Gizeh - Tourismus und Stadtwachstum

Afrika - Afrika - Siedlungsentwicklung
978-3-14-100803-6 | Seite 152 | Abb. 2| Maßstab 1 : 50000

Überblick

Das Pyramidenfeld von Gizeh liegt am Westufer des Nils, knapp 20 Kilometer südwestlich des Zentrums von Kairo. Das alte Agrarland, von dem noch zwei große Kanäle und eine Reihe von ländlichen Siedlungskernen zeugen, wurde in den letzten Jahrzehnten von der außerordentlich dynamischen, raumgreifenden Expansion der ägyptischen Metropole erreicht und innerhalb kürzester Zeit fast vollständig überbaut. Das Augenmerk der Karte liegt auf dem Kontrast von Persistenz und Wandel, dem räumlichen Nebeneinander von Relikten einer uralten Hochkultur und den Armutsquartieren einer modernen Megacity. Die aktuelle Entwicklung Ägyptens vollzieht sich vor allem im Spannungsfeld von fortschreitender Urbanisierung, Tourismus, Schutz des Kulturerbes und starken gesellschaftlichen Umbrüchen. In Gizeh, der zur Metropolregion Kairo gehörenden, aber politisch unabhängigen Stadt am Fuße der Pyramiden, überlagern sich diese Prozesse vielfältig.

Die Nekropole von Gizeh

Die drei großen Pyramiden von Gizeh sind Teil einer pharaonischen Totenstadt aus dem dritten vorchristlichen Jahrtausend, die sich über 50 Kilometer am Rande der Wüste entlangzieht und mehr als 80 größere und kleinere Pyramiden sowie eine Vielzahl von Grabanlagen und zugehörigen Gebäuden umfasst. Die Lage der größten Pyramiden – Cheops (137 m hoch), Chefren (136,5 m) und Mykerinos (66 m) – mit den zugehörigen Taltempeln und Tempelstraßen ist Ausdruck des Jenseitsglaubens der alten Ägypter, die die Wüste als das Reich der Toten betrachteten. Das Gebiet der Pyramiden gehört zum Kernbestand des UNESCO-Weltkulturerbes. In jüngerer Vergangenheit gab es wiederholt Konflikte um die Freihaltung dieses Gebietes von jeglicher Bebauung.

Siedlungsprozesse und Urbanisierung

Die im 19. Jahrhundert erbaute Straße der Pyramiden führt schnurgerade von Kairo durch die Stadt Gizeh zum luxuriösen Mena House Hotel und den touristischen Sehenswürdigkeiten. Sie bildete die Leitachse bei der Expansion der Stadt in Richtung Westen. Gizeh war zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch eine Kleinstadt inmitten der ausgedehnten Bewässerungsfelder und Obstplantagen auf der Westseite des Nils. Heute leben hier 3,3 Mio. Menschen, viele von ihnen in informellen Wohnvierteln; von der alten Bausubstanz ist nicht mehr viel zu sehen. Die ehemals beschauliche Landstadt ist längst mit der Megastadt Kairo zusammengewachsen. Im Westen reicht sie nicht nur an das Pyramidengebiet heran, seit den 1980er-Jahren dehnen sich die Baugebiete auch auf der Westseite des Pyramidenplateaus immer weiter in die Wüste aus. Nordwestlich des Kartenausschnittes wurde ein neues Baugebiet mit dem Namen „Stadt des 6. Oktober“ ausgewiesen. Im Jahr 2006 hatte diese Entlastungsstadt rund 160 000 Einwohner, perspektivisch soll die Millionengrenze überschritten werden. Es gibt unter anderem mehrere Universitäten, Einkaufsmöglichkeiten und einen bedeutenden Industriepark.

Inzwischen liegt die Einwohnerzahl der Metropolregion Kairo bei geschätzt 20 Mio. Menschen. Seit Anfang des 20. Jahrhunderts hat sich der Anteil der ägyptischen Stadtbevölkerung von 20 auf derzeit 43 Prozent mehr als verdoppelt, die Einwohnerzahl des Landes stieg im selben Zeitraum von 10 Millionen auf 85 Millionen Menschen an. Dieses enorme Bevölkerungswachstum und die Landflucht führten zu einer ausgreifenden Urbanisierung. Die Metropolregion Kairo-Gizeh gilt heute als größter Ballungsraum Afrikas.

Auf der Karte ist gut zu sehen, wie enorm die Siedlungsflächen rund um die archäologischen Stätten in den letzten 30 Jahren gewachsen sind. Überall in den Neubauvierteln gibt es noch einzelne nicht überbaute Parzellen, die aus überwiegend spekulativen Gründen vorerst unbebaut bleiben.

Tourismusentwicklung

Der Tourismus ist für Ägypten einer der wichtigsten Devisenbringer und daher für die wirtschaftliche Entwicklung von größter Bedeutung. Die Branche hat jedoch infolge der Unruhen seit der Revolution von 2011 enorm gelitten. Wurden 2010 noch 14,7 Millionen Touristen gezählt, waren es 2013 nur noch 9,4 Millionen. Die Auslastung der Hotels in Kairo betrug im IV. Quartal 2013 nur rund 20 Prozent.

Von diesem Einbruch ist auch Gizeh, wo der Tourismus eine der wichtigsten Einnahmequellen ist, stark betroffen, weil es hier eine große Zahl von Hotels, Reitställen, Souvenirgeschäften und weiteren Angeboten gibt, die einseitig auf die Nachfrage von Urlaubsgästen ausgerichtet sind. Die von Touristen besuchte Zone ist eng begrenzt, Kontakte zwischen Urlaubsgästen und den Menschen in den Wohnvierteln von Gizeh gibt es kaum.

Gegenwärtig entsteht in unmittelbarer Nähe zu den Pyramiden der Neubau des Großen Ägyptischen Museums (GEM), um den Platzmangel in den Museen Kairos zu mildern und deutlich mehr Objekte präsentieren zu können. Mit rund 15 000 Besucherinnen und Besuchern pro Tag soll es eine der Hauptattraktionen Kairos und Ägyptens werden und den Tourismus ankurbeln.

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