Niederrheinische Bucht - Rheinischer Braunkohletagebau

Deutschland - Deutschland - Rheinisches Braunkohlenrevier
978-3-14-100803-6 | Seite 67 | Abb. 5| Maßstab 1 : 250000

Überblick

Infolge des Braunkohlenabbaus gab es in der Niederrheinischen Bucht erhebliche landschaftliche Veränderungen. Verursacht wurden sie erstens durch die Vorbereitungen zum Abbau, zweitens durch den Abbau selbst und drittens durch Maßnahmen zur Rekultivierung.

Beginn des Abbaus

Der erste vorbereitende Schritt für den großflächigen Braunkohlenabbau in der Niederrheinischen Bucht war die Festlegung des künftigen Abbaugebiets durch den Braunkohlenplan, der1979 vom Braunkohlenausschuss erstellt und genehmigt wurde. Für den Abbau waren eine restlose Entwässerung der hängenden Schichten und des Kohleflözes selbst sowie eine Entspannung des Druckwassers im Liegenden notwendig (vgl. 67.2, 67.4). Diesem Zweck diente der Bau von Brunnengalerien wie in Garzweiler I und Hambach I.

Aufgrund des großräumigen Abbaus mussten überdies zahlreiche Dörfer, Weiler und Einzelhöfe umgesiedelt werden. Bis auf wenige Ausnahmen wie Habbelrath, Grefrath und Berrenrath haben sich die betroffenen Siedlungen auf Wunsch der Bewohner und entsprechend der Landesplanung zentralen Orten angeschlossen; auf diese Weise wurde beispielsweise Garzweiler ein Ortsteil von Jüchen. Außerdem war die Verlegung von Verkehrswegen notwendig. Betroffen davon waren unter anderem mehrere Straßen östlich der Erft und der Autobahnabschnitt zwischen Köln und Düren.

Das Beispiel Tagebau Hambach

Der Tagebau Hambach liegt zwischen Jülich und Bergheim im Zentrum des rheinischen Braunkohlenreviers. Der Abbau begann 1978, inzwischen ist das Abbaufeld rund 370 Meter tief; darunter lagern noch weitere 2,5 Mrd. Tonnen Braunkohle. Ende 2013 hatte der Tagebau Hambach eine Betriebsfläche von rund 4000 Hektar, knapp 1500 Hektar waren bereits wieder rekultiviert (1442 ha forstwirtschaftlich, 14 ha landwirtschaftlich).

Pro Jahr werden im Tagebau Hambach rund 40 Mio. Tonnen Braunkohle gefördert. Mit der Hambachbahn gelangt sie zu den Kraftwerken in Niederaußem, Frimmersdorf und Neurath; aufgrund der Ausweitung des Abbaugebiets musste die Bahntrasse 2012 nach Süden verlegt werden.

Rekultivierung der Landschaft

Exemplarisch für die Rekultivierung der durch den Tagebau erheblich zerstörten Landschaft sind die Maßnahmen im Südrevier, wo der Abbau nach der Auskohlung des Tagebaus Ville bereits 1988 eingestellt wurde. Hier finden sich sämtliche Folgenutzungsarten auf engem Raum. Zur forstwirtschaftlichen Rekultivierung wurden höherwertige heimische Hölzer wie Buche, Eiche oder Nadelhölzer gepflanzt. Die meisten verbliebenen Restlöcher wurden zu Wasserflächen; 16 dieser Seen sind allein südlich der Autobahn von Köln nach Düren zu erkennen. Das Naturschutzgebiet Villeseen ist heute Teil des Naturparks Rheinland. Andere Tagebaurestlöcher wurden zu Kippflächen oder Deponien für Abfälle und Kraftwerksasche.

Die landwirtschaftliche Rekultivierung begann mit dem Aufbringen einer zwei Meter starken Lössschicht. Anschließend wurden die Gebiete sieben Jahre lang zwischenbewirtschaftet, bis sie bei einer 25-jährigen Gewährleistung von umgesiedelten Landwirten übernommen wurden. Diese siedelten sich, wie beispielsweise im Weiler Berrenrath, bevorzugt in Gruppen von sechs bis zehn Höfen (Weilern) an.

Folgeindustrien

Zu den Folgeindustrien der Braunkohlengewinnung werden die fünf in der Region ansässigen Kraftwerke gezählt. Mehr als 90 Prozent der geförderten deutschen Braunkohle dienten 2012 der Strom- und Fernwärmeerzeugung, ein kleinerer Teil gelangt in Veredelungsbetriebe, wo er zu Braunkohlenstaub für Großfeuerungsanlagen (entsprechende Fabriken in Frechen, Fortuna, Berrenrath), zu Briketts, Wirbelschichtkohle oder Filterkoks verarbeitet wird. Des Weiteren haben sich energieintensive Industrien wie die Aluminium- und Chromverhüttung und die chemische Industrie an Standorten im Braunkohlenrevier oder in unmittelbarer Umgebung angesiedelt.

Flächennutzungskonflikte

In Zusammenhang mit der weiträumigen Braunkohlenförderung treten oft Flächennutzungskonflikte auf. Konkurrierte der Braunkohlenabbau früher vor allem mit der Forstwirtschaft, so ist es heute in erster Linie die Landwirtschaft. Für den Braunkohlenabbau spricht, dass die Braunkohle zu rund 26 Prozent am deutschen Strommix beteiligt ist (Stand 2012) und dass von den rund 185 Mio. Tonnen Braunkohle, die 2012 in Deutschland gefördert wurden, 101,7 Mio. Tonnen aus dem Rheinischen Braunkohlerevier stammten. Auf der anderen Seite gibt es berechtigte Einwände seitens der Landwirtschaft, die im Bereich der Jülicher Börde einschließlich des nördlichen Villehorstes auf überwiegend nährstoffreichen Lössplatten mit bis zu sieben Metern Mächtigkeit einen marktorientierten, kapitalintensiven Anbau in überdurchschnittlichen Betriebsgrößen betreibt. An diese Landwirtschaft hat sich eine verarbeitende Nahrungsmittelindustrie angeschlossen (vgl. 57.3).

Der Konflikt erhält dadurch zusätzlichen Zündstoff, dass die Region von einem dichten Verkehrsnetz durchzogen und überdurchschnittlich dicht besiedelt wird (vgl. 82.1), weshalb der Druck zur Erschließung neuer Wohn- und Industrie- oder Gewerbeflächen hoch ist.

Ein weiteres Problem sind neben der Grundwasserabsenkung durch den Tagebau (vgl. 67.2, 67.4) auch die Emissionen der fossil befeuerten Kraftwerke und der ansässigen Grundstoffindustrie, die Mitverursacher von Umweltbelastungen sind.

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