Kambodscha - Kommerzieller Landerwerb (Land grabbing)

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978-3-14-100800-5 | Seite 271 | Abb. 3| Maßstab 1 : 4000000

Überblick

Beim kommerziellen Landerwerb in seiner legalen Form investieren Regierungen (oft anderer Staaten), vor allem aber in- und ausländische Unternehmen in die Landwirtschaft eines Entwicklungs- und Schwellenlandes. Im positiven Fall fließen dadurch Investitionen in das jeweilige Land, es kann die Produktion gesteigert werden, es findet ein Wissens- und Technologietransfer statt, von dem das Land insgesamt profitiert, die lokale Bevölkerung wird einbezogen und es wird durch Schaffung von Einkommensmöglichkeiten deren Position verbessert.

Sehr häufig trägt der kommerzielle Landerwerb aber rechtlich illegitime oder zumindest stark fragwürdige Züge, wenn Akteure mit Zugang zur politischen und wirtschaftlichen Macht ihre Interessen gegen Kleinbauern mit vergleichsweise schwachen Positionen durchsetzen. Drei Gruppen sind daran wesentlich beteiligt:

• Kleinbauern in Entwicklungsländern, die von Land verdrängt werden, das sie auf der Grundlage traditioneller Nutzungsrechtregelungen bewirtschaften, für das sie aber keine „offiziellen“ Eigentumsnachweise nach gegenwärtigem Recht haben.

• Staatsbedienstete, Behörden und Regierungen der Entwicklungs- bzw. Schwellenländer, die sich selbst Land aneignen, das zuvor von den Kleinbauern genutzt wurde oder bislang weitgehend ungenutzt war, oder die solches Land an ausländische Unternehmen bzw. andere Staaten vergeben und daraus einen Vorteil erhalten.

• Regierungen anderer Staaten oder ausländische Unternehmen, die sich in Entwicklungs- bzw. Schwellenländern Land aneignen, das zuvor von den Kleinbauern genutzt wurde oder bislang weitgehend ungenutzt war, oft mit der Unterstützung von Staatsbediensteten, Behörden und Regierungen dieser Länder.

Weltweit waren im Jahr 2014 nach Schätzungen rund 38 Mio. Hektar betroffen, dies entspricht der Größe von 53 Mio. Fußballfeldern. Die Rangliste der Investorenländer führen die USA, Malaysia, Singapur, die Vereinigten Arabischen Emirate und Großbritannien an, gefolgt von Kanada, Indien, Russland, Saudi-Arabien und China. Auf sie entfallen zusammen rund drei Viertel aller Investitionen, sie sind überwiegend den globalisierten oder globalen Regionen zuzuordnen (s. 270.2). Auf der Rangliste der Zielländer liegen Papua-Neuguinea, Indonesien, Südsudan, die Demokratische Republik Kongo und Mosambique vorn, gefolgt von Kongo, Russland, der Ukraine, Liberia und dem Sudan. Auf sie entfallen zusammen rund zwei Drittel aller Investitionen, sie sind überwiegend der neuen Peripherie zuzuordnen (s. 270.1).

Kommerzieller Landerwerb in Kambodscha

In Kambodscha vergibt die Regierung Konzessionen für die Nutzung von Land an Unternehmen. Häufig handelt es sich dabei um Gemeinschaftsunternehmen mit einem kambodschanischen Partner und einem ausländischen Investor, der in aller Regel über die Ausrichtung des Projekts bestimmt. Die meisten der ausländischen Investoren in Kambodscha kommen aus Ost- und Südostasien. Ihre Projekte machten im Jahr 2014 rund 727 000 Hektar aus, insgesamt waren es 798 000 Hektar. Bei einer landwirtschaftlich nutzbaren Fläche von rund vier Mio. Hektar liegt der Anteil kommerziell erworbener Flächen bei rund 20 Prozent.

Hinsichtlich der Ausrichtung dominierten Landwirtschaftsprojekte, aber auch Konzessionen für Bergbau und Wasserkraftwerke wurden vergeben (s. Karte). Bei den landwirtschaftlich genutzten Flächen dominieren Plantagen für Exportgüter wie Kautschuk. Eine Verbesserung der Ernährungssituation in Kambodscha durch Produktionssteigerung bei Nahrungsmitteln ist also davon nicht zu erwarten – angesichts des Ausmaßes kommerziellen Landerwerbs und der Verdrängung von Kleinbauern ist eher eine Verschlechterung zu befürchten, da die Plantagenflächen nun nicht mehr für die Nahrungsmittelproduktion zur Verfügung stehen. Ein wichtiges Produkt ist gegenwärtig auch Zuckerrohr. Der erzeugte Zucker kann seit 2009 zollfrei in die EU eingeführt werden. Dies ist ein starker ökonomischer Anreiz für die Agrarunternehmen, aus dem heraus überhaupt erst ein nennenswerter Zuckerrohranbau in Kambodscha entstanden ist. Im Jahr 2006 lag die Produktionsmenge für Zuckerrohr noch bei 142 000 Tonnen, im Jahr 2013 waren es bereits viermal so viel, rund 600 000 Tonnen.

In Kambodscha sind im Zusammenhang mit dem kommerziellen Landerwerb zahlreiche Fälle von Menschenrechtsverletzungen belegt, zum Beispiel gewaltsame Vertreibungen, Enteignungen, rechtswidrige Umsiedlungen und die Verfolgung von Menschen, die sich dagegen zur Wehr setzen. Die Regierung agiert dabei im Sinne der ausländischen Investoren. Die Karte zeigt, dass auch die Großschutzgebiete (zum Beispiel Wald- und Wildschutzgebiete) von kommerziellem Landerwerb betroffen sind.

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