Dubai - Ausbau zur Global City

Asien - Naher und Mittlerer Osten - Siedlungsentwicklung
978-3-14-100800-5 | Seite 181 | Abb. 7| Maßstab 1 : 250000

Überblick

In Dubai, der Hauptstadt des gleichnamigen Emirats, liegen Hochhäuser wie eine Fata Morgana am Wüstenrand. Bagger haben im flachen Küstengewässer vor der Stadt die surrealistische Wohnlandschaft „Palm Jumeirah“ geschaffen, eine vier Kilometer lange künstliche Insel in Form einer Palme, die die Investoren Anfang der 2000er-Jahre als „achtes Weltwunder“ anpriesen. Sie war nur das erste von mehreren ähnlich ambitionierten Bauprojekten am Persischen Golf. Allerdings wurde Dubai, das kaum über Erdölvorkommen verfügt, aber lange als Mekka der Finanz- und Immobilienwirtschaft galt, von der globalen Finanzkrise 2008/2009 hart getroffen. Die Nachfrage nach Luxusimmobilien brach so dramatisch ein, dass mehrere Großprojekte wie die Kunstinseln „The Universe“, „The World“ und „Deira-Palme“ – mindestens vorläufig – eingestellt werden mussten. Umso wichtiger war für die Stadt der Zuschlag für die Ausrichtung der Expo 2020; von dem Mega-Event erhofft sich Dubai neue Impulse für die Infrastruktur, das Immobiliengeschäft und den Tourismus.

Geschichte und geographische Lage

Das Emirat Dubai ist ein Kleinstaat von rund 4000 Quadratkilometer Fläche, weniger als einem Zehntel der Fläche Niedersachsens. Das Territorium besteht aus einem etwa 50 Kilometer langen Küstenstreifen beiderseits des Meeresarms „Dubai Creek“ (arab.: khur dubai). Richtung Osten führt eine Straße 65 Kilometer durch das wüstenhafte Hinterland zur Ostgrenze, von dort weiter bis zur 110 Kilometer entfernten Exklave Hatta, einer einst malerischen, inzwischen durch Hotelbauten und Wüstenerlebnistourismus stark überprägten Oase im Omanischen Gebirge.

Dubai wird seit seiner Gründung um 1830 von den Stammesführern (Emiren) aus der Familie Al Maktoum regiert, 1835 geriet das Emirat unter britischen Schutz. Mit dem Rückzug der Briten schlossen sich 1971 sieben Kleinstaaten am unteren Persischen Golf zu den „Vereinigten Arabischen Emiraten“ (VAE) zusammen. In ihrer Innen- und Wirtschaftspolitik sind die Mitglieder der Föderation autonom.

Dadurch konnte Dubai – neben Abu Dhabi eine wirtschaftliche Drehscheibe der Vereinigten Arabischen Emirate – ab Anfang der 1980er-Jahre ein beispielloses Umgestaltungs- und Ausbauprogramm angehen. Als Kontrapunkt zum Dubai Creek mit den historischen Siedlungskernen Deira („Dorf“), Shindaga (dem historischen Sitz des Emirs) und Bur Dubai („Hafen“) entstand im Südwesten der Hafen Jebel Ali mit den zollfreien Gewerbeflächen der Freihandelszone (Jebel Ali Free Zone), in der sich seit der Gründung 1985 über 7000 Unternehmen der unterschiedlichsten Branchen angesiedelt haben, darunter rund 100 aus der „Fortune-500-Liste“ der umsatzstärksten Unternehmen weltweit.

Stadtgliederung und Architektur

Im Westen des künstlichen Hafens Jebel Ali entsteht das neue, von künstlichen Kanälen durchzogene Stadtviertel Veneto. Während auf der vorgelagerten künstlichen Insel Jebel-Ali-Palme die Bauarbeiten ruhen, soll das Stadtviertel wie geplant zeitnah vollendet werden. Nordöstlich der Freihandelszone des Hafens liegt die DUBAL-Aluminiumhütte, die mit einer Produktionskapazität von gut 1 Mio. Tonnen (2010) zur Weltspitze zählt. Unweit befinden sich drei Wärmekraftwerke und eine Meerwasserentsalzungsanlage. Wasser ist in den Vereinigten Arabischen Emiraten ein chronisch knappes Gut, die wenigen natürlichen Quellen reichen bei weitem nicht aus, den rasant steigenden Bedarf zu decken. Deshalb wird Dubais Süßwasser vorwiegend durch die sehr energieaufwendige Entsalzung von Meerwasser gewonnen und anschließend über eine Hauptwasserleitung verteilt, und zwar in gigantischen Mengen: Allein Dubais bekanntester Golfplatz hat einen Tagesbedarf von 3,5 Mio. Litern Wasser. Inzwischen steht das Emirat Dubai mit einem Durchschnittskonsum von 470 Litern pro Kopf und Tag an der Weltspitze im Wasserverbrauch.

