Die Welt im Ersten Weltkrieg (28.7.1914–11.11.1918)

Geschichte - Geschichte - Imperialismus und Erster Weltkrieg
978-3-14-100382-6 | Seite 213 | Abb. 3

Überblick

Im Ersten Weltkrieg kämpften die Mittelmächte Deutschland und Österreich-Ungarn gemeinsam mit dem Osmanischen Reich und Bulgarien gegen eine Allianz, der neben Großbritannien, Frankreich und Russland die meisten europäischen Staaten und ab 1917 auch die USA angehörten. Die neutralen Staaten waren weltweit deutlich in der Minderheit; größere Blöcke bildeten sie nur in Südamerika und Skandinavien. Die Ursachen dieses opferreichen Krieges, der in Europa begann, sich bald aber über die ganze Welt ausweitete, waren vielschichtig. Zu ihnen zählten Rivalitäten um Rohstoffquellen und Märkte, die angespannte Situation auf dem Balkan, schwere Versäumnisse in der Bündnispolitik, nicht zuletzt ein – für die imperialistische Epoche charakteristischer – aggressiver Nationalismus, der in vielen Ländern Europas zu einer starken Militarisierung des politischen und öffentlichen Lebens geführt hatte.

Bündnisverhältnisse am Vorabend des Krieges

Zwischen Deutschland, Österreich-Ungarn und Italien war bereits 1882 ein geheimes Militärbündnis geschlossen worden (Dreibund). Italien schloss aber 1902 auch einen Geheimvertrag mit Frankreich ab, erklärte dann 1914 zunächst seine Neutralität und trat 1915 der Entente bei. Aus dem Dreibund wurden die Mittelmächte, denen 1914 das Osmanische Reich und 1915 Bulgarien beitraten. Der Dreibund war – nicht zuletzt wegen der unausgesprochenen Ausrichtung gegen Russland und Frankreich – der Ausgangspunkt weiterer europäischer Bündnisverträge an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert. Zwischen Frankreich und Russland bestand seit 1892, zwischen Frankreich und Großbritannien seit 1904 (Entente cordiale) und zwischen Großbritannien und Russland seit 1907 (Petersburger Vertrag) ein Bündnisverhältnis. Diese drei Staaten bildeten den Kern der Triple-Entente. Zwischen Großbritannien und Japan sowie zwischen Russland und Japan gab es Geheimabkommen, die Japan 1914 zum Bündnispartner in Asien machten. Mit den Mutterländern waren auch die Kolonien in die Bündnisse einbezogen.

