Erschließung um 1250

Deutschland - Deutschland - Landschaftsgeschichte
978-3-14-100870-8 | Seite 63 | Abb. 2| Maßstab 1 : 3500000

Überblick

Im Verlauf des Mittelalters fand eine tiefgreifende Umgestaltung der norddeutschen Landschaft statt, vor allem durch die "Ostkolonisation", die um 1000 begann und um 1400 zum Abschluss kam. Das Vordringen des Pfluges und der Dreifelderwirtschaft, die Ausdehnung des Kulturlandes durch Rodungen, die verstärkte Anwendung von Wasser- und Windmühlen und die Marktorientierung zählten zu den wichtigsten wirtschaftlichen Veränderungen der Epoche. Sie waren verbunden mit einem raschen Bevölkerungswachstum. Der daraus entstehende Bevölkerungsdruck war wiederum maßgeblich für die Erschließung der Gebiete östlich der Elbe. Die Gründung von Siedlungen und die Urbanisierung des Landes führten zu einer grundlegenden Veränderung der Landschaft.

Ausweitung des Kulturlandes

Zusammenhängende Waldlandschaften gab es im Norden Deutschlands um 1250 nur noch im Harz und im Thüringer Wald, daneben zwei von Eichen dominierte Waldinseln im heutigen Niedersachsen. Erhalten waren außerdem die Erlenbruchwälder der moorigen Niederungen, die lange Zeit als Siedlungsgebiet gemieden wurden. Überall sonst war der Wald durch Rodung zurückgedrängt. An seiner Stelle entstand eine mittelalterliche Kulturlandschaft mit ihrem charakteristischen Nutzungsmosaik aus Wäldern, Wiesen, Weiden und Ackern, wobei die Grenzen zwischen den Nutzungsarten meist unscharf waren. Die Buche war inzwischen bis an die Ostsee vorgedrungen. Weil aber kaum noch Land aufgegeben wurde, breitete sie sich nicht weiter aus, überdies wurde sie durch Holzeinschlag und Waldweide vielerorts dezimiert. An ihrer Stelle wuchsen nun verbreitet Eichen und Hainbuchen oder auch Kiefern.

Die Küstenlinien waren den heutigen schon ähnlicher als zur Römerzeit. Die Deiche waren aber noch nicht sehr hoch, weshalb das Wasser bei den nachfolgenden Jahrhundertfluten noch oft bis weit ins Hinterland vordrang. Die Ost- und Westfriesischen Inseln veränderten ihre Lage durch den Einfluss von Meeresströmungen, bevor sie in der Neuzeit durch Küstenschutzmaßnahmen stabilisiert wurden. Auch das Gebiet der westlichen Wesermündung wurde erst nach dem Mittelalter eingedeicht. Im westlichen Mündungsarm der Weser bildete sich in den folgenden Jahrhunderten durch mehrere Sturmfluten der Jadebusen (vgl. Karte 54.1).

Handelswege, Siedlungen, Städte

Die auffälligste Veränderung im Vergleich zur Römerzeit war die Zunahme der festen Siedlungen und Handelswege. Die Gebiete westlich der Elbe waren schon länger besiedelt, daher sind die Siedlungen dort meist deutlich älter als in den Gebieten östlich des Flusses, die erst im Zuge der deutschen Ostkolonisation dem Heiligen Römischen Reich angegliedert wurden. Die Kolonisierung ging nicht nur von weltlichen Herrschern, sondern auch von der Kirche aus. Eine besondere Pionierfunktion hatten die Zisterzienserklöster, die explizit zur Landerschließung in dünn besiedelten Gebieten gegründet wurden. In vielen Städten gab es sowohl weltliche als auch geistliche Herren, die zwar gelegentlich rivalisierten, im Wesentlichen aber gemeinsame Ziele verfolgten: die Urbanisierung des Landes und die Unterwerfung etwaiger Aufstände der kolonisierten Slawen.

Typische Faktoren, die die Wahl eines Ortes für eine Stadtgründung bestimmten, waren:

• die Lage an einem günstigen Flussübergang (Magdeburg, Berlin),

• die Lage an einem Küstenabschnitt, der für einen Hafen besonders gut geeignet war (Rostock an der Mündung der Warnow, Lübeck an der Mündung der Trave),

• die Nähe zu einem kirchlichen Zentrum (Münster) oder einer Burg/Pfalz (Hamburg),

• die Gründung von Marktorten und Handelsplätzen (Wik) an Fernhandelsstraßen oder deren Kreuzungen (Magdeburg),

• die Fortschreibung einer slawischen Siedlungsgründung (Brandenburg),

• machtpolitische Erwägungen des jeweiligen Landesherrn.

Die zahlreichen Stadtgründungen sind ein Beleg für den allgemeinen Aufstieg des Städtewesens in dieser Epoche. Verursacht wurde er unter anderem durch die verbesserten landwirtschaftlichen Erträge, den steigenden Handel, die Ausdifferenzierung des Handwerks und der Gesellschaft als solcher. Köln war um 1250 mit 35 000 bis 40 000 Einwohnern die größte Stadt im nördlichen Mitteleuropa; die meisten Städte zählten dagegen um die 2000 Einwohner. Wirtschaftlich waren sie entweder "Ackerbürgerstädte" (eher klein, landwirtschaftlich und regional orientiert) oder durch Gewerbe oder Handel geprägt (dann überregional orientiert wie Lübeck, Augsburg). Aus vielen mittelalterlichen Straßen entwickelten sich die Straßenführungen heutiger Zeit.

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