Zwischen den Gewerbestandorten von Jebel Ali und dem historischen Siedlungskern erstreckt sich die von Shopping-Malls und Bürohochhäusern internationaler Banken und Handelsdienstleister gesäumte Sheikh Zayed Road, die Hauptverkehrsachse der Stadt. Hier liegt unter anderem die palastartige Mall oft the Emirates, eine der größten Shopping-Malls der Welt, die neben einem Theater, Kinos und diversen Unterhaltungsangeboten auch eine Skihalle umfasst. Unweit davon befinden sich einige markante architektonische Höhepunkte: die künstliche Lagunenlandschaft der Madinat Jumeirah, direkt daneben das Hotel Burj-al-Arab („Turm der Araber“) – mit seiner einem arabischen Segel nachempfundenen Architektur eines der luxuriösesten Hotels der Welt –, der Wild Wadi Water Park, das wellenförmige Jumeirah Beach Hotel und der gigantische Wolkenkratzer Burj Khalifa, seit seiner Einweihung 2010 mit 828 Metern das höchste Gebäude der Welt. Der 2012 fertiggestellte Prinzess Tower an der Marina ist mit 414 Metern exakt halb so hoch und gilt als das höchstes Wohngebäude weltweit.

Zur Entlastung der chronisch überfüllten Verkehrsstraßen wurden 2009 und 2011 die ersten beiden Linien der Dubai Metro eröffnet. Die erste Linie folgt in ihrem Verlauf der Sheikh Zayed Road und verbindet den Hafen Jebel Ali mit der Altstadt und dem Dubai International Airport (DXB), dem derzeit bedeutendsten Flughafen des Nahen Ostens. Die Pläne für zwei weitere Linien der Dubai Metro, die den Al Maktoum International Airport im Südwesten der Stadt anbinden werden, existieren bereits. Der neue Großflughafen wurde 2010 für den Frachtverkehr und 2013 für Passagierverkehr freigegeben. Vorerst dient er primär dem Zweck, den Dubai International Airport zu entlasten, er soll aber nach dem Willen der Planer bis 2020 zur Logistik- und Luftfrachtdrehscheibe zwischen Europa und Asien und zum größten Flughafen der Welt mit 120 Mio. Fluggästen und einem Umschlag von 12 Mio. Tonnen Luftfracht pro Jahr ausgebaut werden.

Tourismus und Arbeitsmigration

Dubai ist kein Erdölstaat: An der Erdöl- und Erdgasproduktion der Vereinigten Arabischen Emirate hat das Emirat nur kleinen Anteil, dafür galt es lange Zeit als sicherer Ort für die weltweiten Kapitalüberschüsse, insbesondere aus den Nachbarländern. Nach den Erfahrungen mit der Finanzkrise seit 2009 gibt es inzwischen Versuche, die Wirtschaft Dubais durch Förderung der verarbeitenden Wirtschaft und des Handels- und Dienstleistungssektors stärker zu diversifizieren.

In wachsendem Maße trägt der Tourismus zu den Einnahmen bei. Dabei setzt die Stadt auf das angenehme Klima im Winter, die feinsandigen Badestrände am Persischen Golf, eine exzellente Infrastruktur, vor allem aber auf architektonische Highlights und ein reiches Angebot an Geschäfts- und Vergnügungszentren. Die Strategie zahlt sich aus: Bei rund 10 Mio. Besuchern jährlich (Stand 2012) erzielte Dubai schon jetzt deutlich höhere Einnahmen aus dem Tourismus als aus dem Erdölsektor; bis 2020 will das Emirat die Zahl der ausländischen Gäste sogar noch verdoppeln. Die wichtigsten Herkunftsländer sind derzeit Saudi-Arabien, Indien, Großbritannien, die USA, Russland, Deutschland, Kuwait, Oman und China.

