Moskau - Machtzentrum Russlands

Europa - Russland
978-3-14-100870-8 | Seite 148 | Abb. 2| Maßstab 1 : 40000

Überblick

Moskau ist mit fast 12,0 Mio. Einwohnern und einer Bevölkerung von 16,7 Mio. Menschen im Ballungsraum sowohl größte Stadt als auch größte Agglomeration Europas. Die Karte zeigt die Hauptstadt der Russischen Föderation bis zum dritten Verkehrsring. Ihre radial-ringförmige Grundstruktur steht in enger Beziehung zur Stadtentwicklung. So können das 28 Hektar große Areal des Ende des 15. Jahrhunderts ummauerten Kreml sowie die Ringstraßen einschließlich der späteren Erweiterungen als "Jahresringe" Moskaus angesehen werden.

Stadtentwicklung bis 1991

Der älteste ausführliche Bericht über Moskau stammt aus dem 16. Jahrhundert. Er charakterisiert die Stadt als "Russlands Haupt und Mitte". Diese Mittellage spiegelt sich bis heute in den sternförmig auf den Kreml zulaufenden Radialstraßen. Sie sind weit älter als die frühneuzeitlichen Ringstraßen, und sie verhelfen zum Verständnis des raschen Wachstums der 1147 erstmals schriftlich erwähnten Siedlung. Diese Straßen führten bereits im Mittelalter in alle Himmelsrichtungen und damit in Regionen unterschiedlicher naturräumlicher Ausstattung und wirtschaftlicher Ausrichtung, die ganz unterschiedliche Entwicklungsniveaus aufwiesen. Die wirtschaftlichen und kriegerischen Aktivitäten im Umland spielten sich zu einem nicht geringen Teil auf diesen Straßen ab und beeinflussten das Schicksal der Stadt.

Der Arbat war die Haupthandelsstraße nach Westen; über Smolensk führte nach Polen und Mitteleuropa. Der arabische Name hat sich erhalten. Er steht inzwischen für eine begehrtes Wohnviertel und eine touristische Attraktion im historischen Zentrum. Die Twerer Straße führte nach Novgorod in den Handelsbereich der Hanse. Sie wurde 1935 in Gorkistraße umbenannt und zum Vorbild vieler Prachtstraßen der "sozialistischen Städte" der Stalinzeit. Nach Norden führten wichtige Handelsstraßen zur oberen Wolga und in das frühe Gewerbegebiet um das Dreifaltigkeitskloster. Die Ordynska-Straße verband Moskau mit dem fruchtbaren Waldsteppenland des Südens, dessen Getreideanbau und Viehhaltung wesentlich zur Lebensmittelversorgung der Stadt beitrugen.

Von der Mitte des 19. Jahrhunderts an verkehrten auch Eisenbahnen auf diesen Hauptrouten. Dadurch entwickelte sich Moskau zur Verkehrsdrehscheibe Russlands und ganz Osteuropas. Von dieser Funktion im nationalen und internationalen Personen- und Güterverkehr zeugen heute die drei internationalen Flughäfen, die acht Fernbahnhöfe und die drei Binnenhäfen der Stadt.

Wirtschaftliche und städtebauliche Entwicklung seit 1991

Moskau ist nicht nur das politische und kulturelle, sondern auch das wirtschaftliche Zentrum des Landes. Etwa 20 Prozent des russischen Bruttoinlandsproduktes werden in der Agglomeration Moskau erwirtschaftet. Industrielle Schwerpunkte der Stadt sind traditionell der Maschinen- und Fahrzeugbau, die Elektroindustrie sowie die chemische Industrie; in den letzten Jahren hat sich Moskau überdies zu einem internationalen Standort der Informations- und Kommunikationstechnologie entwickelt.

