Fourways (Johannesburg) - Fragmentierung

Afrika - Afrika - Siedlungsentwicklung
978-3-14-100800-5 | Seite 152 | Abb. 3| Maßstab 1 : 50000

Überblick

Bis zum Ende der Apartheid Anfang der 1990er-Jahre prägte ethnische Segregation das Stadtbild von Johannesburg; schwarze und indischstämmige Menschen mussten in speziellen Wohnsiedlungen leben, die während der Zeit der Apartheid eingerichtet worden waren („Townships“). Dieser Zwang ist heute aufgehoben.

Seit dem Ende der Apartheid werden verstärkt vollständig ummauerte oder anderweitig vom öffentlichen Raum abgeschlossene Wohnanlagen mit Zugangsbeschränkungen angelegt, häufig auf ehemaligem Weideland oder durch Verdrängung informeller Siedlungen an der Peripherie von Johannesburg. Weite Teile im Norden der Stadt – u. a. der Stadtteil Fourways – werden heute von Strukturen geprägt, die den Stadtkörper in einzelne Wohn- und Geschäftsinseln zergliedern (s. 152.4). In geschlossenen Wohnanlagen leben dort vor allem Angehörige der Ober- und Mittelschicht. Dies ist Ausdruck einer neuen Form der baulichen und sozialen Segregation. Die Wohnanlagen in Fourways sind trotz der hohen Immobilienpreise sehr beliebt, der Stadtteil entwickelt sich sehr dynamisch.

Weiße haben den größten Anteil an der Wohnbevölkerung in geschlossenen Wohnanlagen, der Anteil der schwarzen und indischstämmigen Einwohner nimmt aber zu; mancherorts stellen sie bereits die Hälfte der Wohnbevölkerung (Witkoppen, Broadcares; s. Diagramm in der Karte).

Galten große Teile der Innenstadt um die Jahrtausendwende als No-Go-Areas (Kriminalität, starke soziale Gegensätze auf engem Raum), haben verschärfte Sicherheitsmaßnahmen und Maßnahmen zur Revitalisierung des Stadtzentrums dazu geführt, dass sich die Lage in der Innenstadt deutlich verbessert hat.

Gated Communities

Gated Communities sind relativ großräumige Anlagen (in Johannesburg: 200 bis 800 Häuser), die durch Mauern, Zäune, Überwachungskameras und andere Sicherheitsanlagen geschützt werden und nur über kontrollierte und bewachte Zufahrten betreten werden können. Typische Beispiele im Kartenbild sind Dainfern und Fourways Gardens. Sie wurden von privaten, oft international operierenden Entwicklungsgesellschaften „in einem Guss“ geplant, gebaut und vermarktet.

Die finanziellen Möglichkeiten der Käufer bestimmen die Art der Wohnbebauung und Umfeldgestaltung. Dainfern zum Beispiel liegt an der urbanen Peripherie und ist locker mit Bungalows und Villen bebaut. Landschaftselemente wie Wasserläufe, Hänge und Täler oder Baumgruppen gliedern das Umfeld der Grundstücke. Hinzu kommt ein komplettes „Lifestyle Package“ mit einer Vielzahl an Freizeitangeboten, darunter ein Golfplatz. Nahe der Anlage gelegene Schuleinrichtungen und Shoppingcenter minimieren die Notwendigkeit, längere Wege durch die „ungeschützte“ Stadt unternehmen zu müssen. Damit wird neben dem Wunsch nach Sicherheit auch der Wunsch nach Bequemlichkeit erfüllt. Die äußeren Sicherheitseinrichtungen werden oft durch Grünanlagen verdeckt bzw. wegen der Größe der Gesamtanlage für die einzelnen Bewohner nicht mehr augenfällig.

Neben Anlagen mit stark aufgelockerten Bauformen gibt es auch stärker verdichtete Anlagen, die von Reihenhäusern dominiert werden. Im Gegensatz zum klassischen Einfamilienhaus mit umgebender Freifläche rücken die Wohnparteien im wahrsten Sinne zusammen, im Mittelpunkt steht der pragmatische Wunsch nach mehr Wohnsicherheit. Man verzichtet auf Anonymität und private Grundstücksflächen zugunsten von mehrgeschossigen Bauweisen, Gemeinschaftsflächen und gemeinsam genutzten Einrichtungen. Dieser auch als „Cluster-Housing“ bekannte Typ spricht vor allem die Mittelschicht als Klientel an.

Bewachte Nachbarschaften

In bestehenden Wohngebieten ist eine nachträgliche Abschottung vom öffentlichen Raum deutlich schwieriger zu realisieren. Oft entstehen kleinräumigere Strukturen als bei den Gated Communities, sogenannte bewachte Nachbarschaften. Sie weisen ebenfalls Zugangskontrollen auf. Diese waren in der Vergangenheit zuweilen illegal, weil sie ohne Zustimmung der städtischen Verwaltung vorgenommen wurden und öffentliche Straßen vom Durchgangsverkehr abschnitten. Finanziert werden die Sicherungsmaßnahmen von den Bewohnern der jeweiligen Nachbarschaft, die sich in Form von Komitees zusammenschließen.