Dubai hat derzeit etwa 1,8 Mio. Einwohner, allerdings ist deren Zahl stark schwankend, weil es sich zu rund 80 Prozent um Ausländer handelt, von denen wiederum viele Arbeitsmigranten sind. Die wichtigsten Herkunftsländer der Arbeitsmigranten in Dubai sind (in dieser Reihenfolge): Indien, Pakistan, Bangladesch, Iran, Jordanien, die Philippinen und Sri Lanka. Die Camps der zahllosen Gastarbeiter, die auf den Großbaustellen der Stadt Beschäftigung finden, meist zu Dumpinglöhnen, liegen versteckt in Industrie- und Gewerbegebieten, weit abseits der touristischen Hauptströme, der Shopping-Malls und Luxuspaläste. NGOs wie Amnesty International haben die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Arbeitsmigranten in den Vereinigten Arabischen Emiraten mehrfach kritisiert.

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Dubais Schattenseite
Dubai, Stadt der Superlative. Die Hochhäuser wachsen hier im Zeitraffer. Auch wenn krisenbedingt vereinzelt Kräne still stehen, wird hier fast jede Woche ein neues gigantisches Bauprojekt angekündigt. Bislang gibt es allerdings kaum Untersuchungen darüber, ob das rapide Wachstum auch gesund ist. Gebaut wird, was Prestige bringt. Nachhaltigkeit ist dabei allerdings ein Fremdwort.
Der Ökonom und Arabienkenner Eckard Woertz erforscht seit Jahren die Entwicklung Dubais. Er arbeitet am Gulf Research Center. Eines der wenigen wissenschaftlichen Institute, das politisch unabhängig ist.
O-Ton Eckart Woertz, Ökonom: "Wir sind auf ewiges Wachstum angelegt, dass ist nun keine Spezialität von Dubai, natürlich hat man hier als historischer Nachzügler und aufgrund der Tatsache, dass das Öl von Dubai ja massiv zurück gegangen ist, hat man schon einen massiven Druck verspürt, etwas anderes zu schaffen, möglichst schnell und die Bedingungen waren ja auch günstig. Man hatte die massiv hohen Ölpreise der letzten Jahre und gleichzeitig auch historisch günstige Zinsen an den internationalen Kapitalmärkten und da ist dann schon einen Entwicklung in Gang gekommen, wo man leicht mal übertriebenes Zutrauen fassen konnte."
Das Resultat: Immer mehr, immer neue Bauprojekte wurden aus dem Boden gestampft. Mehr als eine halbe Million Gastarbeiter schuften auf den Baustellen der Stadt für einen Hungerlohn. Gewerkschaften sind verboten. Und nicht überall wird auf die Sicherheit der Arbeiter geachtet. Dies ist die Schattenseite der Glitzerwelt. Aber so macht man Profit. Die Marke Dubai ist zum lukrativen Spielball weltweiter Investoren geworden.
O-Ton Eckart Woertz, Ökonom: "Wo das dann langsam anfing zu steigen hat das natürlich noch mehr Leute addrahiert und häufig war das sehr spekulativ im Rahmen der sogenannten Quick Flip Off Plant Sales, also man hat quasi ein Projekt gekauft, sie kaufen quasi nur die Blaupause, machen eine Anzahlung und bevor der Grundstein überhaupt gelegt ist, konnten sie es mit Gewinn wieder weiter verkaufen."
Aber nicht nur die Zukunft ist eine Blaupause, auch die Gegenwart kann oft nicht mit dem rapiden Wachstum mithalten und so kommt es manchmal zu grotesken Verhältnissen. Diese Tankfahrzeuge transportieren die Fäkalien Dubais. Denn in vielen Teilen der Stadt gibt es keine Kanalisation. Stattdessen werden die Abwässer in Sickergruben gesammelt, abgepumpt und per LKW zu Kläranlagen transportiert.Die wahrscheinlich längste Tankfahrzeugschlange der Welt.
O-Ton Eckart Woertz, Ökonom: "Die vereinigten Arabischen Emirate haben nach Erhebungen des World Wide Life Fonds den größten ökologischen Fußabdruck der Welt. Ja, also hier werden am meisten Ressourcen verbraucht, pro Kopf der Bevölkerung."
Die meisten Fahrer müssen oft stundenlang in der Hitze warten, bevor sie an der Reihe sind, die Fäkalien ihrer Ladung zu entsorgen. Sie werden pro Fuhre bezahlt, nicht pro Stunde, und niemand weiß, ob alle Fuhren die völlig überlastete Kläranlage am Rande der Stadt wirklich erreichen.Das ist die andere Seite Dubais, jenseits der Glitzerwelt. Die Stadt der Superlative wird noch beweisen müssen, ob das Modell des rapiden Wachstums auf Dauer bezahlbar, sowie ökologisch und sozial vertretbar bleibt.