Eis türmt sich im grönländischen Inland zu einem bis über 3000 Meter hohen Plateauhochgebirge auf und reicht stellenweise bis unter den Meeresspiegel.
Trotzdem hat die Arktis in weiten Teilen nur geringe jährliche Niederschläge, oft unter 500 mm, die hauptsächlich als Schnee fallen. Dieser bleibt über lange Zeit erhalten. An einem Bohrkern aus Camp Century auf dem Inlandeis in Nordwestgrönland konnte mehr als 100 000 Jahre altes Eis nachgewiesen werden. Aus dem temperaturabhängigen Verhältnis der Sauerstoffisotopen O16/O18 im Eisbohrkern lässt sich die Klimaentwicklung errechnen. Dadurch sind die großen Eismassen der Polargebiete gleichsam "Archive" für langfristige Klimaentwicklungen auf der Erde.

Strömungen und Eisausdehnung
Durch die breite Pforte des Nordatlantiks bringt der Golfstrom als warme Meeresströmung eine Wärmeanomalie weit nach Norden. Während die mittleren Temperaturen auf Höhe des 70. Breitenkreises bei –10,7 °C liegen, herrschen in vergleichbarer Breitenlage an der norwegischen Westküste bei Tromsö Jahresdurchschnittstemperaturen von +2,9 °C. Die Meereisgrenzen werden dadurch jahreszeitlich bis nördlich von Spitzbergen gedrängt. Die kalte Gegenströmung des Ostgrönlandstroms bringt das Treibeis mit einer Maximalausdehnung von 11 bis 15 Mio. Quadratkilometern weit nach Süden bis 40° Nord, wo Eisberge die Schifffahrtslinien zwischen Europa und Nordamerika gefährden können.
Die Ostküste Grönlands bleibt auch im Sommer meist von Treibeis umschlossen. An der westgrönländischen Küste, wo die größten Siedlungen der Grönländer liegen, werden die Küstengewässer und die meisten Fjorde bis nördlich von Thule eisfrei. Ein Strömungswirbel in der Beaufortsee vor der Küste der Mackenzie-Mündung und Alaskas hält die ganzjährige Packeisbedeckung in driftender Bewegung. Hier wie vor der Nordküste Sibiriens öffnen sich schmale Polynyas (Bereiche offenen Wassers im Meereis) und geben die Nordostpassage zu den sibirischen Häfen und die Nordwestpassage durch das Inselgewirr der kanadischen Arktis frei. Die Meereisverhältnisse wechseln stark von Jahr zu Jahr. Das Meereis wird normalerweise bis zu drei Meter mächtig und schiebt sich als Packeis nur stellenweise bis zu 25 Meter Stärke zusammen. Mit starken Eisbrechern und U-Booten kann man bis zum Nordpol fahren. Die wechselnden Meereisbedingungen der Arktis werden heute durch Wettersatelliten registriert. Infolge der globalen Klimaerwärmung ist die minimale Meereisausdehnung im September 2007 auf 4,13 Mio. Quadratkilometer gesunken, womit sie das bisherige Rekordminimum aus dem Jahr 2005 unterschritt. Dabei handelt es sich nicht um ein einzelnes Extremjahr, sondern um einen langfristigen Trend.

Vegetation und Bodennutzung
Die Vegetationsperiode der Tundra ist bei Durchschnittstemperaturen von unter 10 °C im wärmsten Monat zu kurz und zu kühl für Baumwuchs. In kontinentalen Bereichen, etwa in Nordwestkanada und Sibirien, wird die Baumgrenze bereits bei der 12°C-Juli-Isotherme erreicht. Der geschlossene und inselartige Permafrost reicht bis weit nach Süden in die Gebiete der Nadelwälder. An den Küsten der Beaufortsee und Sibiriens erstreckt sich der Dauerfrostboden im Bereich der nacheiszeitlichen Überflutungen (Anstieg um etwa 100 Meter) im Schelfbereich bis unter das Meer, und das ist für die Offshore-Exploration nach Erdgas und Erdöl von Bedeutung. Über dem Permafrost bildet sich jährlich eine flache, meist nur wenige Dezimeter mächtige Auftauschicht, die für die geomorphologischen Prozesse und Formen (Frostmusterböden) sowie im Hinblick auf die auftretenden Landschaftsschäden bei jeglicher Nutzung bedeutsam ist. Aus diesem Grund müssen alle Bauten und Anlagen, gleich ob Gebäude, Straßen oder Rohrleitungen, besonders gesichert werden.
Bodenschätze sind in subpolarer Lage sowohl auf den Kontinenten als auch im Bereich der alten Schildstrukturen und der geologisch jungen Sedimenttiefländer besonders reich vorhanden. Deshalb werden viele industriell bedeutsame Rohstoffe wie Kohle, Erdöl, Erdgas, Erze und Edelmetalle wie Gold und Platin in zunehmenden Mengen unter den schwierigen polaren bis subpolaren Bedingungen abgebaut.
Heute leben mehr als 4 Mio. Menschen dauerhaft nördlich des 60. Breitengrades in der Arktis. Man schätzt, dass etwa 830 000 von ihnen Nachfahren der Ureinwohner dieses Lebensraums sind, etwa der Inuit, der Jakuten, Samen und zahlreicher anderer Volksgruppen in Nordostsibirien.
V. Hochschild

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