Europa zur Zeit der ersten Kreuzzüge Ende 12. Jahrhundert

Europa - Europa - Mittelalter
978-3-14-100770-1 | Seite 88 | Abb. 2| Maßstab 1 : 30000000

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Bis 1200 setzte sich der christliche Glaube in fast ganz Europa durch. Seit der Eroberung Spaniens im 8. Jahrhundert durch die Mauren hatte sich allerdings der Islam in Nordafrika, Vorder- und Zentralasien und ab dem 11. Jahrhundert auch in Indien ausgebreitet, sodass er Europa von Süden und Osten her umschloss und in Palästina, dem "Heiligen Land", unangefochten herrschte.

Die Kreuzzüge
Nach einem Hilferuf des byzantinischen Kaisers im Kampf gegen die türkischen Seldschuken rief Papst Urban II. 1095 die Christenheit zu einem Heiligen Krieg zur "Befreiung" Jerusalems auf. Aufgebrachte Massen fielen in deutschen und französischen Städten mordend und plündernd über Judenviertel her. Auf ihrem Zug ins Heilige Land wurden sie aber von den Seldschuken vernichtend geschlagen. Der 1. Kreuzzug begann im darauffolgenden Jahr. Er führte zur Errichtung verschiedener Kreuzfahrerstaaten: des Königreichs Jerusalem sowie der Fürstentümer Edessa, Antiochia und Tripolis. Als Edessa 1146 von den Seldschuken zurückerobert wurde, kam es 1147 zum 2. Kreuzzug, mit einem militärischen Desaster noch auf dem Zug durch Kleinasien endete.
Die Einnahme Jerusalems durch Sultan Saladin löste den 3. Kreuzzug aus. Unter Führung Kaiser Friedrichs I. Barbarossa und der Könige Philipp II. von Frankreich und Richard Löwenherz von England verließ eine eindrucksvolle Armee Europa, um das Königreich Jerusalem zurückzuerobern. Der Kaiser, der mit seiner Truppe die Landroute gewählt hatte, ertrank jedoch 1190 in Kleinasien in einem Fluss. Richard Löwenherz nahm auf dem Seeweg Zypern ein. 1191 gelang es ihm, nach längerer Belagerung auch Akkon zu erobern und einen schmalen Küstenstreifen von Tyros bis Jaffa zu sichern. Hier wurde erneut das Königreich ausgerufen.
Die folgenden drei Kreuzzüge scheiterten schon unterwegs oder brachten kaum Erfolg. Der 7. Kreuzzug von 1248 kann als letzte große Anstrengung Europas angesehen werden, den Kreuzfahrerstaaten zu Hilfe zu kommen. Zwar konnte Akkon bis zu seinem endgültigen Fall 1291 noch einmal gestärkt werden, aber Jerusalem und die Heiligen Stätten musste man verloren geben. Allerdings hatte sich der Kreuzzugsgedanke in Europa ausgebreitet. In Namen des christlichen Kreuzes zog man gegen die ketzerischen Albigenser in Südfrankreich, gegen die heidnischen Pruzzen und Esten im Baltikum und gegen die arabische Herrschaft auf der Iberischen Halbinsel ("Reconquista").

Hintergründe der Kreuzzugsbewegung
Für die Kreuzzugsbewegung zwischen dem 11. und 13. Jahrhundert lassen sich neben religiösen auch soziale, demografische, politische und wirtschaftliche Ursachen anführen. Dass die spektakulären Eroberungen der Seldschuken im weit entfernten christlichen Osten eine solche Resonanz in Westeuropa hervorrufen konnten, hing vor allem damit zusammen, dass sich das Christentum durch die hochmittelalterliche Siedlungsverdichtung in Dörfern und Städten sehr stark auf der Ebene des täglichen Lebens durchgesetzt hatte.
Nicht minder entscheidend wirkten sich soziale und demografische Faktoren auf die Kreuzzugsbewegung aus. Durch die Entwicklung des Lehnswesens hatten sich in vielen europäischen Ländern soziale Spannungen entwickelt. Das Bevölkerungswachstum des 11. Jahrhunderts hatte sowohl zahlreiche Bauern als auch einen Teil des niederen Adels landlos gemacht und begünstigte dadurch eine große Auswanderungsbewegung. Für die Kreuzzüge sprachen nicht zuletzt wirtschaftliche Interessen. Mit der Gründung städtischer Siedlungen im Schutz von Ritterburgen, an Klöstern, Wegkreuzungen und Brücken kam es ab dem 10. Jahrhundert zu einer allgemeinen Belebung und Ausweitung des Handelsverkehrs.
Ein Ziel der Kreuzzüge, die Vereinigung der lateinischen und der byzantinischen Kirche, wurde nicht erreicht. Die Berührung mit Byzanz und der islamischen Welt schuf aber die Voraussetzungen dafür, griechisches Geistesgut im Abendland bekannt zu machen. Überdies wurden die Handelswege Venedigs und Genuas gesichert.
K. Lückemeier, E. Astor

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