In den rund 1200 Banken der Stadt werden geschätzt drei Viertel der russischen Finanzgeschäfte abgewickelt, überdies sind hier viele internationale Konzerne mit Hauptsitzen oder Niederlassungen vertreten - in räumlicher Nähe zu den politischen Entscheidungsträgern des Landes. Die Stadt ist ein Dienstleistungszentrum von kontinentaler Bedeutung.

Die Immobilienpreise im Zentrum gehören zu den höchsten in Europa. Derzeit werden in Moskau mehr Büroflächen gebaut als in London, in einigen Jahren dürfte die Stadt hinsichtlich der Fläche der Büroimmobilien die britische Finanzmetropole eingeholt haben. Angesichts des hohen Bedarfs haben Investoren im Westen des Zentrums am Ufer der Moskwa in den letzten Jahren rund ein Dutzend Wolkenkratzer erbaut, die das Herz des neuen Stadtteils Moskwa-City bilden.

Das neue Viertel, auch als "russisches Manhattan" bezeichnet, beherbergt neben repräsentativen Geschäfts- und Büroflächen auch Luxuswohnungen und ein riesiges Einkaufscenter. Zu den neuen Bauriesen dort gehören mit dem Federazija-Hochhaus (373 m), dem OKO Residential Tower (354 m), dem Mercury City Tower (323 m) und dem Stalnaya Vershina (303 m) die vier größten Hochhäuser Europas.

Moskaus Zentrum bilden der Kreml und der Rote Platz, die beide seit 1990 auf der UNESCO-Liste des Weltkulturerbes stehen. Wenige Schritte nördlich davon liegen die Duma (das russische Parlament) und das Bolschoi-Theater (das bekannteste Theater der Stadt). Zum historischen Stadtkern gehören auch die umliegenden Verwaltungs- und Geschäftszentren, die eine Vielzahl von Einkaufsmöglichkeiten bieten, insbesondere im Luxussegment. Das im neoklassizistischen Stil gehaltene Warenhaus Gum am Roten Platz gilt nicht nur als ein architektonisches Highlight der Stadt, sondern bietet auf 35 000 Quadratmetern Verkaufsfläche alle erdenklichen Nobelmarken; mit täglich 30 000 Kunden zählt es zu den größten Kaufhäusern der Welt. Unweit befindet sich Kaufhaus das Tsum, das größte Modekaufhaus Osteuropas, das sich mit seinem Angebot an Luxusmarken exklusiv an die reiche Oberschicht wendet.

Verkehr und soziale Disparitäten

Ein chronisches Problem der russischen Metropole ist der Straßenverkehr. Obwohl das Stadtzentrum durch ein U-Bahn-Netz gut erschlossen ist, bevorzugen viele Einwohner die Fahrt im privaten Pkw, weshalb die Hauptverkehrsachsen im Berufsverkehr chronisch verstopft sind. Die Stadt steht vor dem Problem, dass es mangels vorhandener Freiflächen kaum Raum für neue Straßenprojekte gibt. Die Moskauer Stadtverwaltung hatte 2014 angekündigt, bis zum Jahr 2019 rund 34,5 Mrd. US-Dollar in den Ausbau des kommunalen Straßennetzes zu stecken, unter anderem ist der zweistöckige Ausbau vorhandener Straßen im Gespräch.

Die politische Wende Anfang der 1990er-Jahre hat die Stadt schnell und tiefgreifend verändert. Das einstige Zentrum des Ostblocks, 1991 noch eine Stadt mit vergleichsweise günstigem Preisniveau, gilt heute als eine der teuersten Metropolen der Welt, berücksichtigt man die durchschnittlichen Preise für Mieten, Dienstleistungen, öffentlichen Nahverkehr, Lebensmittel, Kleidung und Freizeitangebote. Entsprechend groß sind die Diskrepanzen zwischen einer verschwenderischen Oberschicht - in keiner anderen Stadt der Welt leben mehr Dollar-Milliardäre - und den vielen Menschen, die in Armut leben.

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