Erde - Geotektonik

Erde - Erde - Erdgeschichte, Tektonik, Vulkanismus
978-3-14-100803-6 | Seite 242 | Abb. 2| Maßstab 1 : 120000000

Überblick

Die Erdkruste setzt sich aus kontinentaler und ozeanischer Kruste zusammen. Die Dichte der kontinentalen Kruste ist geringer als die der ozeanischen Kruste, beide befinden sich in einem sogenannten Tauchgleichgewicht. Gemäß dem Isostasieprinzip überragen die Kontinente das ozeanische Krustenniveau nur so weit, wie es ihrer geringeren Gesteinsdichte entspricht.

Gliederung und Merkmale der Kontinente

Die Kontinente mit dem dazugehörenden Schelfbereich (0 bis 200 m unter dem Meeresspiegel) bilden die oberen Teile der festen Lithosphäre. Sie haben Kerne aus metamorphen und plutonischen Gesteinen (Schilder, Tafeln; „Urkontinente“), die meist der Erdurzeit, dem Präkambrium, entstammen. In der Karte sind die dabei entstandenen Falten- und Deckengebirgszüge als Streifen in Brauntönen dargestellt. Die inzwischen weitgehend abgetragenen und eingeebneten Urkontinente wurden seit dem Kambrium lediglich von flachen Schelfmeeren überflutet und werden daher gebietsweise von ungestörten Sedimentserien überlagert.

Die Areale der späteren Orogene (Falten- oder Deckengebirge) stammen teils aus dem Paläozoikum, teils auch aus dem Mesozoikum und Känozoikum. Sie durchliefen nach einem Stadium geosynklinaler Absenkung über kontinentalem Untergrund oder in einer Randlage zwischen Kontinent und Ozean das eigentliche Stadium der Gebirgsbildung mit Metamorphose, Plutonismus und Faltung/Deckenbau, an das sich aufgrund isostatischer Heraushebung die Aufwölbung anschloss. Junge Senkungszonen begleiteten die Außenränder der so entstandenen Gebirge und nahmen deren Abtragungsschutt auf.

Ein weiteres Merkmal der Kontinente sind die seit dem Tertiär einsinkenden Grabenzonen, die häufig mit den Zentralgräben der ozeanischen Rücken in Verbindung stehen. An diesen kontinentweiten Nahtzonen weichen kontinentale Krustenteile aktiv auseinander. Dieser Prozess ist meist mit einem Aufstieg gewaltiger Lavamengen verbunden, aus denen Plateaubasalte entstehen.

Bewegungen der Platten

Schon seit dem Erdmittelalter begleiten Vulkanismus und Grabenbildung das Zerbrechen der Kontinente entlang tief reichender Störungen. Paläomagnetische Messungen, paläontologische Befunde und Spuren der permokarbonischen Vereisung belegen, dass sich die heutige Lagekonstellation der Kontinente deutlich von früher unterscheidet. Der deutsche Geophysiker und Meteorologe Alfred Wegener hat aufgrund der Analogie des Küstenverlaufs in der Umrahmung des Atlantiks schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Hypothese der Kontinentalverschiebung aufgestellt.

In der modernen Interpretation sind die Kontinente Teilstücke größerer lithosphärischer Platten, die passiv über der Asthenosphäre bewegt werden. Gegenüber der Wegener’schen Hypothese hat der heutige Erklärungsansatz den Vorzug, die großen Reibungskräfte an der Basis driftender Kontinentschollen durch die Annahme von konvektiven Fließvorgängen in größeren Tiefen von 60 bis 150 Kilometern besser erklären zu können (vgl. 240.3). Das Zerbrechen und die Drift der Kontinente sind danach das Ergebnis einer vom oberen Erdmantel ausgehenden Dynamik.

Gliederung und Merkmale der ozeanischen Kruste

Der Übergang von der spezifisch leichteren kontinentalen Kruste zur schwereren ozeanischen Kruste erfolgt unterhalb der Kontinentalhänge. Die ozeanische Kruste umfasst flach geneigte Tiefseebecken, ozeanische Rücken und Tiefseegräben. Die sich über mehr als 70 000 Kilometer erstreckenden ozeanischen Rücken verlaufen mit einer Höhe von bis zu 3500 Metern über dem umgebenden Meeresboden als nahezu geschlossene Kette über die Tiefseebecken. Ihre schmale Kammregion wird durch einen Zentralgraben markiert, der beispielsweise auch das zum mittelatlantischen Rücken gehörende Island durchquert (s. 106.1). Rezente Spaltenbildung, verknüpft mit intensiver Vulkantätigkeit, ist das charakteristische Merkmal einer fortdauernden Krustendehnung. Die ozeanischen Rücken werden von Querstörungen zerschnitten, an denen sie seitlich versetzt sind.

Der Beweis für die Spreizung der Ozeankrusten entlang den ozeanischen Rücken wurde durch die Entdeckung der paläomagnetischen Streifenmuster erbracht. Inzwischen wurden in allen Ozeanen Zonen normaler und inverser remanenter Gesteinsmagnetisierung nachgewiesen, die beiderseits der ozeanischen Rücken spiegelbildlich angeordnet sind.

Die Ausdehnungsgeschwindigkeit ozeanischer Kruste schwankt zwischen zwei bis drei Zentimetern pro Jahr im Nordatlantik und 15 Zentimetern pro Jahr im Südpazifik. Das Modell des sich spreizenden Meeresbodens (Seafloor Spreading) erklärt sowohl das junge Alter der Vulkane in der Längserstreckung der ozeanischen Rücken als auch die kontinuierliche Alterszunahme des ozeanischen Meeresbodens in Richtung der Kontinentalränder.

Wenn in der Kammregion der ozeanischen Rücken ständig ozeanische Kruste neu gebildet wird und sich seitlich ausbreitet, so müsste sich entweder die Erde ausdehnen oder die neu entstandenen Krustenanteile müssen durch Abtauchen ozeanischer Kruste an anderer Stelle ausgeglichen werden. Dieses Abtauchen, die sogenannte Subduktion, ereignet sich in Tiefseegräben, die den Kontinenten unmittelbar vorgelagert sind oder auf der Ozeanseite konvex gekrümmter Inselbögen liegen. Aufgrund seismologischer und vulkanologischer Daten ist anzunehmen, dass sich die dichtere – und damit schwerere – ozeanische Kruste in den Tiefseegräben unter die leichtere Kruste eines Kontinents schiebt bzw. an einer kontinentwärts geneigten Grenzfläche unter einem Inselbogen versinkt. Als Antriebskraft dieser Bewegungsvorgänge wirkt konvektive Wärmeabgabe aus dem Erdinneren. Aufgrund der aus der Asthenosphäre aufsteigenden heißen Mantelmaterie dehnt sich die Kruste im Verlauf der ozeanischen Rücken (240.3). Die absteigenden Äste dieses Konvektionssystems verursachen im Bereich der Tiefseegräben bzw. der Orogengürtel eine oft intensive Gebirgsbildung, Erdbebentätigkeit und Vulkanismus.

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