Europa - Staatssprachen und Sprachminderheiten

Europa - Europa - Staaten und Sprachen
978-3-14-100380-2 | Seite 61 | Abb. 3

Überblick

Die Mehrzahl der europäischen Sprachen zählt zum indogermanischen Sprachstamm und verwendet die lateinischen Schriftzeichen. Das Ursprungsgebiet dieser großen Sprachenfamilie ist vermutlich der Raum zwischen Mitteleuropa und dem Ural. Ob die Träger einem einheitlichen indogermanischen „Urvolk“ zuzurechnen sind, ist stark umstritten. Die wesentlichen Sprachzweige in Europa sind die germanischen, romanischen und slawischen Sprachen. Türkisch, Ungarisch, Finnisch und Estnisch weisen keinerlei Verwandtschaft zur indoeuropäischen Sprachfamilie auf. Ausgehend von einem Zentrum zwischen Mitteleuropa und dem Ural haben sich die Indogermanen um 2000 v. Chr. in expandierende Völkerschaften aufgelöst. Während die eine Stoßrichtung auf den indischen Subkontinent und nach Vorderasien zielte, ging die andere Bewegung nach Europa hinein. Die Entstehung der indoeuropäischen Einzelsprachen hat sich dabei sowohl durch Abspaltung als auch durch Vermischung mit autochthonen Sprachelementen ergeben. Bei den germanischen Sprachen unterscheidet man zwei Gruppen: die westgermanischen (Englisch, Deutsch, Niederländisch, Friesisch) und die nordgermanischen Sprachen (Schwedisch, Dänisch, Norwegisch, Isländisch). Die slawischen Sprachen zerfallen in Ostslawisch (Russisch, Ukrainisch, Weißrussisch; kyrillische Schrift), Westslawisch (Tschechisch, Slowakisch, Sorbisch, Polnisch, Kaschubisch; lateinische Schrift) und Südslawisch (Südostslawisch = Bulgarisch, Makedonisch in kyrillischer Schrift; Südwestslawisch = Slowenisch, Kroatisch, Bosnisch in lateinischer Schrift sowie Serbisch und Montenegrinisch in kyrillischer und lateinischer Schrift). Die romanischen Sprachen – die aus dem Lateinischen hervorgingen, das durch die Expansion des Römischen Reiches weite Teile Europas erreichte und auch nachhaltig beeinflusste – werden nicht weiter unterteilt. Estnisch, Finnisch und Ungarisch zählen zur uralischen Sprachfamilie, deren Ursprungsgebiet an der Wolga und im Ural zu suchen ist. Zur Gruppe der uralischen Sprachen gehören auch die überwiegend in Nordskandinavien beheimateten samischen Sprachen, die karelische Sprache, die in Teilen Russlands gesprochen wird, sowie die nenzische Sprache in der Tundra und nördlichen Taiga. Durch kriegerische und friedliche Expansion der europäischen Völker kam es im Laufe der Jahrtausende zu Rückzugsgebieten und Inselbildungen von Sprachen. Beispiele hierfür liefern die keltischen Sprachen in Wales, der Bretagne und in Irland, das Katalanische und Galicische in Spanien, die slawisch-sorbische Sprachinsel in Mitteldeutschland oder das Rätoromanische in der Schweiz. Zu diesen Rückzugssprachen zählen auch das Baskische in Spanien und Frankreich oder das Kurdische im Vierländereck Türkei, Syrien, Irak und Iran. Einige der Volksgruppen, die diese Sprachen sprechen, beharren auf ihrer sprachlichen, kulturellen und ethnischen Identität und fordern nationale Autonomie oder Selbstständigkeit.

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