Nordostbrasilien - El-Niño-Jahr

Amerika - Südamerika - Klima
978-3-14-100800-5 | Seite 234 | Abb. 4| Maßstab 1 : 50000000

Überblick

Der Nordosten Brasiliens wird immer wieder von extremen Dürreperioden heimgesucht, die sich negativ auf die Ernteerträge dieser landwirtschaftlich geprägten Region auswirken. Ursache der episodisch auftretenden Dürrejahre sind Veränderungen der atmosphärischen Zirkulation, die unter dem Begriff El Niño zusammengefasst werden. Dabei handelt es sich ursprünglich um Veränderungen der Meerestemperaturen vor der Küste Ecuadors und Perus, die jedoch auch Fernwirkungen (Telekonnektionen) auf andere, weit entfernte Räume ausüben können.

Das El Niño-Phänomen in Südamerika

Auslöser für El Niño sind Veränderungen der Luftdruckverteilung über dem Südpazifik und Australien, die als Southern Oscillation bezeichnet werden. Zumeist ist über dem nordaustralischen Raum ein markantes Tiefdruckgebiet ausgebildet. Diesem steht ein starkes Hoch über dem Südostpazifik gegenüber (s. 205.2). Die mit den großen Luftdruckgegensätzen verbundenen Ausgleichsströmungen, die Südostpassate, wirken verstärkend auf den Humboldtstrom, der warme äquatoriale Wassermassen im Zentralpazifik aufstaut. Schwächen sich nun die Luftdruckgegensätze zwischen dem Australischen Tief und dem Südostpazifischen Hoch und damit auch der Humboldtstrom ab, wie dies vor allem um Weihnachten (El Niño: „Christkind“) zu beobachten ist, so strömen die warmen Wassermassen mit dem äquatorialen Gegenstrom vor die Küste Ecuadors und Perus. Das ansonsten vorherrschende Aufquellen des kalten, nährstoffreichen Tiefenwassers des Humboldtstromes wird unterbunden. Stattdessen verlagert sich die Innertropische Konvergenzzone (ITCZ), in deren Bereich die Passate zusammenfließen, durch die nun höheren Oberflächentemperaturen des Pazifiks nach Süden. Die Folge sind verstärkte konvektive Niederschläge in Ecuador und Peru.

Durch die warmen Wassermassen vor der Küste Ecuadors und Perus verstärkt sich der Energiegegensatz zwischen Äquator und Pol. Daraus resultiert eine Verstärkung des Südatlantischen Hochs, was wiederum die Südverlagerung der ITCZ über Südamerika blockiert. Der Nordosten Brasiliens gelangt dadurch im Südsommer nicht mehr in den Einflussbereich der maximalen innertropischen Konvektion und der damit verbundenen starken Regenfälle.

Die daraus resultierende Niederschlagsarmut in El Niño-Jahren wird durch eine Reihe weiterer Witterungsanomalien verstärkt. Mit dem südatlantischen Hoch wird auch der kalte Benguelastrom angeregt, der die Wassertemperaturen im zentralen Atlantik nach einiger Zeit absinken lässt. Die Kaltwasserwelle erreicht schließlich von Osten her auch die Küste Nordostbrasiliens. Dort wird mit der Abkühlung der Wassermassen die Meeresverdunstung reduziert und den zur Küste strömenden Passatwinden weniger Wasserdampf zugeführt. Zugleich wird durch die negative Abweichung der Wassertemperaturen die Passatinversion abgesenkt und somit die Bildung hoher Konvektionswolken verhindert. Dadurch kommt es zusätzlich zu einer Abschwächung der Niederschläge, die normalerweise durch die auflandigen Passatwinde verursacht werden.

Durch die Verstärkung des Südatlantischen Hochs ist das nordatlantische Hochdruckgebiet meist abgeschwächt. Dadurch schwächt sich auch die Meeresströmung des kalten Kanarenstroms ab – die Oberflächentemperaturen des Meeres im nördlichen Atlantik steigen an. Diese Anomalie ist ein weiteres Element im System des globalen Zusammenwirkens von Witterungserscheinungen. Sie führt zu einer stärkeren Konvektion von Luftmassen über dem Nordatlantik im Bereich von fünf bis zehn Grad nördlicher Breite. Über Nordostbrasilien steigen die Luftmassen hingegen ab, wobei die hohe Oberflächenalbedo der trockenen Landflächen die relativen Absinkbewegungen der Luft fördert.

Der verstärkende Einfluss der Walker-Zirkulation

Hinzu kommt eine Querzirkulation über dem südamerikanischen Kontinent, die auch als Walker-Zirkulation bezeichnet wird. Bedingt durch die Südverlagerung der ITCZ, die auf die positiven Temperaturanomalien des Meerwassers vor der Küste Ecuadors und Perus zurückgeht, kommt es zum Aufstieg feuchtwarmer Luftmassen über dem Amazonasbecken. Diese vertikalen Luftbewegungen werden durch die hohe Sonneinstrahlung im Bereich der hoch gelegenen Heizflächen des bolivianischen Altiplanos ebenso verstärkt wie durch die infolge der hohen Transpirationsleistungen des Amazonasregenwaldes in der Luft gespeicherte latente Wärme, welche bei der Kondensation infolge des Aufstiegs frei wird. Entsprechend verstärkt sich auch der absteigende Ast dieses Zirkulationssystems über Nordostbrasilien. Damit gibt es dort zwei absteigende Äste verschiedener Luftzirkulationen, von denen eine von Norden her aus dem Nordatlantik und die andere von Westen aus dem Gebiet des Amazonasregenwaldes und seiner westlichen Vorländer kommt. Dies verschärft die Dürre in der Region, da absteigende Luft zu einer Erwärmung und einer entsprechenden Wolkenauflösung führen. Auch die südlichen Hochdruckgebiete werden dadurch zunächst noch bekräftigt.

Das verstärkte Südatlantische Hoch bleibt durch die Walker-Zirkulation über Südamerika auch dann noch über eine gewisse Zeit erhalten, wenn sich die Zirkulationsanomalien über dem Südpazifik wieder normalisieren. Es lenkt auch die von Süden kommenden ektropischen Störungen mit ihren Kalt- und Warmfronten, die sonst mit ihren Niederschlägen teilweise bis nach Nordostbrasilien vordringen, in das Innere des Kontinents ab.

In der Summe werden durch das El Niño-Phänomen in Nordostbrasilien also nicht nur die tropischen, an die Zone maximaler innertropischer Konvergenz gebundenen Niederschläge gemindert, sondern auch die Passatniederschläge und die ektropischen Frontalniederschläge. Darüber hinaus kommt es zu einer Reduktion der häufig im Winter auftretenden Konfluenzniederschläge von auflandigen Passaten und nächtlichen Landwinden. Ursache hierfür ist eine Abschwächung des Landwindes infolge der kühleren Wassertemperaturen des Südatlantiks vor der Küste Nordostbrasiliens.

Durch das Anwachsen der Luftdruckgegensätze zwischen dem Südostpazifischen Hoch und dem Tief über Australien und der damit verbundenen Verstärkung des Humboldtstromes, neigt sich das El-Niño-Phänomen schließlich dem Ende zu, und damit, allerdings erst mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung, auch die Dürre im Nordosten Brasiliens.

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