Euphrat und Tigris - Wassernutzung

Europa - Türkei - Brücke zwischen Europa und Asien
978-3-14-100800-5 | Seite 141 | Abb. 5| Maßstab 1 : 12000000

Überblick

Die Karte zeigt Aspekte der Wasserverteilung und Wassernutzung im Euphrat-Tigris-Becken, einem der gegenwärtig brisantesten Krisenherde der Welt. Die Region im Vorderen Orient ist durch scharfe Gegensätze der Niederschlags- und Wasserverteilung gekennzeichnet. In den Kettengebirgen des „fruchtbaren Halbmonds“, die im Norden, Osten und – außerhalb des Kartenbereiches – auch im Westen das Euphrat-Tigris-Becken einrahmen, kommt es zu teils ergiebigen, zumeist winterlichen Niederschlägen (s. Klimadiagramm in der Karte). Aus diesen Überschussgebieten fließt das Wasser durch die angrenzenden Trockenräume,wo Euphrat und Tigris als Fremdlingsflüsse die Grundlage einer ausgedehnten Bewässerungswirtschaft sind (s. 142/143).

Knappheit und Konflikte

In den dargestellten Ländern hat die verfügbare Wassermenge pro Kopf der Bevölkerung in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich abgenommen, weil dieWasserressourcen auf niedrigem Niveau unverändert geblieben sind, während die Bevölkerungszahlen stiegen. Unter diesen Bedingungen verschärften sich die Verteilungskonflikte um Wasser sowohl zwischen den Anrainerstaaten der grenzüberschreitenden Flüsse als auch zwischen den verschiedenen wirtschaftlichen und sozialen Interessengruppen innerhalb der einzelnen Länder.

Rund zwei Drittel des Wassers in der Euphrat-Region werden für die Landwirtschaft verbraucht. Mit steigendem Bedarf für die Trinkwasserversorgung und Industrie und abnehmendem Wasserangebot wird zukünftig aber immer weniger Wasser für die Landwirtschaft zur Verfügung stehen. Die Wüstenstaaten Jordanien und Saudi-Arabien sind schon jetzt kaum noch in der Lage, in größerem Umfang Bewässerungslandwirtschaft zu betreiben, aber auch in Syrien zeichnet sich ein Austrocknen alter Bewässerungskulturen ab; die Bewässerungslandwirtschaft dort ist hingegen stark von Wasserbauprojekten im Osten der Türkei abhängig. Im Irak ist die Lage am Tigris bisher (noch) weniger dramatisch, weil er durch Nebenflüsse aus dem Iran versorgt wird.

Die Entwicklung der Wassernutzung

Das Wasser von Euphrat und Tigris stammt überwiegend aus dem anatolischen Hochland in der Türkei. Beide Flüsse werden von den dort relativ hohen Niederschlägen gespeist. Diese Niederschläge tragen 90 Prozent zur Wasserführung des Euphrats und zu 60 Prozent zu der des Tigris bei.

Seit Ende der 1980er-Jahre wird das vorwiegend von Kurden besiedelte Südostanatolien durch große Dammbauten und die Anlage von Kanälen in ein riesigesBewässerungsgebiet umgewandelt (s. 141.6). Die politische Brisanz des Südostanatolienprojekts besteht darin, dass die beiden Unterlieger an Euphrat und Tigris, die Länder Syrien und Irak, bereits früher an ihren Flussabschnitten Staudämme zur Errichtung von Bewässerungssystemen errichtet haben. Als Folge des Baus der türkischen Stauanlagen konnten der 1973 errichtete Assad-Damm in Syrien und die 1913, 1956 und 1983 im Irak gebauten Großdämme am Euphrat nicht mehr wie früher gefüllt werden. Die zugehörigen Bewässerungsgebiete mit hunderttausenden Bauern gerieten dadurch in Gefahr.

Am Euphrat zeigt sich ein langfristiger Trend abnehmender Abflussmengen. Im Zeitraum 1938–73 wurden an der türkisch-syrischen Grenze Werte von durchschnittlich 30 Mrd. Kubikmeter pro Jahr gemessen, im Zeitraum 1990–2010 waren es nur noch 23 Mrd. Kubikmeter. Rückläufig sind vor allem die Maximalwerte (von 57 auf 33 Mrd. m3). Neben der Wasserspeicherung in den Stauseen Anatoliens macht sich dabei als Ursache auch eine seit Anfang der 1990-er Jahre andauernde Trockenperiode mit unterdurchschnittlichen Niederschlägen bemerkbar.

Um die Wassernutzung zwischen der Türkei, Syrien und dem Irak zu regeln, wurden zwischen 1980 und 2009 zwischenstaatliche Vereinbarungen getroffen. Ein erster Meilenstein war die Festlegung einer Mindestwasserführung für den Euphrat an der türkisch-syrischen Grenze, womit die Wassernutzung am Unterlauf ermöglicht wird. Irak und Syrien teilten diese Wassermenge 1990 untereinander auf (42 % bzw. 58 %). Ab 2001 wurden schrittweise unter anderem regelmäßige Konsultationen, Informationsaustausch und gemeinsame Forschungs- und Wasserbauprojekte vereinbart.

Zukunftsoptionen eines nachhaltigen Wassermanagements

Ein Ansatzpunkt für eine nachhaltige Wassernutzung ist die Etablierung ressourcenschonender Bewässerungstechnologien, um die hohen Verdunstungsverluste zu senken, das Wasserdefizit deutlich zu verringern und sogar eine Ausweitung der Bewässerungsflächen zu ermöglichen. Die Grafik im Atlas macht dies anhand des Furcheneinstaus, der Beregnung und der Tröpfchenbewässerung deutlich (141.4 ). Die Effektivität der Bewässerung nimmt dabei zu, allerdings sind die vergleichsweise hohen Investitionskosten für die Bewässerungssysteme aufzubringen.Zu beachten ist neben dem Effekt der Wasserersparnis auch, dass eine effektive Bewässerung das Risiko der Bodenversalzung senkt (s. 141.3). ,

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