Kriegsverlauf

Der Krieg begann am 28. Juli 1914 mit einer Kriegserklärung Österreich-Ungarns an Serbien. Am 30. Juli wurden die russischen Streitkräfte mobilisiert, am 1. August erklärte Deutschland dem Zarenreich und am 3. August Frankreich den Krieg. Der englische Kriegseintritt folgte einen Tag später. Das Deutsche Reich, das an der gewaltsamen Eskalation maßgeblich beteiligt war, hatte den Plan, Frankreich durch einen überfallartigen Angriff niederzuwerfen, um anschließend mit geballter Heeresmacht gegen Russland zu ziehen („Schlieffenplan“). Da diese Strategie auf dem Überraschungseffekt beruhte, nahm die deutsche Führung eine Verletzung der Neutralität Belgiens in Kauf, die ihrerseits den Kriegseintritt Großbritanniens provozierte. Der deutsche Vormarsch verlief zunächst wie geplant, wurde aber Anfang September 1914 von Franzosen und Briten gestoppt. Der Überraschungsfeldzug verwandelte sich ab Herbst 1914 in einen mörderischen Stellungskrieg, dessen Front sich über mehr als 700 Kilometer von der niederländischen Westerschelde bis zur Schweizer Grenze erstreckte. Es gab zahllose Scharmützel, Gefechte und Schlachten – allein bei Verdun starben 1916 mehr als 700 000 Soldaten –, ohne dass sich der Frontverlauf gravierend veränderte. Das Scheitern des Schlieffenplans wirkte sich auch auf die Ostfront aus. Nach anfänglichen Siegen blieb der Vorstoß der österreichischen und deutschen Verbände stecken; der Angriff ging auch hier in einen Stellungskrieg über. Eine dritte Front entstand Ende 1915 im Süden, nachdem Italien auf Seiten der Entente in den Krieg eingetreten war. In den Isonzoschlachten zwischen Österreich-Ungarn und Italien starben zwischen Juni 1915 und Oktober 1917 Hunderttausende Soldaten, ohne dass eine Seite einen entscheidenden Vorteil erzielte. Die Vereinigten Staaten blieben lange neutral. Als Deutschland aber im Februar 1917 ankündigte, fortan alle Schiffe in Nordsee, Atlantik und Mittelmeer ohne Vorwarnung zu versenken, und der britische Geheimdienst fast zeitgleich von einem geplanten deutsch-mexikanischen Bündnis erfuhr, das Mexiko Hoffnung auf die US-Bundesstaaten Texas, New Mexico und Arizona machte, wendete sich das Blatt. Am 6. April 1917 erklärten die USA Deutschland und im Dezember auch Österreich-Ungarn den Krieg. In einer „Frühjahrsoffensive“ versuchten die Deutschen Anfang 1918, an der Westfront eine Entscheidung zu erzwingen. Am 21. März starteten sie einen Großangriff, die Entente antwortete im Juli mit einer Gegenoffensive. Den entscheidenden Sieg erzielten britische Panzer am 8. August 1918 bei Amiens. Im Oktober kapitulierte Österreich-Ungarn, am 11. November unterzeichnete Deutschland die Waffenstillstandsbedingungen. Unterdessen hatte in Russland nach der Oktoberrevolution 1917 der Russische Bürgerkrieg begonnen, in dem sich die Revolutionäre und die antibolschewistischen „Weißen“ erbittert bekämpften. Nach dem starken Vormarsch der „Weißen“, die von den USA, Frankreich und Großbritannien Unterstützung erhielten, gelang es – entgegen allen Erwartungen – der Roten Armee, alle von den „Weißen“ beherrschten Gebiete bis Ende 1920 zurückzuerobern.

Folgen

Historisch neu am Ersten Weltkrieg war der massenhafte Einsatz modernster technischer Kampfmittel, darunter Maschinengewehre, Panzer, Flugzeuge und chemische Waffen, wodurch die Zahl der Opfer nie gekannte Dimensionen erreichte. Rund 8,5 Millionen Soldaten starben, 21 Millionen Soldaten wurden verwundet, 7,8 Millionen gerieten in Gefangenschaft, 7 Millionen Zivilisten verloren ihr Leben. Darüber hinaus wurde die Zivilbevölkerung durch Propaganda, Einbeziehung in die Kriegswirtschaft, Zeichnung von Kriegsanleihen, patriotische Feste und freiwillige Dienste massiv in das Kriegsgeschehen involviert („Heimatfront“). Die Mobilisierung aller wirtschaftlichen, technischen und menschlichen Ressourcen machte den Ersten Weltkrieg zum ersten „totalen Krieg“ der europäischen Geschichte. Die politischen Folgen des Krieges waren gravierend. Mit Russland, Deutschland und Österreich-Ungarn brachen drei große europäische Monarchien zusammen, der österreichische Vielvölkerstaat löste sich auf. Dafür entstanden in Nord- und Osteuropa mit Finnland, den drei baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen, Polen, Ungarn, der Tschechoslowakei und dem Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen (ab 1929 Jugoslawien) eine Reihe neuer oder wiederbegründeter Nationen. Aber die Friedensregelungen (darunter der Versailler Vertrag mit Deutschland) führten weder in politischer noch in wirtschaftlicher Hinsicht zu einer Stabilisierung der europäischen Verhältnisse.

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