Johannesburg (Gauteng) Bevölkerungsgruppen 152.4

Die Karte gibt einen Überblick über die ethnische und soziale Ausdifferenzierung einer Teilregion der Provinz Gauteng, deren Hauptstadt Johannesburg ist. Gauteng ist das wirtschaftliche Zentrum des Landes, dort wird ein Drittel der Wirtschaftsleistung Südafrikas erbracht. Die Provinz ist dicht besiedelt und Ziel von Zuwanderern aus allen Teilen Afrikas. Rund zwölf Millionen Menschen leben dort, dies ist ein Viertel der Bevölkerung Südafrikas. Der Regierungssitz Südafrikas, Pretoria, liegt ebenfalls in der Provinz Gauteng, nur rund 50 Kilometer nördlich von Johannesburg.

Das Gebiet ist Zentrum des südafrikanischen Goldbergbaus (s. 160/161), sodass eine Vielzahl von Abraumhalden und Grubenstandorten das Erscheinungsbild der Landschaft bestimmen. Die meisten Bergwerke im Stadtgebiet von Johannesburg sind heute stillgelegt. Dennoch markieren ihre Betriebsgelände die Gliederung der Region in eher bevorzugte Wohngebiete im Norden und aufgrund ungünstiger Winde weniger bevorzugte Wohngebiete im Süden.

Erbe der Apartheid

Eine als „Affirmative Action“ bezeichnete gezielte Bevorzugung von Nicht-Weißen bei der Einstellung im öffentlichen Dienst und gesellschaftlicher Druck auf den privaten wirtschaftlichen Sektor haben die soziale Position traditionell benachteiligter Gruppen im Vergleich zu den Jahrzehnten der Apartheid deutlich verbessert. Obwohl zum Beispiel eine schwarze Mittelschicht entstanden ist, die inzwischen auch in den Wohnanlagen im Norden der Stadt nennenswerte Bevölkerungsanteile stellt (s. 152.3), ist die soziale Schere zwischen den Gewinnern und Verlierern der Postapartheid-Phase in vielen Bereichen der Gesellschaft spürbar. Perspektiven für eine lukrative Arbeit, Teilhabe am öffentlichen Leben und sozialen Aufstieg bieten vor allem die Metropolen Südafrikas. Dorthin zieht es auch arme Menschen aus ländlichen Regionen, in denen vielerorts eine extrem hohe Arbeitslosigkeit herrscht. Unterkunft finden die Zuwanderer zunächst meist in den informellen Siedlungen am Stadtrand und im Süden.

Stadt der Gegensätze

Die Provinz Gauteng ist die wirtschaftlich bedeutendste Region Südafrikas. Sie umfasst unter anderem den Großraum Johannesburg mit West Rand und Ekurhuleni (East Rand). Einige Namen sind in der jüngeren Vergangenheit afrikanisiert worden, um damit das Abrücken von der kolonialeuropäisch geprägten Kultur Südafrikas zu bekräftigen. Im Norden wird Johannesburg in naher Zukunft über den sogenannten Midrand mit dem Regierungssitz Pretoria zusammenwachsen. Gemeinsam werden beide Städte eine neue Megalopolis im südlichen Afrika.

Johannesburg / Pretoria ist neben Nairobi die einzige Stadtregion mit kontinentaler Ausstrahlung im subsaharischen Afrika (s. 153.5). Die öffentlichen Einrichtungen der Stadt konzentrieren sich auf die zentrale Downtown und den Stadtteil Sandton. Der O. R. Tambo-International Airport hat sich zu einer der wichtigsten Verkehrsdrehscheiben Afrikas entwickelt (s. 272.2).

Der Anteil der schwarzen Bevölkerung in Johannesburg lag 2011 bei etwa 76 Prozent, derjenige der weißen Bevölkerung bei 12 Prozent. Coloureds hatten einen Anteil von 6 Prozent, Asiaten 5 Prozent.

Vor dem Ende der Apartheid waren die Townships zwangsweise Wohngebiete der nicht-weißen Bevölkerung; eines der bekanntesten Beispiele war Soweto im Südwesten von Johannesburg. Das Stadtbild dort wird bis heute durch Massenwohnungsbau gekennzeichnet. Typisch sind die „Matchbox Houses“, vielfach mit Hinterhofbebauung, und „Informal Housing“, meist Hüttensiedlungen, die ursprünglich illegal gebaut, später aber häufig geduldet oder legalisiert wurden, in einigen Fällen aber auch wieder dem „Bulldozing“ zum Opfer fielen.

Die nach wie vor hohe Arbeitslosigkeit (2011: Johannesburg 25 %; unter Jugendlichen 32 %) zeigt ein Kernproblem Südafrikas. Sie verteilt sich sehr ungleichmäßig über die gesamte Region. Insbesondere das südliche Johannesburg mit einem hohen Anteil schwarzer Bevölkerung in Stadtteilen wie Soweto weist sehr viel höhere Quoten auf. Relativ kleinräumig existieren in Johannesburg Erste und Dritte Welt unmittelbar nebeneinander oder konkurrieren um Land und Ressourcen. Zeitweise galt Johannesburg sogar als gefährlichste Stadt der Welt.

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