Europa - Tourismus

Europa - Europa - Tourismus
978-3-14-100800-5 | Seite 105 | Abb. 3| Maßstab 1 : 24000000

Überblick

Die Karte zeigt die touristischen Zielgebiete Europas, ihre räumliche und saisonale Differenzierung und die wichtigsten Formen des Tourismus. Durch die historische Zuordnung der Destinationen in den Zeitraum vor bzw. nach 1960 wird der erhebliche Bedeutungsgewinn des Tourismus als Wirtschaftsfaktor in den letzten Jahrzehnten deutlich.

Quellgebiete des Tourismus sind vor allem die hoch entwickelten Länder in West-, Nord- und Mitteleuropa, zunehmend aber auch einige sich dynamisch entwickelnde LänderOsteuropas. Zielgebiete sind in erster Linie die Küsten, vor allem die der Mittelmeerländer und -inseln, zum Beispiel die Balearen (s. 105.4). Wichtige Faktoren sind dort das warme, sonnige Klima, die Strände, landschaftlich abwechslungsreiche Küstenstriche, die Erreichbarkeit und die Ausstattung der Einrichtungen. Weitere Schwerpunkte des Tourismus sind die Hochgebirge sowie einige Großstädte, die zum Beispiel mit ihrem historischen Stadtbild oder mit kulturellen Angeboten Besucher anziehen. Einige dieser Gebiete zählen zu den meistbesuchten Tourismuszielen der Erde.

Zur Geschichte des Tourismus im Mittelmeerraum

Zur Herausbildung von Orten des Badetourismus kam es zunächst an der französischen und italienischen Riviera sowie in Istrien ab Mitte des 18. Jahrhunderts. Bis zum Ersten Weltkrieg wurde auch der Golf von Neapel mit Capri und Ischia zu einer Fremdenverkehrsregion, v. a. für die Oberschicht.

Ab Mitte der 1950er-Jahre setzte der „Drang in den sonnigen Süden“ auf breiter Basis ein. Ziele waren vor allem die weiten Sandstrände der Mittelmeerküste. Weiter von den Quellgebieten entfernt liegende Zielgebiete wie die Costa del Sol oder Sizilien konnten erst mit der Ausweitung des Flugverkehrs kostengünstig erreicht werden. Der Kontrast von Küstengebieten mit ihrer modernen touristischen Infrastruktur, aber auch den davon ausgehenden Belastungen für Umwelt und Gesellschaft zum oft wenig beeinflussten Hinterland der Küsten ist bis heute beträchtlich.

Nach 1960 wurden auch die südfranzösische Mittelmeerküste, die Balearen, die Algarve, die spanische und tunesische Mittelmeerküste sowie die rumänische und bulgarische Schwarzmeerküste verstärkt für den Tourismus erschlossen. Zum Ende des 20. Jahrhunderts folgten die türkische Mittelmeerküste, hauptsächlich um Antalya, und die marokkanische Atlantikküste, insbesondere bei Agadir. Heute ist in vielen Regionen zu beobachten, wie die touristische Infrastruktur der ersten Tourismusgenerationen ersetzt oder in großem Umfang modernisiert wird, um veränderten Bedürfnissen gerecht zu werden.

Gebirge als Tourismusziele

Die Mittelgebirge und Hochgebirge Europas dienen in unterschiedlichem Maße der Sommer- und Wintererholung. Für den Wintersport sind ausreichende Schneesicherheit bei nicht zu niedrigen Temperaturen, eine leichte Erreichbarkeit und die entsprechende Infrastruktur notwendige Voraussetzungen. Je nach Ausrichtung der jeweiligen Region spielt auch die Lage zu Nationalparks und anderen Großschutzgebieten eine wichtige Rolle.

Das mit Abstand wichtigste Zielgebiet dieser Art sind die Alpen (s. 116.1). Gerade der umsatzstarke Wintertourismus ist hier vielfach stärker ausgeprägt als der Sommerreiseverkehr, in bestimmten Regionen, etwa in Tirol (außerhalb des Inntals), hat er sogar die Funktion einer Leitökonomie (s. 117.3–4). Andere, im Vergleich zu den Alpen weniger bedeutende Zielgebiete liegen inselartig in den skandinavischen Gebirgen, im Riesengebirge und der Hohen Tatra, in den Pyrenäen, der Sierra Nevada, dem Dinarischen Gebirge und den Rhodopen.

