Mittel- und Südamerika - Nationalstaaten um 1825 (Ende der Befreiungskriege)

Amerika - Mittel- und Südamerika - Staaten
978-3-14-100800-5 | Seite 228 | Abb. 2| Maßstab 1 : 72000000

Überblick

In den Jahren zwischen 1810 und 1825 errangen die meisten spanischen und portugiesischen Kolonien ihre Unabhängigkeit. Die Staaten Mittelamerikas machten sich überwiegend 1821 von Spanien unabhängig. Den entscheidenden Impuls hatte die Unabhängigkeitserklärung Mexikos gegeben. 1823 schlossen sie sich zur Zentralamerikanischen Konföderation zusammen, die 1841, nach langen Bürgerkriegen, zerbrach und nicht wiederhergestellt werden konnte.

Koloniale Vorgeschichte

Im Jahre 1495 war die spanische Krone von dem ursprünglichen Konzept der bloßen Handelsexpansion zu jenem der Siedlungskolonisation und Landnahme übergegangen. Mit der Gründung der Audiencia von Santa Domingo 1511 wurde der Grundstein für eine organisierte Kolonialverwaltung gelegt, die nach der Eroberung Mexikos durch Hernán Cortéz und Perus durch Francisco Pizarro durch Audiencias in Mexiko, Panama, Guatemala, Kolumbien, Peru, Bolivien und Chile ausgebaut wurde. Spanien entwickelte sich innerhalb weniger Jahre zur stärksten Kolonialmacht in der Neuen Welt.

Brasilien wurde 1500 durch Pedro Alvares de Cabral für die portugiesische Krone in Besitz genommen. Der Versuch einer staatlichen Förderung der kolonialen Erschließung durch ein System der Landschenkung scheiterte. Erst durch die Initiative der privatwirtschaftlich organisierten und paramilitärisch operierenden Bandeiras, die ab dem Ende des 16. Jahrhunderts auf der Jagd nach Edelmetallen und Indianersklaven immer tiefer ins Landesinnere vordrangen, wurde der portugiesische Kolonialbesitz erschlossen.

Andere europäische Kolonialbesitzungen in Mittel- und Südamerika waren weniger bedeutend. Großbritannien beanspruchte neben Belize und der Moskitoküste die Inseln Jamaika, Trinidad, Tobago, Barbados und die Bahamas. Frankreich erkämpfte sich Guadeloupe und Martinique und beanspruchte eine Reihe von Antilleninseln. Die Niederländer waren seit dem 16. Jahrhundert in Guayana, später waren Briten gekommen. 1667 tauschte England seine Ansprüche auf Suriname gegen das niederländische Neu-Amsterdam, das spätere New York.

Staatliche Unabhängigkeit

Die Autonomie Südamerikas war zu großen Teilen das Werk des 1783 geborenen Kreolen Simón Bolívar. Der „Libertador“ (Befreier) drängte Venezuela 1810/11 zur Erklärung der Unabhängigkeit. Nach einem langen und schließlich siegreichen Kampf gegen die Spanier wurde der General und Freiheitsheld 1819 zum Präsidenten des Landes. Er vereinigte Venezuela und das ehemalige Neugranada zur Republik Großkolumbien, der er das von ihm befreite Ecuador und Peru anschloss. Ab 1825 amtierte er auch als Präsident des 1824 befreiten und nach ihm benannten Bolivien, das zuvor Teil des spanischen Vizekönigreichs Buenos Aires gewesen war. Nachdem sein Versuch, die befreiten Länder zu einigen, gescheitert war, trat Bolívar 1830 zurück.

Der chilenische Unabhängigkeitskrieg gegen die Spanier wurde 1817/18 durch den Sieg eines argentinisch-chilenischen Heeres entschieden. Der ab 1818 als Diktator regierende General O‘Higgins wurde 1823 gestürzt. Argentinien hatte sich bereits 1810 vom Mutterland gelöst und 1816 offiziell die Unabhängigkeit erklärt. Auch hier prägten innere Parteienkämpfe die Entwicklung.

Brasilien wurde seit 1807 vom portugiesischen König Johann VI. regiert, der vor Napoleon I. aus Europa geflüchtet war. Als das Mutterland, inzwischen konstitutionelle Monarchie geworden, 1821 das Kolonialverhältnis erneuern wollte, erklärte Johanns ältester Sohn die brasilianische Unabhängigkeit; als Pedro I. wurde er brasilianischer Kaiser.

In den ehemaligen Kolonialländern brachte die politische Unabhängigkeit für die überwiegend aus Indios, Afroamerikanern und deren Nachkommen bestehende Bevölkerung keine Emanzipation. Mangels einer politisch beteiligten, staatstragenden Bevölkerung übernahm die dünne Schicht der europäisch-stämmigen Kreolen mit der politischen und ökonomischen Macht auch die Gesellschafts- und Herrschaftsstrukturen der ehemaligen Kolonialmächte. Sie setzten sich fort im System der Haciendas, autoritär organisierter Großgrundbesitze, auf denen die Eigentümer auf lokaler Ebene praktisch Regierungsbefugnisse von der Rechtsprechung über die Verwaltung bis zur Besteuerung ausübten. Da die Eigentümer der Haciendas häufig miteinander verwandt oder interessensverbunden waren, kontrollierten sie weite Landstriche und blockierten erfolgreich die Interessen der Zentralregierung.

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