Globalisierte Wirtschaft - Erde

Erde - Erde - Globalisierung
978-3-14-100800-5 | Seite 268 | Abb. 1| Maßstab 1 : 120000000

Überblick

In den letzten vier Jahrzehnten verzeichnete die Weltwirtschaft einen starken Zuwachs der internationalen Verflechtungen, der deutlich über dem im gleichen Zeitraum erfolgten Wachstum der ökonomischen Leistung der Welt lag. Üblicherweise wird dieser Prozess der Herausbildung von globalen Produktions- und Konsumsystemen als ein grundlegender Teilaspekt der Globalisierung bezeichnet.

Entwicklung von Weltexporten und Weltwirtschaftsleistung

Entscheidende Voraussetzungen für die verstärkten internationalen Beziehungen waren einerseits politische Entscheidungen zur Verringerung der zwischen Ländern bestehenden Barrieren für Wirtschaftsbeziehungen und anderseits der Ausbau der materiellen Infrastruktur. Getragen wurden die politischen Maßnahmen von der Idee, dass internationaler Austausch eine optimale Nutzung von Produktionsfaktoren und Ressourcen erlaubt, Kosten spart und zur wirtschaftlichen Entwicklung aller beteiligten Nationen beiträgt. Entscheidende politische Weichenstellungen waren die Vereinbarungen des General Agreement on Tarifs and Trade (GATT), die in die Gründung der WTO (World Trade Organization) mündeten. Diese Welthandelsordnung liberalisierte viele Märkte, etwa durch Senkung von Zöllen und das Verbot nicht-tarifärer Handelshemmnisse, und erleichterte damit den internationalen Warenaustausch wesentlich. Darüber hinaus schuf die neue Ordnung, zumindest formal, gleiche Bedingungen für alle Beteiligten. Die Vereinbarungen des Internationalen Währungsfonds (IMF) führten zur Herausbildung einer Weltwährungsordnung mit dem Verzicht auf Devisenbeschränkungen und der Ermöglichung freier Konvertibilität von Währungen. Dadurch wurden weltweite Finanztransaktionen für den Warenhandel und für Direktinvestitionen deutlich vereinfacht. Die Maßnahmen der Weltbank begünstigten die Angleichung der wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen in den Ländern der Erde, vor allem durch den Ausbau neoliberaler Ordnungen, welche allerdings immer wieder Anlass für Kritik boten.

Neben den politischen Voraussetzungen führten technische Entwicklungen im Transport- und Kommunikationssystem zu deutlichen Senkungen der Transport- und Transaktionskosten, etwa für Aufwendungen im Waren- und Personenverkehr und für die Organisation von Beziehungen. Der Containerverkehr ermöglicht geschlossene Transportketten bei Stückgütern ohne aufwendige Umverpackung, große Schiffsgrößen reduzieren die Kosten pro Einheit, und Flugverbindungen erlauben den schnellen Transport von verderblichen Waren wie Lebensmitteln und Blumen und von zeitsensiblen Gütern wie Computern. Verbindungen durch Telefon, Fax und Email erlauben ständige weltweite Kontakte zwischen Geschäftspartnern.

Die Atlaskarte zeigt wichtige Elemente der internationalen Verflechtungen und die sich in der Phase der Globalisierung ergebenden Veränderungen in der Bedeutung von Raumeinheiten und in der Art ihrer internationalen Einbindung.

Global Cities

Durch die politischen Maßnahmen verloren Länder als wirtschaftliche Einheiten an Bedeutung, während wenige global bedeutende Zentren und supranationale Integrationsräume wie die EU immer wichtiger wurden. Die globalen Zentren, für die sich die Bezeichnung Global Cities eingebürgert hat, erfüllen die Kontroll- und Steuerungsfunktionen der weltweiten wirtschaftlichen Aktivitäten.

Typische Merkmale von Global Cities sind eine starke Konzentration von Hauptsitzen multi- und transnationaler Unternehmen, eine bedeutende Funktion als internationaler Finanzplatz, die Konzentration von wissensintensiven Unternehmensdienstleistungen („Knowledge Intensive Business Services“ [KIBS]; „Finance, Insurance, Real Estate“ [FIRE]) und ihre Eigenschaft als Sitz internationaler politischer Institutionen, etwa der UN, und wichtiger Nichtregierungsorganisationen („Non Governmental Organisations“ [NGO]). Überdies dienen sie meist als Verkehrsknoten für den internationalen Luftverkehr und den Warenumschlag und als bevorzugtes Zentrum für internationale Tagungen, Kongresse oder Messen.

Zwischen den Global Cities lässt sich eine Hierarchie ihrer Bedeutung erkennen (s. 270.2). Die Atlaskarte zeigt globale Zentren wie London, New York und Tokio, welche über alle charakteristischen Merkmale verfügen. Daneben gibt es Zentren mit einer eher kontinentalen Bedeutung wie Berlin, Mailand oder Madrid.

Supranationale Integrationsräume

Supranationale Integrationsräume wie die EU (vgl. Ausschnitt Europa) zeichnen sich dadurch aus, dass sie ihre Wirtschaftsbeziehungen noch stärker erleichtern als es im Weltmaßstab üblich und möglich ist. In den ersten Integrationsstufen wird der Güteraustausch ohne Zollbarrieren ermöglicht, bei fortschreitender Zusammenarbeit sind auch das Erbringen von Dienstleistungen und der Transfer von Produktionsfaktoren in alle Teilgebiete möglich. Durch den freien Kapitalverkehr werden Investitionen erleichtert, dank der Freizügigkeit der Arbeit ist überdies eine Berufstätigkeit in anderen Staaten möglich.

