Kassel - Entwicklung von der Residenzstadt zur Großstadt - um 1770

Hessen und Kassel - Kassel - Territorialentwicklung und Stadtwachstum
978-3-14-100389-5 | Seite 26 | Abb. 5| Maßstab 1 : 100000

Überblick

Von der Residenzstadt ...

Kassel (früher „Cassel“) wurde erstmals 913 erwähnt. Es handelte sich um einen Königshof mit einer kleinen Siedlung am Nordufer der Fulda. Vor 1189 erhielt Kassel Stadtrechte.

 

Der Ort wuchs schnell, lag er doch am Schnittpunkt zweier Handelsstraßen: derjenigen, die von Mainz und Frankfurt zur Weser führte, und derjenigen, die von Leipzig nach Köln führte. Der erste Landgraf von Hessen, Heinrich I., machte Kassel zur Residenzstadt und ließ 1277 anstelle des Königshofes eine Burg bauen. Durch den Bau einer Brücke konnte auch das rechte Fuldaufer mit der Unterneustadt erschlossen werden.

 

Im Laufe des 16. Jahrhunderts wurde Kassel zu einer der mächtigsten Festungen Mitteleuropas ausgebaut und blieb deshalb auch vom Dreißigjährigen Krieg verschont. Ab 1767 wurden die Festungsanlagen abgerissen.

 

Landgraf Karl I. (1677–1738) förderte die Bau- und Gartenkunst. In seiner Zeit entstanden das Herkules-Denkmal mit den Wasserkaskaden im Bergpark Wilhelmshöhe (seit 2013 UNESCO Welterbe) sowie die Karlsaue, ein Park mit Orangerie am Fuldaufer. Um 1770 hatte Kassel 17 000 Einwohner.

 

Ende des 18. Jahrhunderts wurde unterhalb des Herkules das Schloss Wilhelmshöhe errichtet, benannt nach seinem Bauherrn Landgraf Wilhelm IX. von Hessen. Schloss und Stadt wurden durch die Wilhelmshöher Allee verbunden. Zusätzlich ließ Wilhelm IX. die Löwenburg, ein wie eine Ruine aussehendes Schloss, errichten.

 

Um 1800 war Kassel eine der attraktivsten Städte Europas mit 23 000 Einwohnern. Deshalb wurde Kassel 1807 Hauptstadt des neuen Königreiches Westphalen unter Napoleon I. Als neuer Herrscher zog Jerome, Napoleons jüngster Bruder, bis 1813 in das Schloss Wilhelmshöhe ein. Danach konnte Kurfürst Wilhelm I. (früher Landgraf Wilhelm IX.) nach Kassel zurückkehren. Um 1835 hatte Kassel 30 000 Einwohner. 1848 bekam die Stadt einen Bahnanschluss.

 

1866 wurden Kurhessen (mit Kassel) und Nassau mit Frankfurt zur Provinz Hessen-Nassau vereinigt. Kassel wurde die Hauptstadt dieser neuen Provinz. Damit erfuhr die Stadt einen großen Aufschwung. Die Industrialisierung schritt voran. Besonders hervorzuheben ist dabei die Firma Henschel und Sohn, die damals Lokomotiven herstellte. Im Norden und Osten der Stadt bildeten sich Industrieviertel, während im Westen reine Wohngebiete entstanden.

… zur Großstadt

Zwischen 1899 und 1936 kam es mehrfach zu Eingemeindungen benachbarter Ortschaften. Anfang des 20. Jahrhunderts erreichte Kassel die Einwohnerzahl von 100 000, 1936 waren es infolge der Eingemeindungen bereits 225 000. In dieser Zeit entstanden viele Neubauviertel, aber auch viele Repräsentationsgebäude.

 

Am 22./23. Oktober 1943 wurde die Kasseler Innenstadt durch einen Bombenangriff fast komplett vernichtet. Fast 10 000 Menschen starben dabei, 70 % der Wohnungen und 65 % der Industrieanlagen Kassels wurden zerstört. Die Bevölkerung war mit 71 000 Einwohnern auf einem Tiefstand angelangt.

 

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges gehörte die Stadt zusammen mit der gesamten Provinz Hessen-Nassau zur amerikanischen Besatzungszone. Daraus wurde das neue Land Hessen gebildet. Kassel blieb Sitz des Regierungsbezirks und des Landkreises Kassel.

 

1955 fand in Kassel die erste „documenta“ statt, eine Ausstellung moderner Kunstobjekte, die mittlerweile weltweite Bedeutung hat und alle fünf Jahre stattfindet. Gleichzeitig war die Karlsaue Austragungsort der Bundesgartenschau. 1981 fand erneut die Bundesgartenschau in Kassel statt. Dazu wurde die Fuldaaue am Ostufer der Fulda, gegenüber der Karlsaue, erschlossen.

 

1964 wurden die Henschel-Werke zu einer Tochtergesellschaft der Rheinischen Stahlwerke Essen, heute ist das Unternehmen in zahlreiche Einzelbetriebe zerfallen.

 

Wichtig für die Stadtentwicklung war die 1970 gegründete Universität Kassel mit heute 25 000 Studenten. Auch die Eröffnung des ICE-Bahnhofs Kassel-Wilhelmshöhe an der Nord-Süd-Hochgeschwindigkeitsstrecke 1991 brachte Entwicklungsimpulse für die Stadt. 2013 wurde zudem der Airport Kassel-Calden eröffnet. Heute leben 202 000 Menschen in Kassel. Die Stadt ist kulturelles und wirtschaftliches Zentrum für etwa eine Million Menschen.

Schlagworte