Naher Osten, Nördliches Afrika (Orient) - Wirtschaft

Asien - Wirtschaft
978-3-14-100870-8 | Seite 178 | Abb. 1| Maßstab 1 : 18000000

Überblick

Die Wirtschaft der Länder des Nahen Ostens, die stark in die globalisierte Wirtschaft eingebunden sind, wird in überragendem Maße durch die Erdöl- und Erdgasförderung und die Verarbeitung von Erdöl geprägt. Eine solche Konzentration innerhalb eines Subkontinentes ist weltweit ohnegleichen. Allerdings greifen in zunehmendem Maße Bemühungen zur Diversifizierung der Wirtschaftsstruktur durch gezielte Investitionen in Industrien und den Dienstleitungssektor. Auch im nördlichen Afrika beruht die Ökonomie wesentlich auf der Ausbeutung von Rohstoffen, insbesondere von Erdöl und Erdgas, daneben gibt es eine in unmittelbarer Küstennähe bedeutende Landwirtschaft. Die Industrie ist nur punktuell entwickelt; hinsichtlich der Branchenstruktur dominieren Industrien, die eine regionale Rohstoffbasis haben. Der Dienstleistungsbereich ist auf die großen Städte an der Mittelmeerküste konzentriert, sein Zentrum ist Kairo.

Landwirtschaft in Nordafrika

Die landwirtschaftliche Nutzung lässt die Großgliederung des Raumes in den mediterranen Saum, die Atlasketten, die Sahara, die Sahelzone, die Sudanzone und die Regenwaldgebiete am Golf von Guinea erkennen. Weizenanbau, Weinbau, Obst- und Olivenkulturen dominieren in den Ebenen des humiden bis semiariden Nordafrikas. Die Gebirge tragen noch Reste mediterraner Wälder, die Hochflächen und mittleren Lagen sind einbezogen in die extensive Weidewirtschaft.

In Libyen ist landwirtschaftlicher Anbau nur auf kleinen Teilen der Landesfläche möglich, die zu rund 85 Prozent aus Wüste besteht. Die wichtigsten Anbaufrüchte sind Weizen und Gerste, Gemüse (vor allem Tomaten), Obst und Oliven. Da es in Libyen keinen einzigen Fluss gibt, der das ganze Jahr über Wasser führt, könnte das Land unter natürlichen Umständen kaum ausreichend Lebensmittel produzieren, um die Bevölkerung zu versorgen. Um die Anbauflächen zu vergrößern, wird im Rahmen des Bewässerungsprojekts "Großer künstlicher Fluss" (Great-Man-Made-River-Projekt) seit Mitte der 1980er-Jahre fossiles Grundwasser durch Rohrleitungen aus den südlichen Landesteilen in die Küstenregionen geleitet.

In der Sahara und in ihren Randgebieten existiert trotz weitgehender Sesshaftigkeit der Bevölkerung noch eine halbnomadische Weidewirtschaft. Die Wandergebiete reichen bis in die mediterranen Steppen bzw. in die Sahel-Sudan-Zone Westafrikas. Während in Nordafrika die wirtschaftliche Bedeutung der Wanderweidewirtschaft gering ist, besitzt sie in Westafrika noch immer einen erheblichen Stellenwert.

Die wichtigsten Standorte für die agrarische Nutzung der Wüsten sind Oasen. Das prognostizierte "Oasensterben" ist nicht eingetreten, vielmehr hat der Zwang zur Steigerung der Nahrungsmittelproduktion bei Datteln, Getreide und Gemüse in allen Ländern der Sahara zu einem Ausbau der Oasenwirtschaft geführt. Allerdings gingen durch Versalzung und Versandung auch Anbauflächen verloren, weshalb die Nahrungsmittelversorgung der Länder Nordafrikas angesichts ihres starken Bevölkerungswachstums prekär bleibt.

Gleiches trifft für die Länder der Sahelzone zu. In dieser Kontaktzone der Lebensräume von Halbnomaden und Ackerbauern besteht ein erhebliches ökologisches Risiko durch Niederschlagsschwankungen und episodische Dürren. Flächenmäßig dominiert in der Zone der Dornstrauchsavannen die halbnomadische Weidewirtschaft. Die steigenden Zahlen an Rindern, Ziegen und Schafen, ein Resultat des Bevölkerungswachstums und des steigenden Fleischbedarfs in den Städten, ist eine der Ursachen für die fortschreitende Desertifikation. Eine andere ist die Ausdehnung des Ackerbaus in regenreichen Jahren bis weit über die agronomische Trockengrenze hinaus. Auch die Abholzung der Baum- und Buschbestände zur Brennholzgewinnung leistet der Wüstenbildung Vorschub.

