Mitteleuropa - Geologie/Eiszeitformen

Deutschland - Geologie
978-3-14-100850-0 | Seite 30 | Abb. 1| Maßstab 1 : 4500000

Überblick

Mitteleuropa liegt am Südwestrand der Osteuropäischen Tafel. Diese entstand im Verlauf mehrerer präkambrischer Orogenesen (Gebirgsbildungen) und besitzt seit Beginn des Kambriums nahezu ununterbrochen Festlandscharakter. Im Kartenbereich ist das Kristallin der osteuropäischen Tafel lediglich in der kleinen, im Mesozoikum und Känozoikum an Störungen gehobenen Bruchscholle der Insel Bornholm erschlossen. Proterozoische Tröge mit einer mehrere Tausend Meter mächtigen Füllung aus Grauwacken, Konglomeraten, Kieselschiefern und Diabasen bestehen in Böhmen (Prag-Pilsener-Mulde), Thüringen, der Lausitz und den Westsudeten. Die cadomische Gebirgsbildungsphase an der Wende vom Präkambrium zum Kambrium ist in Böhmen dokumentiert.

Unterhalb der Karte wurde ein dreigliedriges geologisches Profil eingefügt, das im ersten Abschnitt A vom nordwestlichen Ruhrgebiet bis in die Schwäbische Alb führt. Der Abschnitt B führt von der Schichtstufenlandschaft in die Ostalpen. Von dort zieht sich Abschnitt C über die Alpen bis in die Poebene. Das Profil erschließt Gesteine vom Erdaltertum bis ins Quartär, zeigt Faltungsvorgänge und vulkanische Erscheinungen.

Die Grundgebirge des außeralpinen Mitteleuropa

Die Tatsache, dass den präkambrisch konsolidierten Kern Nordosteuropas paläozoische, mesozoische und neozoische Orogene säumen, lässt erkennen, dass Europa im Verlauf der Erdgeschichte durch Anfaltung jüngerer Gebirgsstränge am Außenrand der osteuropäischen Tafel entstanden ist. Relikte eines kaledonischen Orogens, dessen Deformation im Ordovizium oder an der Wende Silur/Devon erfolgte, sind in den Kernschichten der Ardennen sowie im Bereich des Brabanter Massivs aufgeschlossen. Die variskische Orogenese hat im Karbon weite Teile Mitteleuropas, aber auch der Alpen betroffen. Das infolge einer jungen Bruchtektonik vielfach unterbrochene Schollenmosaik des variskischen Orogens ordnet sich vom französischen Zentralmassiv bis nach Schlesien in einem nach Norden konvexen Bogen an.

Die mesozoischen Deckgebirge des außeralpinen Mitteleuropas

Im außeralpinen Mitteleuropa wird das variskisch geprägte Grundgebirge diskordant von einem maximal 8000 Meter mächtigen Deckgebirge (Perm bis Paläogen) überlagert. Diese Sedimente werden im Bereich des norddeutsch-polnischen Beckens von einer maximal mehrere Hundert Meter mächtigen Decke aus quartären Lockergesteinen verhüllt. Nach Süden sind zunehmend ältere Schichten an der Oberfläche verbreitet und bauen Mittelgebirgslandschaften auf.

Mitteleuropa im Tertiär

In der frühen Erdneuzeit bestanden in Westeuropa mehrere Teilbecken (Londoner Becken, Belgisches Becken, Pariser Becken). Nach der Regression an der Wende Kreide/Paläogen wurden weite Teile Norddeutschlands und Polens zum letzten Mal überflutet. Im mittleren Oligozän bestand über die Hessische Senke und den Oberrheingraben vorübergehend eine Meeresverbindung zwischen Norddeutschland und dem Molassebecken des Alpenvorlandes. Im Neogen zog sich das Meer schrittweise auf das Gebiet der heutigen Nordsee zurück. Im subtropischen Klima kam es zur Bildung ausgedehnter Sumpfmoore, aus denen die Braunkohlenlager des Paläogens (Helmstedt, Mitteldeutschland) sowie des Neogens (Niederrhein, Hessen, Lausitz, Nordböhmen, Polen) hervorgingen.