Im Sommer werden die Gebirge im Mittelmeerraum traditionell als Sommerfrische in Anspruch genommen, um der großen Hitze im Tiefland zu entfliehen (u.a. Sabiner Berge / Abruzzen bei Rom). Auch in West-, Mittel- und Nordeuropa dienen Gebirge dem Sommertourismus. In den Mittelgebirgen und ihren Tälern sind Wandern und Radfahren beliebte Freizeitaktivitäten.

Weitere Zielgebiete

Zu den ältesten Fremdenverkehrsarten überhaupt zählt der Pilgertourismus. Wallfahrts- und Pilgerorte finden sich in Ländern Europas mit vorwiegend katholischer und griechisch-orthodoxer Bevölkerung.

Die Lage der Heilbäder und Kurorte folgt vielfach geologischen Leitlinien wie Bruchzonen und Verwerfungen. In Gebieten ehemaliger vulkanischer Aktivität wie dem französischen Zentralmassiv lässt sich ebenfalls eine Konzentration von Heilbädern erkennen. Auch ein günstiges Bioklima, etwa Reizstärke oder besonders reine Luft, kann hier die Standortwahl bestimmen.

Städtereisen sind momentan eines der am stärksten wachsenden Marktsegmente im Tourismus. Anziehungspunkte sind zum einen historische Orte, Baudenkmale, Museen, Theater, Ausstellungen usw. Zum anderen entscheiden in hohem Maße Einkaufs- und Unterhaltungsmöglichkeiten die Wahl des Reiseziels. Zu beobachten ist ein Trend zum „Eventtourismus“, bei dem zeitlich befristete Großereignisse im Sport (z. B. Fußballeuropa- oder -weltmeisterschaften) oder im Kulturbereich (z. B. Kunstausstellungen oder Musikwochen) eine große Anziehungskraft auf die Besucher ausüben. Zum Bereich des Städtetourismus zählen überdies der beruflich motivierte Geschäftsreiseverkehr und der Messe- und Kongressreiseverkehr. Insgesamt weisen die Großstädte die geringsten saisonalen Schwankungen und die höchsten Besucherzahlen auf. Gerade die europäischen Hauptstädte und Metropolen stechen hier klar hervor, beispielsweise Wien mit rund 5,8 Mio. Gästeankünften (2013; zum Vergleich 2007: 4,2 Mio.) und einer durchschnittlichen Aufenthaltsdauer von 2,2 Tagen.

Kreuzfahrten und Kurzreisen

Weitere stark wachsende Tourismussegmente sind Kreuzfahrten sowie Kurzaufenthalte in Freizeitparks und Wellnesshotels. Auf der Karte sind die klassischen europäischen Kreuzfahrtrouten eingezeichnet (Reisedauer meist zwischen 7 und 14 Tagen). Die Küsten des westlichen Mittelmeeres und die Balearen werden auf einwöchigen Kreuzfahrten meist ab Genua besucht. Ein relativ neues Marktsegment sind Club-Kreuzfahrten, mit denen eher jüngere Reisende angesprochen werden. Nordlandfahrten während der warmen Jahreszeit waren bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts aufgrund der besonderen Landschaftserlebnisse, der Mitternachtssonne und des Polarlichts beliebt. Von Mai bis September sind die städtischen Zentren an der Ostsee das Ziel vieler Kreuzfahrten ab Kiel, Travemünde, Kopenhagen oder Rostock (s. 65.6). Flusskreuzfahrten konzentrieren sich auf die seit der Romantik touristisch erschlossenen Flusstäler, allen voran auf den Rhein. Stark frequentiert ist des Weiteren die Donau, besonders auf dem Abschnitt von Passau – Wien – Budapest.

Stark besuchte Freizeit- und Erlebnisparks liegen fast ausnahmslos in der Nähe städtischer Ballungszentren und sind verkehrstechnisch sehr gut erschlossen. Sie besitzen traditionell einen hohen Stellenwert für den Tagestourismus, werden aber mit ihren integrierten Themenhotels oder angegliederten Bungalowparks immer wichtigere Destinationen für Kurztourismus. Mit rund 15 Mio. Besuchern pro Jahr führt Disneyland bei Paris die Rangliste in Europa an.

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