Die Situation hinsichtlich Nahrungsmittelversorgung und Exportproduktion stellt sich in den Küstenstaaten Afrikas, die über Anteile an der Feuchtsavanne oder am tropischen Regenwald verfügen, meist etwas günstiger dar. Hier dominieren Mais, Yams, Maniok, Kochbanane und Reis als Nahrungsmittel. Als ölliefernde Pflanzen stehen der Schibutterbaum (Karite) und die Ölpalme zur Verfügung. Baumwolle bzw. Kaffee, Kakao und Palmöl sind wichtige Exportprodukte, seit einiger Zeit werden sie auch (wieder) durch Kautschuk ergänzt. In Westafrika bedeckt der tropische Regenwald nur noch in Liberia große Flächen.

Bergbau, Industrie und Energie

Die Netze der Erdöl- und Erdgasleitungen in Nordafrika, Sudan und Nigeria sowie die zahlreichen Symbole für Lagerstätten, Erdölraffinerien und Standorte der chemischen Industrie lassen die erstrangige Bedeutung dieser Wirtschaftszweige für die Volkswirtschaft erahnen. Die Staaten Algerien und Libyen gehören mit Nigeria, dem größten Erdöllieferanten Afrikas, und Angola zur "Organisation der erdölexportierenden Länder" (OPEC). Diese Staaten haben bereits eine volkswirtschaftlich bedeutende Industrialisierung von der Grundstoff- bis zur Konsumgüterindustrie erreicht.

Im ressourcenreichen Marokko, das über zwei Drittel der bekannten Weltreserven an Phosphaten verfügt, hat die Indus-trialisierung mit der Phosphaterzeugung begonnen. Zu den Bodenschätzen des Landes zählen außerdem Steinkohle, Erdöl und Erdgas sowie Blei-, Kupfer- und Eisenerze. Wichtige Industriezweige sind die Metallverarbeitung, die Chemische Industrie sowie die Nahrungsmittel- und Textilindustrie. Für den Export von Agrarprodukten werden Zitrusfrüchte, diverse Gemüsesorten (zunehmend auch in Treibhauskulturen auf künstlichen Substraten), Wein und Korkeichen angebaut. Ein weiterer wichtiger Wirtschaftszweig ist der Tourismus, der etwa ein Drittel der Devisenerlöse erbringt, während er anderswo, etwa in Tunesien oder Ägypten, stark unter politischen Krisen bzw. Bürgerkriegen gelitten hat. Zunehmende Bedeutung hat der Dienstleistungsbereich. Überdies ist Marokko bestrebt, seine geographischen Standortvorteile zu nutzen und sich durch Schaffung einer entsprechenden Infrastruktur - Ausbau des Straßennetzes, Bau des Tiefseehafens bei Tanger (2008) - als logistische Drehscheibe für den Handel zwischen Europa und Afrika zu etablieren.

Ein strategisches Ziel der nordafrikanischen Länder ist die Verringerung der Abhängigkeit von Energieimporten. Im Rahmen des Projekts "Desertec" wurden und werden in Tunesien, Algerien und Marokko Windparks, Solaranlagen und Stromtrassen geplant und gebaut, um langfristig den eigenen Energiebedarf zu decken und um Europa bis Mitte des Jahrhunderts in erheblichem Umfang mit exportiertem Wüstenstrom aus erneuerbaren Energien zu versorgen. Die Umsetzung ist aber bislang über Referenzprojekte nicht hinausgekommen, die Zukunft des Projekts ist noch offen.

Die Wirtschaft im Nahen Osten

Innerhalb des Nahen Ostens dominieren zwei große Wirtschaftsräume. Die Wirtschaftsstruktur der Anrainerstaaten des Mittelmeeres ist relativ vielfältig. Im und um den Persischen Golf liegen dagegen die Schwerpunkte eindeutig bei der Erdölförderung, an die Raffinerien und die petrochemische Industrie anknüpfen. Hinzu kommen die Gasförderung und einige Standorte energieintensiver Industrien wie der Metallverhüttung. Diese Branchenstruktur wird zunehmend ergänzt durch Dienstleistungen.