Das alpidische Mitteleuropa

Alpen, Karpaten, Apennin und Dinariden sind Teilstücke des großen, aus der Tethys-Geosynklinale hervorgegangenen alpidischen Orogens. Die im Tertiär zwischen Gibraltar und Ostasien entstandenen alpidischen Gebirgsgürtel unterscheiden sich bei äquatorparallelem Verlauf von älteren Orogenen durch eine vielfach bogenförmig gekrümmte Anordnung. Charakteristisches Bauprinzip der alpidischen Gebirge sind weitreichende Deckenüberschiebungen, durch die ursprünglich getrennt abgelagerte Sedimentserien verschiedener Faziesräume an flachen Bewegungsbahnen zu Deckenstapeln zusammengeschoben wurden. Mit der Gebirgsbildung waren in zentralen Teilen eine intensive Gesteinsmetamorphose sowie eine Durchtränkung mit meist granitischen Schmelzen verknüpft.

Pleistozäne Ablagerungen

Während des Pleistozäns bedeckten mächtige Inlandeisgletscher, ausgehend von den skandinavischen Vergletscherungszentren, mehrfach das norddeutsche Flachland. Gleichzeitig rückten die Alpengletscher weit in das Alpenvorland vor, während die Gletscher am Alpensüdrand nur relativ kleine Vorlandgletscher bildeten. Zwischen diesen Vergletscherungszentren trugen unter anderem die Vogesen, Schwarzwald, Harz, Riesengebirge und Hohe Tatra ebenfalls Eiskappen. Im Alpenvorland unterscheidet man aufgrund der Anordnung der Moränenzüge sowie aus der Abfolge der Schotterfluren und Flussterrassen vier nach Alpenflüssen benannte Kaltzeiten (Günz-, Mindel-, Riß-, Wurmglazial). In Norddeutschland wird das Pleistozän in drei Glaziale (Elster-, Saale-, Weichselglazial) gegliedert, die durch zwei Interglaziale (Holstein, Eem) getrennt wurden.

Das norddeutsche Tiefland wird von einer durchschnittlich 100 bis 150 Meter mächtigen Abfolge aus quartären Lockersedimenten bedeckt, die überwiegend glaziäre Bildungen des Pleistozäns darstellen. Holozäne Ablagerungen sind zumeist nur in geringer Mächtigkeit ausgebildet. Glazialmorphologisch lassen sich in Norddeutschland wellige bis kuppige Jungmoränenlandschaften im Gebiet der Weichselvereisung von den ebenen bis flachwelligen Altmoränenlandschaften der Elster- und Saalevereisung unterscheiden. Die maximale Ausbreitung des skandinavischen Eises entspricht der Elstervereisung. Ihre Südgrenze folgt vom Niederrhein dem Nordrand des Mittelgebirges. Die älteren Vorstöße der Saalevereisung  haben zwischen Braunschweig und den Niederlanden deutlich von Ost nach West gestreckte Stauchendmoränen geformt. Die jüngeren Vorstöße  sind in der Lüneburger Heide und in der Nordheide durch Stillstandsphasen belegt. Die Weichselvereisung hat das Gebiet der heutigen Elbe nicht überschritten. Die frischen Formen dieser Vereisung sind charakteristisch für das ostholsteinische Hügelland. Den Endmoränen sind jeweils Schmelzwasserbildungen (Sander) vorgelagert. Weitere weichselzeitliche Endmoränenzüge verlaufen südlich von Berlin in Richtung Warschau, zwischen Flensburg über Schwerin nach Posen und schließlich als jüngste Haupteisrandlage von Kiel über Lübeck in Richtung Danzig. Den Endmoränenzügen sind Urstromtäler zuzuordnen, durch welche die Schmelzwässer nach Nordwesten abflossen. Das Ostseebecken wurde vornehmlich von den Gletschern der Weichselvereisung ausgeschürft. Die Küstenlinie der Nordsee verlief während der Vereisungshöchststände infolge der weltweiten Meeresspiegelabsenkung um 90 bis 100 Meter etwa im Bereich der Doggerbank. Im Süden wird das Norddeutsche Flachland durch einen wechselnd breiten Lössgürtel begrenzt. Das nicht vereiste Gebiet ist durch periglaziale Erscheinungen (unter anderem Solifluktion) und durch fluvioglaziale Bildungen (unter anderem Flussterrassen) charakterisiert.

Als nacheiszeitliche Bildungen sind in Norddeutschland Flug- bzw. Dünensande sowie Moorablagerungen weit verbreitet. In den Marschen der Nordseeküste bildeten sich Schlickablagerungen.

H. Wachendorf, E. Astor

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