Erde - Migration

Erde - Erde - Menschenrechte und Migration
978-3-14-100870-8 | Seite 34 | Abb. 2| Maßstab 1 : 90000000

Überblick

Als Migranten werden Menschen bezeichnet, die ihr Land freiwillig oder unfreiwillig für mehr als ein Jahr verlassen. Die Gründe können Kriege, Verfolgungen und Hungersnöte, aber auch die Hoffnung auf einen Arbeitsplatz und ein besseres Leben sein.

Nach Angaben der Vereinten Nationen gab es 2015 rund 244 Mio. Migranten weltweit, 2005 waren es 191 Mio. Migranten und im Jahr 2000 noch 176 Mio. Die Migranten machen damit mehr als drei Prozent der Weltbevölkerung aus. Die meisten Migranten in einem Einzelland leben in den USA (2015: 47 Mio.), nach Erdteilen in Europa und Asien (77 bzw. 75 Mio.). In Deutschland lebten im Jahr 2015 rund 12 Mio. Migranten, die größten Gruppen bilden hier Menschen aus der Türkei, Polen und Russland.

Ursachen von Migration sind zum einen die zahlreichen Verfolgungssituationen: Verfolgung aus politischen, religiösen oder ethnischen Gründen bis hin zur existenziell bedrohlichen Unterdrückung von Frauen. Weitere Fluchtgründe sind Kriegs- und Bürgerkriegssituationen sowie Hungersnöte. Ein weiterer Grund, der immer wichtiger wird, ist die Umweltzerstörung, die ein Überleben in der betroffenen Region immer schwieriger macht. Viele Menschen verlassen ihr Heimatland, um anderswo zu arbeiten. Menschen, die ihr Leben riskieren, um einer Situation der völligen finanziellen und wirtschaftlichen Perspektivlosigkeit zu entkommen, werden in den Industrienationen oft mit dem geringschätzigen Begriff des "Wirtschaftsflüchtlings" beschrieben.

Flüchtlinge

Nach Angaben des UNHCR waren Ende 2015 insgesamt 56,5 Mio. Menschen auf der Flucht, ihre Zahl hat seit 1990 stark zugenommen (s. Diagramm im Atlas). Das UNHCR unterscheidet drei Gruppen:

• Asylsuchende sind Flüchtlinge, die in anderen Ländern Aufnahme gefunden haben und für die gegenwärtig geprüft wird, ob sie dort Anspruch auf politisches Asyl und ein Bleiberecht haben.

• Flüchtlinge nach der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 sind Menschen, die aus ethnischen, religiösen bzw. politischen Gründen oder wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe in ihrer Heimat verfolgt werden und diese deshalb verlassen haben.

• Weit mehr als die Hälfte der Flüchtlinge waren 2015 Menschen, die zum Beispiel wegen Krieg, Gewalt oder Menschenrechtsverletzungen ihren Heimatort verlassen haben, sich aber nach wie vor im eigenen Land aufhalten und dessen Grenzen nicht überschritten haben (Binnenflüchtlinge).

Vom UNHCR nicht erfasst werden damit Flüchtlinge, die zum Beispiel aus wirtschaftlichen Gründen oder aufgrund von Naturkatastrophen ihr Heimatland verlassen haben. Für die Flüchtlingshilfe des UNHCR sind erhebliche Ausgaben nötig, diese haben seit 1990 - parallel zu den steigenden Flüchtlingszahlen weltweit - absolut zugenommen. Die Ausgaben pro Kopf sind allerdings vergleichsweise gering: Im Jahr 2015 wurden vom UNHCR rund 58 US-Dollar pro Flüchtling aufgewendet.

Räumliche Strukturen

Die Karte zeigt die Hauptherkunfts- und Zielgebiete der Migranten anhand von Pfeilen. Die grünen Pfeile beziehen sich auf grenzüberschreitende Wanderungen von Arbeitssuchenden. Sie kommen zum Beispiel aus Mexiko und haben die USA als Ziel - dies ist die größte Wanderungsbewegung zwischen zwei Ländern weltweit. Auch Süd- und Ostasien sind auf globaler Ebene wichtige Herkunftsregionen von Migranten, die häufig die USA, aber auch Westasien als Ziel haben. Die Europäische Union ist in deutlich geringerem Maße als die USA das Ziel von Arbeitsmigration, dabei zeichnet sich keine Herkunftsregion als dominierend ab. Innerhalb der EU sind vor allem die Staaten West-, Mittel- und Südeuropas Wanderungsziele für Arbeitsmigranten; hinzu kommt die Schweiz.

Wanderungen von Arbeitsmigranten auf regionaler Ebene kennzeichnen zum Beispiel Südostasien (Kambodscha - Thailand, Myanmar - Thailand, Indonesien - Malaysia und umgekehrt), den Süden Afrikas (mit dem Ziel Südafrika) und die Staaten der ehemaligen Sowjetunion (mit dem Ziel Russland). Innereuropäische Wanderungen von Arbeitssuchenden werden in der Karte nicht dargestellt; Quellgebiete sind hier vor allem Ost- und Südosteuropa, die Zielgebiete stimmen mit den oben genannten überein.

