Europa - Winterliche Wettersysteme - Positiver NAO-Index

Erde - Erde - Klimadynamik und Weltmeere
978-3-14-100800-5 | Seite 250 | Abb. 2| Maßstab 1 : 120000000

Überblick

Der Nordatlantischen Oszillation (NAO), einer Schwankung im Luftdruck-Gegensatz zwischen Azorenhoch und Islandtief, wird ein bedeutender Einfluss auf die in den letzten Jahrzehnten beobachtete Klimavariabilität in den atlantisch geprägten Räumen Europas und Nordamerikas zugewiesen. Viele klein- und großräumige Veränderungen, die sich über Jahre und Jahrzehnte hinweg vor allem im winterlichen Temperatur- und Niederschlagsgeschehen zeigen, sind eng mit der Existenz dieser „Luftdruckschaukel“ im nordhemisphärischen Atlantik verknüpft – und das bedeutet, dass sie zunächst nicht im Kontext des globalen Klimawandels stehen.

Die Nordatlantische Oszillation

Die Atlaskarte zeigt zwei extreme Modi der Nordatlantischen Oszillation – den positiven und den negativen NAO-Index – und deren Auswirkungen auf das Wetter- und Witterungsgeschehen im nordhemisphärischen atlantischen Raum. Prägend für die Nordatlantische Oszillation sind erstens die Luftdruckamplitude zwischen Azorenhoch und Islandtief und zweitens die auftretenden Schwankungen in diesem Luftdruckgefälle.

Ist die Luftdruckdifferenz zwischen Azorenhoch und Islandtief hoch, spricht man von einem positiven NAO-Index, ist die Luftdruckdifferenz hingegen niedrig, liegt eine negative NAO-Index-Lage vor. Besonders ausgeprägt ist das Luftdruckgefälle zwischen Azorenhoch und Islandtief grundsätzlich in den Wintermonaten von Dezember bis März. Es kann aber in seinem Ausmaß von Winter zu Winter schwanken. Dies äußert sich beispielsweise in einer stärker oder schwächer ausgeprägten Intensität der Westwinddrift.

Wissenschaftlich besonders interessant – weil dann auch klimawirksam – sind über mehrere Jahre oder Jahrzehnte anhaltende Phasen mit positiven oder negativen NAO-Indexwerten. So herrschten beispielsweise in dem Zeitraum zwischen 1902 und dem Ende der 1920er-Jahre starke winterliche Druckdifferenzen zwischen Azorenhoch und Islandtief vor, von Anfang der 1960er- bis Anfang der 1970er-Jahre dominierten hingegen eher geringe Luftdruckgegensätze. Seit den 1980er-Jahren ist das winterliche Wetter- und Witterungsgeschehen wiederum durch positive NAO-Indizes geprägt, wobei allerdings der ansteigende Trend seit den 1960er-Jahren und die Magnituden des NAO-Indexwerts Anfang der 1990er-Jahre Auffälligkeiten im Betrachtungszeitraum der letzten 180 Jahre sind. Der Trend zu durchgängig hohen NAO-Indexwerten setzte sich nach dem Jahr 2000 nicht fort; es folgten einige Jahre mit negativen NAO-Werten.

Auswirkungen auf das Wetter in Europa

Die Nordatlantische Oszillation ist gewissermaßen der „Koch“ in der „Wetterküche Nordatlantik“. Ein hohes Luftdruckgefälle zwischen Azorenhoch und Islandtief hat zur Folge, dass mit einer verstärkten Westwinddrift im Winter der Golfstrom intensiviert wird und vermehrt milde, feuchte Atlantikluft weit auf den europäischen Kontinent gelangt. Häufig treten Stürme auf; auch werden bei positiven NAO-Indexwerten vergleichsweise hohe Temperaturen in Nord- und Mitteleuropa registriert. Winterliche Tiefdruckgebiete haben dann eine mehr nordöstliche Zugrichtung, mit der Folge, dass im ozeanisch geprägten nördlichen Mitteleuropa, besonders in Westnorwegen, deutlich höhere Winterniederschläge fallen.

Ein negativer NAO-Index geht indessen mit einer relativ kalten und trockenen winterlichen Witterung in Nord- und Mitteleuropa einher. Aufgrund der relativ schwach ausgeprägten und auch südlicher verlaufenden Westwinddrift kann hier das Osteuropahoch vergleichsweise häufiger das Wettergeschehen dominieren. Hingegen verzeichnen der europäische und nordwestafrikanische Mittelmeerraum, ja sogar der Nahe Osten in Zeiten einer negativen NAO übernormal hohe winterliche Niederschläge.

NAO und Klimawandel

Die positiven Indexwerte der Nordatlantischen Oszillation der 1990er-Jahre werfen die Frage auf, ob die gegenwärtige Erwärmung einen maßgeblichen Einfluss auf die NAO ausübt. Verschiedene Klimamodellsimulationen deuten an, dass die Nordatlantische Oszillation sensitiv auf steigendes CO2 reagiert, andere Faktoren aber eine weitaus größere Rolle spielen müssen. Dies bestätigt auch der Ende der 1990er-Jahre zu registrierende Trend hin zu negativen NAO-Indexwerten.

Umgekehrt sollten Diskussionen über den Klimawandel in Europa nicht die Einflüsse gerade lang anhaltender Phasen bestimmter NAO-Indexlagen außer Acht lassen. Keinesfalls sollten regionale, etwa in Europa auftretende Klimavariabilitäten, die auf die Nordatlantische Oszillation zurückgeführt werden können, den Blick auf den globalen Klimawandel verstellen.

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