Üblicherweise werden fünf Stufen der Integration unterschieden. Zwischen Ländern mit einem hohen Entwicklungsstand und diversifizierten Wirtschaftsstrukturen wie in weiten Teilen Europas ist eine Integration einfacher, da hier viele Austauschpotenziale bestehen und sich die Volkswirtschaften ergänzen. Problematisch ist die Integration zwischen Ländern mit geringem Entwicklungsstand und ähnlichen Exportstrukturen, etwa gleichen Primärgütern, da hier Austauschpotenziale fehlen. Beispiele hierfür wären Afrika oder Mittelamerika. Ebenso schwierig ist die Zusammenarbeit zwischen Ländern mit sehr unterschiedlichem Entwicklungsstand, wie an den Beziehungen zwischen Mexiko und den USA in der NAFTA zu erkennen ist. In einem solchen Fall können unerwünschte Wanderungsbewegungen von den armen Ländern in die reichen Länder auftreten, zugleich wird die Wirtschaft der armen Länder durch die Einfuhr von Industriegütern aus den reichen Ländern einem starken Wettbewerbsdruck ausgesetzt. Allerdings können die ärmeren Länder aufgrund von Kostenvorteilen durch niedrige Löhne als Investitionsstandort interessant werden (s. 268.2).

Ein wichtiges Merkmal der Globalisierung sind die internationalen Warenströme. Eine große Bedeutung haben Flughäfen vor allem beim Transport hochwertiger Güter wie Mikrochips und bei verderblichen Produkten wie Blumen und Erdbeeren. Die Transporte von Massengütern wie Erzen, Getreide und Öl (s. Diagramm „Seeschifffahrt nach Fracht“) werden überwiegend mit Seeschiffen abgewickelt. Das Umschlagvolumen der Flughäfen und Seehäfen zeigt deutlich die ungleiche räumliche Verteilung des Welthandels. Intensive Austauschbeziehungen bestehen zwischen den Ländern mit einem hohen Entwicklungsstand in Nordamerika, Europa und Ostasien; über zwei Drittel des Welthandels entfallen auf diese sogenannte Triade. Zwischen diesen Regionen erfolgt vor allem der Handel mit hochwertigen Industriegütern.

Einbindung von Entwicklungsländern

Relativ jung ist die Einbindung sogenannter Schwellenländer, die einen raschen Entwicklungsprozess durchlaufen und in welchen Industrie und Dienstleistungen deshalb stark expandieren. Zu dieser Gruppe zählen vor allem einige Staaten Südostasiens wie Thailand, Malaysia und Singapur, daneben China, einzelne Länder Lateinamerikas wie Brasilien, Argentinien und Mexiko sowie Südafrika. Alle diese Länder besitzen aufgrund ihrer niedrigen Lohnkosten Vorteile bei der Produktion arbeitsintensiver Industriegüter wie Bekleidung, Elektrogeräte und Spielwaren und exportieren diese weltweit, gewinnen aber zunehmend auch als Standort von Unternehmenszentralen und hochrangigen Wirtschaftsfunktionen an Bedeutung.

Sehr gering ist in der Regel der Grad der Einbindung von Ländern mit niedrigem Entwicklungsstand, die in der Karte an dem hohen Anteil von Erwerbstätigen in der Landwirtschaft zu erkennen sind. Sie exportieren vor allem Primärgüter, also landwirtschaftliche Produkte und Rohstoffe, in die hoch entwickelten Länder und beziehen von dort Industriegüter. Preisschwankungen ihrer Waren auf dem Weltmarkt machen ihre Exporterlöse häufig schwer kalkulierbar. Bei den landwirtschaftlichen Produkten sind sie zudem einem starken Wettbewerb mit der hoch subventionierten Landwirtschaft der USA und Europas ausgesetzt.

Welthandel und internationale Direktinvestitionen stehen in einem engen Zusammenhang. Unternehmen aus den hoch entwickelten Ländern haben in den vergangenen Jahrzehnten in erheblichem Umfang im Ausland investiert, um sich dort entweder expandierende Märkte zu sichern – etwa durch Errichtung von Automobilfabriken in Mexiko, Brasilien, China und Indien – oder um die niedrigen Arbeitskosten zu nutzen.

Inzwischen sind weltweite Produktions- und Absatzsysteme entstanden. Über ein Drittel des Welthandels entfällt auf den sogenannten „Intra-Unternehmens-Handel“ zwischen den Zweigbetrieben multinationaler Unternehmen. Die Management-, Forschungs-, Entwicklungs- und Vertriebseinheiten bleiben in den Zentren der hoch entwickelten Länder, häufig in den Global Cities, während die abhängigen Produktionseinheiten in die gering entwickelten Länder verlagert werden (vgl. 268.2). Für die Zielländer ergeben sich einige Vorteile durch zusätzliche Arbeitsplätze und den Technologietransfer. Allerdings sind die Löhne zumeist gering und die Belastungen für die Umwelt nicht selten erheblich, lokale Produzenten werden teilweise verdrängt.

Zur Abwicklung von Handel und Direktinvestitionen werden auch weltweite Finanztransaktionen benötigt. Dabei werden nicht nur die etablierten Bankplätze in den hoch entwickelten Ländern wie London, New York und Frankfurt/Main genutzt, sondern auch „Steuerparadiese“, die versuchen, durch besonders günstige Steuersätze und liberale Bedingungen Investoren zu gewinnen. Multinationale Unternehmen gründen dort Niederlassungen, über die sie ihre Finanzgeschäfte abwickeln, um Steuern zu sparen.

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