Erde - Reale Vegetation

Erde - Erde - Reale Vegetation und Landnutzung
978-3-14-100803-6 | Seite 260 | Abb. 1| Maßstab 1 : 90000000

Überblick

Während sich die Umgestaltung der natürlichen Landschaft bis zum Beginn des Industriezeitalters im Wesentlichen auf einige traditionelle Kulturregionen beschränkte, weicht die reale Vegetation inzwischen nahezu weltweit erkennbar von der potenziellen natürlichen Vegetation ab.

Die verschiedenen Vegetationszonen haben allerdings ein sehr ungleiches Potenzial für die landwirtschaftliche Nutzung. In den agrarischen Gunsträumen ist die ursprüngliche Pflanzenwelt inzwischen nahezu flächendeckend Kulturland gewichen, wobei je nach Klima und Landschaft unterschiedliche Agrarsysteme dominieren.

Zu den größten globalen Umweltproblemen gehört derzeit der weltweite Rückgang der Wälder, der sich, wenn auch mit unterschiedlicher Intensität, sowohl in Teilen des borealen Nadelwalds als auch in den Gebirgswäldern des Himalayas und in den tropischen Regenwäldern vor allem Südamerikas und Südostasiens beobachten lässt. Während sich in den einigen wohlhabenden Industrienationen die Einsicht in die Notwendigkeit einer nachhaltigen Forstwirtschaft immer stärker durchsetzen konnte, sind es häufig Regionen mit niedrigem Lebensstandard und hohem Bevölkerungswachstum, in denen der größte Druck auf den Wäldern lastet.

Reale Vegetation nach Ökozonen

In der Zone der Tundra, der Waldtundra und des nördlichen Nadelwaldes auf der Nordhalbkugel sind aufgrund der klimatischen Gegebenheiten, der kurzen Vegetationsperiode, der Permafrostböden und der in dieser Region verlaufenden Getreide-Anbaugrenze bislang nur vergleichsweise geringe menschliche Eingriffe durch Rodungen und Anlage von Kulturland zu verzeichnen. Die Klimaverhältnisse der Nadelwaldzone schränken den Anbau von Nutzpflanzen erheblich ein, allenfalls regional ist der Anbau von Roggen und Kartoffeln möglich. Im Bereich der baumlosen Tundra kann nur eine extensive Rentierhaltung betrieben werden.

Zugenommen hat allerdings die forstwirtschaftliche Inanspruchnahme der nördlichen Nadelwälder. Während die Karte noch große zusammenhängende Waldgebiete aufweist, ist der selektive Einschlag in einigen Regionen, etwa um den Baikalsee, bereits so weit fortgeschritten, dass die Entwaldung und Umwandlung der Wälder bedenkliche Ausmaße angenommen hat (s. 172.2). In Westsibirien steht die regionale Entwaldung im Zusammenhang mit der Öl- und Gasförderung.

Am stärksten ist die natürliche Vegetation in den mittleren Breiten zugunsten des Kulturlandes zurückgedrängt worden, insbesondere in der Zone der Laub- und Mischwälder und den feuchteren Steppen. Deutlich zu erkennen ist dies sowohl im Osten der USA als auch in Europa, Westasien und China. In dieser Zone gibt es ausreichend Wärme und Feuchtigkeit, um neben Getreide auch eine Vielzahl von Obst- und Gemüsearten anbauen zu können. Lediglich Teilräume wie die Appalachen in den USA oder die Alpen in Europa sind aufgrund ihres Reliefs lange Zeit von der großflächigen Umgestaltung ausgespart worden. Doch auch hier hat die touristische Erschließung in den letzten Jahrzehnten zu weiträumigen Eingriffen in die natürliche Vegetation und Landschaft geführt (vgl. 117.4). Im Bereich der feuchteren Steppen wird neben Weizen, Mais und Sonnenblumen, sofern die Temperaturen ausreichen, auch Baumwolle kultiviert.

Eine starke Umformung zu Kulturland hat auch die Zone der Hartlaubgehölze in den subtropischen Winterregengebieten wie Kalifornien und dem Mittelmeerraum erfahren (s. 133.3, 179.6, 221.5). Gleiches gilt für die an den Ostseiten der Kontinente unter Monsuneinfluss liegenden subtropischen Feuchtwälder in Südchina, Florida oder Brasilien. Diese Zone wird bevorzugt für den Anbau von Getreide, verschiedenen Zitrusfrüchten, Wein, Oliven und Gemüse genutzt. Vielerorts entscheidet die Verfügbarkeit von Bewässerungswasser darüber, ob intensiver Anbau betrieben werden kann.

Die xeromorphen Strauchformationen der trockenen Steppen lassen nur eine Weidewirtschaft zu und können aufgrund ihrer Niederschlagsarmut kaum für den Ackerbau genutzt werden. Erschwerend hinzu kommt hier die starke Variabilität der Niederschläge, die immer wieder während ganzer Perioden zur Unterschreitung der für den Anbau notwendigen Niederschlagsmengen führt. Infolge menschlicher Übernutzungen haben sich die Halbwüsten und Wüsten in den letzten Jahrzehnten auf Kosten der Dornstrauchsavannen immer weiter ausgeweitet (vgl. 256.3).

Eine landwirtschaftliche Nutzung der Wüsten und Halbwüsten ist nur räumlich sehr begrenzt in Oasen möglich. Von wenigen kleinräumigen Kulturen abgesehen ist die Verbreitung der Dattelpalme auf Oasen beschränkt, da die Pflanze am besten gedeiht, wenn sie „mit den Füßen im Wasser und mit dem Kopf in brennender Sonne“ steht. Genutzt werden sowohl die Früchte als auch die Stämme der Palmen, die Nutz- und Brennholz liefern.

Die Temperatur- und Niederschlagsverhältnisse im Bereich des Äquators ermöglichen den Anbau von besonders wärme- und feuchtigkeitsliebenden Nutzpflanzen wie Bananen, Ananas, Kakao und Kaffee. Die tropischen Regenwälder wurden in den letzten Jahrzehnten in besorgniserregendem Maße dezimiert, um Holz zu gewinnen, neue Bodenschätze zu erschließen oder um Flächen für Acker- und Weideland zu schaffen (s. 237.4–5). In Amazonien spielte dabei in jüngster Zeit die Ausweitung der Anbauflächen für Soja und Zuckerrohr eine entscheidende Rolle, in Südostasien fallen Naturwälder häufig Palmölplantagen für die Herstellung von Biokraftstoffen zum Opfer. Die ökologischen Folgen für die Pflanzen- und Tierwelt, nicht zuletzt auch für die Böden, sind schon heute in einigen Regionen dramatisch. Auch die Folgen der Regenwaldverluste für das Weltklima werden als sehr bedenklich eingestuft.

In den wechselfeuchten Tropen sind die Voraussetzungen für die Landwirtschaft trotz geringerer Niederschläge als in den Tropen günstig. Bei den Anbauprodukten überwiegen trockenresistentere Pflanzenarten. So werden im Bereich der Savannen etwa Mais, Hirse, Erdnüsse und Baumwolle angebaut. Mit zunehmender Trockenheit spielt die Viehhaltung eine immer größere Rolle.

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