Bürgerkriege, bewaffnete Konflikte und Menschenrechtsverletzungen sind Beispiele für Ursachen, die internationale Flüchtlingsbewegungen auslösen können. Sie sind in der Karte mit roten Pfeilen markiert. Als Herkunftsregionen 2015 zeichnen sich der Nahe Osten (vor allem Syrien und der Irak, aber auch die Osttürkei), Zentralafrika, der nördliche Teil Ostafrikas und Mali ab, nach wie vor aber auch Afghanistan, die Kaukasusregion, Myanmar und China. Das Herkunftsland mit den größten Flüchtlingszahlen war 2015 Syrien. Mehr als die Hälfte der Flüchtlinge weltweit stammte 2015 aus nur drei Ländern: Syrien, Afghanistan und Somalia.

Die Karte zeigt, dass der überwiegende Teil der Flüchtlinge aus diesen Krisengebieten in den Nachbarländern Aufnahme findet (s. rote Pfeile) oder auch im Land selbst bleibt (s. blaue Kreise). In Jordanien lebten im September 2015 bei 9,5 Mio. Einwohnern rund 630 000 registrierte Flüchtlinge, dies entspricht knapp 7 Prozent der Bevölkerung. Auf Deutschland umgerechnet, würde dies eine Aufnahme von rund 5,5 Millionen Flüchtlingen bedeuten. Die vier Länder, in denen 2015 die meisten Flüchtlinge lebten, waren Pakis-tan, der Libanon, die Türkei und Nigeria.

Wie die blauen Kreise in der Karte zeigen, verbleibt eine sehr große Zahl an Flüchtlingen im Herkunftsland selbst. Dies trifft zum Beispiel auf Syrien, den Irak, den Sudan/Südsudan und Somalia zu. Dass die Zahl der Binnenflüchtlinge in Kolumbien so groß ist, liegt am Jahrzehnte andauernden Bürgerkrieg in diesem Land. Infolge der gegenwärtigen Verhandlungen zur Beilegung des Konflikts und eines Friedensvertrags zwischen den Beteiligten könnte die Zahl der Binnenflüchtlinge in Kolumbien in Zukunft abnehmen.

Vorverlagerung der Grenzen

Vor allem die wohlhabenden Zielländer der Migration bringen ihre Nachbarstaaten, die als Transitländer dienen, zunehmend dazu, die illegale Migration bereits auf ihrem Territorium zu unterbinden. So kommt es zu einer Vorverlagerung der Migrationskontrolle bereits an die Peripherien. Zugleich werden Entwicklungshilfen und Finanzhilfen für verschuldete Regierungen häufig an die Bedingung geknüpft, dass sie sogenannten Rückübernahmeabkommen zustimmen und die Migrationskontrolle - auch durch Auffangeinrichtungen, Razzien und Abschiebungen - in ihrem Bereich übernehmen. So hat etwa Mexiko seit 2001 die Kontrolle seiner Südgrenze intensiviert. Jährlich werden dort etwa 250 000 Migranten aus Mittel- und Südamerika, die auf dem Weg in die USA sind, abgefangen und abgeschoben. Die mexikanische Südgrenze ist im Vergleich zur 3200 Kilometer langen Grenze zwischen Mexiko und den USA wesentlich leichter zu kontrollieren.

In Europa gibt es seit 2004 Frontex, die "Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache" der Mitgliedstaaten der EU. Die Aufgabe von Frontex ist die aktive Sicherung der EU-Außengrenzen. Staaten wie Libyen, Algerien, Marokko, Mauretanien, der Ukraine und der Türkei wird in Arbeitsteilung eine Türsteherfunktion vor den Toren Europas zugewiesen (s. jeweils 110.1). Die vorgelagerten Kontrollen und die immer effizienteren Abwehrmaßnahmen führen dazu, dass die Fluchtwege immer länger und gefährlicher werden und, dass die Zahl der Todesfälle steigt, zum Beispiel bei gefährlichen Bootspassagen im Mittelmeer.

Binnenwanderungen

Neben grenzüberschreitenden Wanderungen sind vor allem in den großen Flächenstaaten Binnenwanderungen zu beobachten. Diese sind in der Karte exemplarisch für Russland, China, Indien, Südafrika und Brasilien dargestellt. Sie folgen in der Regel einem Wirtschafts- und Sozialgefälle innerhalb der Staaten. Häufig sind die Hauptstädte (zum Beispiel in Russland) bzw. die großen Metropolregionen, in denen sich die Wirtschaft konzentriert (zum Beispiel in Ostchina), das Ziel der Migranten.

Die "Illegalen"

Jedes Jahr werden allein aus Europa zehntausende Menschen abgeschoben. Viele Flüchtlinge und Migranten müssen fast völlig rechtlos in Lagern leben oder schlagen sich als Illegalisierte durch. Weltweit sind 30 bis 40 Mio. Menschen von diesem Schicksal betroffen, in Deutschland schätzt man die Zahl der "Illegalen" auf mehrere Hundertausend Menschen. Bei den meisten von ihnen handelt es sich um Migranten, deren Visum abgelaufen ist, um abgewiesene Flüchtlinge, Familienangehörige ohne Besuchserlaubnis oder um ehemalige Studierende, die nach Ablauf ihres Studentenvisums geblieben sind. Auch ein jahrelanger Aufenthalt, ein anerkannter Flüchtlingsstatus, hier geborene Kinder oder ein Arbeitsplatz schützen nicht vor der Illegalität.

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