Die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) mit der Hauptstadt Abu Dhabi zählen dank ihrer großen Erdöl- und Erdgasvorkommen zu den reichsten Ländern der Erde. Um ihre Wirtschaft perspektivisch von Öl-Einnahmen unabhängiger zu machen, bemühen sich die Emirate seit Jahren um eine wirtschaftliche Diversifizierung. Schlüsselsektoren im Dienstleistungsbereich sind Logistik, Handel, Messen und Finanzdienstleistungen; zu einem Dienstleistungszentrum von internationalem Rang hat sich Dubai entwickelt. Daneben werden energie- und kapitalintensive Industriezweige wie die Stahl-, Aluminium- und Petrochemie und die Hochtechnologie gefördert, insbesondere die Mikrochip-Produktion und erneuerbare Energien. Große Bedeutung hat auch die Luftfahrt, die inzwischen für fast ein Fünftel der Wirtschaftsleistung in den VAE verantwortlich ist. Zudem haben sich Dubai und Abu Dhabi dank ihrer geographischen Lage und günstiger Strukturvoraussetzungen zu Drehkreuzen des internationalen Luftverkehrs entwickelt. Eine weitere Wachstumsbranche ist der Tourismus, dessen Einnahmen sich seit dem Jahr 2000 mehr als verzehnfacht haben.

Verglichen damit wird die Wirtschaft Saudi-Arabiens, der größten Volkswirtschaft im arabischen Raum, stark durch den staatlichen Öl- und Petrochemiesektor dominiert, der rund 90 Prozent der Exporteinnahmen erbringt. Von wachsender Bedeutung ist der Dienstleistungssektor, dabei insbesondere die Tourismusbranche, die vom Pilgerreiseverkehr profitiert, da die beiden wichtigsten heiligen Städte des Islam, Mekka und Medina, in Saudi-Arabien liegen. Das benachbarte Jemen ist dagegen als eines der ärmsten Länder der Erde auf humanitäre Hilfe angewiesen und gegenwärtig Schauplatz eines Bürgerkriegs. Die nur punktuell entwickelte Wirtschaft ist infolge innenpolitischer Kämpfe annähernd kollabiert.

Die Wirtschaftsstruktur der Küstenräume am Mittelmeer ist vielfältiger. Israel ist hier die leistungsstärkste Volkswirtschaft, deren Palette von einer exportorientierten Bewässerungslandwirtschaft (s. Karte 176.2) über die Chemische und Hightech-Industrie bis hin zum Tourismus reicht. Küstenorte, die über Pipelines mit den Erdölfördergebieten in Mittelasien, dem Irak und dem Persischen Golf verbunden sind, sind in dieser Region bevorzugte Standorte von Raffinerien und der Chemischen Industrie.

Die bergbauliche Nutzung des Kuhrudgebirges und die zahlreichen Standorte der Textilindustrie machen die Randlagen der großen Becken im Landesinneren des Iran zu einem bedeutenden Wirtschaftsraum. Zu den wichtigsten Bereichen der iranischen Wirtschaft, die überwiegend in den Händen des Staates und religiöser Institutionen liegt, zählen die Öl- und Gasindustrie, die petrochemische Industrie, die Kfz- und Metallindustrie sowie die Landwirtschaft.

Die wirtschaftliche Basis des Irak ist der große Reichtum an fossilen Brennstoffen. Weil sich die Exporterlöse zu etwa 99 Prozent aus dem Ölgeschäft speisen, ist das Land stark abhängig von den schwankenden Weltmarktpreisen. Wie in anderen Staaten der Region wird die wirtschaftliche Entwicklung durch innenpolitische Auseinandersetzungen, den langjährigen Bürgerkrieg in Syrien und den militärischen Vorstoß der militanten Islamisten vom "Islamischen Staat" (ISIS) massiv beeinträchtigt.

Wirtschaftliche Schwerpunkte der Türkei sind die Städte Istanbul, Ankara, Izmir und Adana. Die Bedeutung des Dienstleistungssektors ist in den letzten Jahren gestiegen, inzwischen hat er den deutlich größten Anteil am BIP; zwei wichtige Zentren von internationaler Bedeutung sind Istanbul und Ankara. Der industrielle Schwerpunkt liegt im Westen des Landes mit seiner Textil-, Fahrzeug-, Maschinen-, Elektro- und Chemischen Industrie. Im infrastrukturell vergleichsweise gering entwickelten Südosten wurden seit Mitte der 1980er-Jahre Entwicklungsanstrengungen unternommen (Südanatolien-Projekt), in deren Verlauf unter anderem Staudämme, Kraftwerke, Bewässerungsanlagen und Straßen entstanden, was das West-Ost-Gefälle aber nur wenig verringerte. Etwa ein Drittel der Erwerbstätigen des Landes arbeitet in der Landwirtschaft.

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