Europa am Ende der Herrschaft Karls des Großen um 814

Europa - Europa - Mittelalter
978-3-14-100770-1 | Seite 88 | Abb. 1| Maßstab 1 : 30000000

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Am Beginn des Hochmittelalters steht der Prozess der Reichsbildung der fränkischen Germanen, deren Einfluss sich unter der Herrscherfamilie der Karolinger auf fast ganz Westeuropa erstreckte. Einer der wichtigsten Erfolge der Regentschaft Karls der Großen war, alle deutschen Stammesherzogtümer und Stämme unter seine Herrschaft zu bringen und, wenn auch nur für kurze Zeit, ein "Reichsvolk" aus ihnen zu machen. Nicht zufällig taucht zu dieser Zeit erstmals eine Bezeichnung für die Sprache aller germanischen Stämme auf: "Thiudisk" (Deutsch).
Doch schon bald nach dem Tod Karls des Großen machten sich in den europäischen Fürstentümern und Königreichen zwei für das beginnende Hochmittelalter charakteristische Konflikte geltend. Dies war zunächst der Konflikt zwischen den Machtansprüchen des Königtums einerseits und denjenigen der konkurrierenden Adelsfamilien andererseits. Die Lösungen dieses Konflikts waren für die spätere Entwicklung der europäischen Reiche und Staaten von weitreichender Bedeutung. Der zweite zentrale Konflikt war derjenige zwischen dem Einfluss- und Machtbereich der weltlichen Herrschaft und dem Autonomie- und Herrschaftsanspruch der Kirche. Der Gedanke der Einheit des christlichen Abendlandes führte lange vor den Aufrufen, das Grab Christi aus den Händen der Araber zu befreien, zu den als Investiturstreit bekannt gewordenen Auseinandersetzungen zwischen Papst und Kaiser.

Karl der Große
Als Karl der Große 768 n. Chr. die Herrschaft über das Frankenreich übernahm, umfasste es fast das ganze heutige Frankreich und die Hälfte des heutigen Deutschland. Karls Vater, Pippin III. (der Jüngere), hatte 751 den Merowingerkönig abgesetzt und sich selbst zum König wählen und vom Papst legitimieren lassen. Ihm gelang es, die durch Dialekte, Sitten und Bräuche unterschiedenen Herzogtümer der Bayern, Alemannen und Thüringer stärker in den fränkischen Machtbereich zu integrieren; sie waren zur Heeresfolge verpflichtet.
773 zog Karl der Große über die Alpen und besiegte die Langobarden. 778 kämpfte er gegen das maurische Spanien und errichtete im Nordosten der Iberischen Halbinsel die Spanische Mark (795). Im Jahr 787 setzte er den bayerischen Herzog Tassilo III. ab; Bayern verlor seine Autonomie. Dann zog Karl der Große gegen die Awaren, kriegerische Reiterhorden aus Asien, die in Bayern eingefallen waren, sowie gegen Slawen und Dänen. Die größte militärische Kraftanstrengung unter Karl dem Großen waren die Kriege gegen die Sachsen, die 772 begannen und nach zahlreichen Siegen und Niederlagen erst 804 mit Unterwerfung und Christianisierung endeten. Innen- und außenpolitisch schuf Karl der Große alle Voraussetzungen eines einheitlich organisierten Reiches.
Der nach seinem Tod einsetzende Zerfall begünstigte Plünderungsfahrten, mit denen die aus Skandinavien stammenden Wikinger ab dem Ende des 8. Jahrhunderts die Küsten Europas überzogen. Norwegische Wikinger überfielen zunächst die Nordostküste Englands und besetzten Nordschottland und Irland. Einige zogen die Atlantikküste in südlicher Richtung entlang und erreichten durch die Straße von Gibraltar die Mittelmeerküsten, andere besetzten die Shetland-Inseln, die Färöer Inseln und Island. Dänische Wikinger überfielen England und das Frankenreich und eroberten die Normandie. Schwedische Wikinger überquerten die Ostsee und gründeten entlang den slawisch besiedelten Küsten verschiedene Herrschaften.
In der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts drangen Wikinger bis an den Mittelrhein vor. Nachdem sie Köln, Bonn und Trier verwüstet hatten, zogen sie ins Rhônetal und nach Norditalien. 1016 n. Chr. wurde England von Wikingern aller drei skandinavischen Reiche erobert. 50 Jahre später drangen normannische Wikinger bis nach Unteritalien und Sizilien vor, wo sie die Reiche Apulien und Sizilien gründeten. Schwedische Wikinger (Waräger oder Rus) zogen unterdessen entlang der Wolga bis zum Kaspischen Meer und zum Schwarzen Meer, nach Konstantinopel und Bagdad.
K. Lückemeier, E. Astor

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